Augsburger Allgemeine (Land West)
Eine junge Frau stirbt, ein Mann muss damit leben
Schicksal Im Sommer 2015 wird eine 19-jährige Radfahrerin von einem Lastwagen überrollt. Jetzt spricht der Fahrer darüber, wie ihn der Unfall aus der Bahn warf – und weshalb er sich bei der trauernden Mutter nicht gemeldet hat
Er hat so oft dabei geholfen, das Leben von Menschen zu retten. Peter F., 54, ist seit vielen Jahren bei der freiwilligen Feuerwehr engagiert. Als Feuerwehrmann hat er schon schlimme Unfälle gesehen und dabei Schwerverletzte gerettet. Doch dann kommt der 30. Juni 2015. Ein schöner Sommertag, bestes Badewetter. Peter F., der bei einer Baufirma arbeitet, biegt gegen 15 Uhr nachmittags mit einem Lastwagen an einer Kreuzung in Haunstetten rechts ab. Sein tonnenschweres Fahrzeug erfasst eine junge Radfahrerin. Sie wird so schwer verletzt, dass sie stirbt. Mit 19 Jahren.
Die junge Frau, sie heißt Chiara, hat gerade ihre erste eigene Wohnung bezogen. Sie hat schwierige Zeiten hinter sich, war zeitweise in die Drogenszene abgerutscht. Als der Unfall passiert, ist sie dabei, ihr Leben neu zu ordnen. Sie treibt jetzt Sport und trainiert für einen Triathlon. Sie hat sich beim Militär beworben und die Chance, Hubschrauberpilotin zu werden. Ein Leben geht an diesem Tag viel zu früh zu Ende.
Für Peter F. muss das Leben danach weitergehen. Aber es ist ein anderes Leben. Der Lastwagenfahrer muss damit klarkommen, das er verwickelt ist in den Tod einer jungen Frau. Gegenüber unserer Zeitung sagt Peter F. jetzt, es fühle sich an wie ein Albtraum, aus dem man nicht aufwacht. Er sagt, sein Leben werde seither Tag und Nacht begleitet von Angst und Trauer, von den Erinnerungen an den Unfall. Von den Bildern des Geschehens und den Gedanken an die Eltern, die ihre Tochter verloren haben.
Peter F. ist selbst Familienvater. Er sagt, er habe von Anfang an das Gefühl gehabt, sich bei der Mutter melden zu müssen. Erst vor Kurzem äußerte die trauernde Mutter in einem Interview mit unserer Zeitung ihre Enttäuschung darüber, dass sie nach dem Unfall nichts von dem Lastwagenfahrer und der betroffenen Firma gehört habe. In seinem Umfeld hatte man Peter F. aber dringend davon abgeraten, persönlichen Kontakt aufzunehmen. In erster Linie aus rechtlichen Gründen. Daran hatte er sich gehalten.
Nach dem Unfall hatte die Polizei ermittelt, auch ein Gutachter wurde eingeschaltet. Das Amtsgericht verhängte später gegen den LasterFahrer auf schriftlichem Weg per Strafbefehl eine Geldstrafe von 4950 Euro. Nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Gericht sah der Lastwagenfahrer die Radfahrerin nicht, als er von der Landsberger Straße nach rechts in die Inninger Straße abbiegen wollte. Die 19-Jährige fuhr geradeaus. Die Ampel an der Kreuzung zeigte für beide Grün. Die Radfahrerin habe sich zwar im sogenannten „toten Winkel“befunden, der über die Rückspiegel nicht zu sehen war, so die Staatsanwaltschaft. Dennoch erkannte die Behörde eine Schuld des Fahrers.
Allerdings keine gravierende Schuld: Denn die Geldstrafe liegt im unteren Bereich des Strafrahmens. Möglich wären bei fahrlässiger Tötung sogar Haftstrafen von bis zu fünf Jahren. Auch ein Fahrverbot wurde nicht verhängt. Peter F. hatte gegen den Strafbefehl dennoch Einspruch eingelegt. Er wollte, dass es zu einem Prozess kommt. Er hatte sich erhofft, es würden ungeklärte Fragen vor Gericht geklärt. Fragen, die er sich seit dem Tag des Unfalls immer wieder stellt. „Damit wären gewiss auch schmerzhafte, traurige und emotionale Momente verbunden gewesen, aber auch vielleicht mehr Klarheit“, meint er.
Doch der psychische Druck sei für ihn zu groß geworden. Berichte über die anstehende Gerichtsverhandlung hatten sich rasend schnell im Internet verbreitet. Fremde