Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Herr der Gitarren
Portrait Karl Pösl aus Deuringen, Musiker und Lehrer aus Leidenschaft, will mit seinen Schülern Heimatkunde in einem Lied vertexten. Was er noch für einen Traum hat
Ahorn, Argon, Bauern, Finken, Löschweg, Lauschberg, Kirchen, Linden, Panzerstraße, Eibenweg, Elmar-Fryer – diese in ein Lied verarbeiteten Straßennamen könnten bald in der Warteschleife ertönen, wenn man bei der Stadt Stadtbergen anruft. Gesungen und aufgenommen wurde es von Karl Pösl, Lehrer und Musiker aus Leidenschaft, aus Deuringen. Der 63-Jährige hat aber noch ein anderes Projekt in der Warteschleife. Mit einem Lied, das im Original „I’ve been everywhere“heißt und von Geoff Mack komponiert wurde, will er pädagogisch die Kreativität von Schülern in den musischen Fächern fördern, verknüpft mit digitaler Medienkompetenz. Karl Pösls Version des Songs heißt „Ich war überall in Augsburg“und enthält als Text lediglich Straßennamen und einen kleinen Textdreher am Ende jeder Strophe. „Die Schüler können damit ihren Schulsprengel beschreiben und die Straßennamen spielerisch verinnerlichen“, sagt Pösl über die vertextete Heimatkunde. „Gerade für unsere Schüler aus dem Ausland ist es auch eine Anbahnung eines Heimatgefühls“, so der Pädagoge an der KerschensteinerVolksschule in Augsburg. Nach dem Texten wird auf der Grundlage einer Karaokeversion die Mischung selbst kreiert, eventuell ein Video dazu gedreht und mit dem Song unterlegt. „Zu guter Letzt wird das Ganze auf Youtube hochgeladen“, erklärt Pösl das Projekt, das er zusammen mit seinem Kollegen Volker Treusch betreibt und später allen interessierten Schulen zugänglich machen will.
Sechs Wochen war Karl Pösl durch eine Schulteroperation außer Gefecht gesetzt, konnte keiner seiner rund 20 Gitarren zum Klingen bringen. Auch zwei Geigen, eine Mandoline oder eine türkische Saz blieben stumm. Wie schlimm das für ihn war, kann man nachvollziehen, wenn man einen Blick in seine musikalische Vergangenheit wirft. 20 Jahre war er Mitglied der legendären Augsburger Country & Wes- tern-Band „Nashville Train“. Dem Country und Bluegrass gehört seine ganz große Liebe. „Diese Musik bringt Lebensgeschichten und Melodien auf den Punkt“, schätzt der Vollblutmusiker das Können, das diese meist unterbewertete Stilrichtung benötigt, um sich funkensprühend zu präsentieren.
Pösl, der auch bei den Bands „Hereafter“, „Waldschrat“, „Confusion“, den „Rag Dolls“oder „Music Circus“Gitarre und Keyboards gespielt und gesungen hat, mag aber auch Schlager, Elvis, Beat, Rock, Jazz, Funk. Über 1000 Lieder hat er im Repertoire. Auswendig. „Wie viele es genau sind, kann ich nicht beantworten“, lacht Pösl, der deshalb auch als wandelnde Musikbox bezeichnet wird.
„Amazing Jukebox“heißt eine Veranstaltungsserie, mit der er nach eigenen Angaben sogar Weltrekordhalter ist. 49 Konzerte mit 49 verschiedenen Programmen und rund 800 Liedern hat er im Augsburger Abraxas bestritten. Entweder allein mit seiner Gitarre, einer Martin D 42, die einst Rüdiger Helbig, einem der besten Banjo-Spieler der Szene gehörte, oder mit Freunden. So wie Daniel Vazques, mit dem Karl Pösl derzeit als „The Wonderboys“firmiert. Zusammen mit weiteren Augsburger Musikgrößen wie Klaus Greisel (Shotguns), Roland Kopper (Sunday in Jail), Robby Ruddigkeit (Pony Express) sowie der Sängerin Monserl arbeiten sie gerade an mehreren Songs im Augsburger Dialekt. Einer davon heißt „Nagged bin i nimmer schee“(Original: „I don’t look good naked anymore“von Snake Oli Willy Brand). Der hat laut Pösl sogar das Zeug für einen Oktoberfest-Hit.
Neben vielen anderen Hobbys wie Laufen, Krafttraining, Badminton, Fußball, Sudoku oder Motorradfahren mit seiner Indian Scout hat Karl Pösl auch eine soziale Ader. Am Klavier gestaltet er Mitsingabende in Altersheimen, singt dort mit den Bewohnern Volkslieder und alte Schlager. Wenn er in einem Jahr in den Ruhestand geht, will er dies noch weiter intensivieren.
Pösl träumt von einem Konzert, das durch einen Livestream im Internet auch Menschen erreicht und Freude bereitet, die nicht daran teilnehmen können, weil sie sich im Krankenhaus oder Seniorenheim befinden. „Mit persönlicher Ansprache“, denkt Pösl laut nach: „Wir senden jetzt Grüße an Herrn Mustermann im Klinikum Augsburg, der sich sein Lieblingslied gewünscht hat.“Und dann spielt die „Amazing Jukebox“eines von über 1000 Liedern aus einem schier unerschöpflichen Repertoire.
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Ein Video mit der ersten Strophe der Stadtbergen Version von „I war überall“gibt es im Internet unter www.augsburger allgemeine.de