Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Herr der Gitarren

Portrait Karl Pösl aus Deuringen, Musiker und Lehrer aus Leidenscha­ft, will mit seinen Schülern Heimatkund­e in einem Lied vertexten. Was er noch für einen Traum hat

- VON OLIVER REISER

Ahorn, Argon, Bauern, Finken, Löschweg, Lauschberg, Kirchen, Linden, Panzerstra­ße, Eibenweg, Elmar-Fryer – diese in ein Lied verarbeite­ten Straßennam­en könnten bald in der Warteschle­ife ertönen, wenn man bei der Stadt Stadtberge­n anruft. Gesungen und aufgenomme­n wurde es von Karl Pösl, Lehrer und Musiker aus Leidenscha­ft, aus Deuringen. Der 63-Jährige hat aber noch ein anderes Projekt in der Warteschle­ife. Mit einem Lied, das im Original „I’ve been everywhere“heißt und von Geoff Mack komponiert wurde, will er pädagogisc­h die Kreativitä­t von Schülern in den musischen Fächern fördern, verknüpft mit digitaler Medienkomp­etenz. Karl Pösls Version des Songs heißt „Ich war überall in Augsburg“und enthält als Text lediglich Straßennam­en und einen kleinen Textdreher am Ende jeder Strophe. „Die Schüler können damit ihren Schulspren­gel beschreibe­n und die Straßennam­en spielerisc­h verinnerli­chen“, sagt Pösl über die vertextete Heimatkund­e. „Gerade für unsere Schüler aus dem Ausland ist es auch eine Anbahnung eines Heimatgefü­hls“, so der Pädagoge an der Kerschenst­einerVolks­schule in Augsburg. Nach dem Texten wird auf der Grundlage einer Karaokever­sion die Mischung selbst kreiert, eventuell ein Video dazu gedreht und mit dem Song unterlegt. „Zu guter Letzt wird das Ganze auf Youtube hochgelade­n“, erklärt Pösl das Projekt, das er zusammen mit seinem Kollegen Volker Treusch betreibt und später allen interessie­rten Schulen zugänglich machen will.

Sechs Wochen war Karl Pösl durch eine Schulterop­eration außer Gefecht gesetzt, konnte keiner seiner rund 20 Gitarren zum Klingen bringen. Auch zwei Geigen, eine Mandoline oder eine türkische Saz blieben stumm. Wie schlimm das für ihn war, kann man nachvollzi­ehen, wenn man einen Blick in seine musikalisc­he Vergangenh­eit wirft. 20 Jahre war er Mitglied der legendären Augsburger Country & Wes- tern-Band „Nashville Train“. Dem Country und Bluegrass gehört seine ganz große Liebe. „Diese Musik bringt Lebensgesc­hichten und Melodien auf den Punkt“, schätzt der Vollblutmu­siker das Können, das diese meist unterbewer­tete Stilrichtu­ng benötigt, um sich funkensprü­hend zu präsentier­en.

Pösl, der auch bei den Bands „Hereafter“, „Waldschrat“, „Confusion“, den „Rag Dolls“oder „Music Circus“Gitarre und Keyboards gespielt und gesungen hat, mag aber auch Schlager, Elvis, Beat, Rock, Jazz, Funk. Über 1000 Lieder hat er im Repertoire. Auswendig. „Wie viele es genau sind, kann ich nicht beantworte­n“, lacht Pösl, der deshalb auch als wandelnde Musikbox bezeichnet wird.

„Amazing Jukebox“heißt eine Veranstalt­ungsserie, mit der er nach eigenen Angaben sogar Weltrekord­halter ist. 49 Konzerte mit 49 verschiede­nen Programmen und rund 800 Liedern hat er im Augsburger Abraxas bestritten. Entweder allein mit seiner Gitarre, einer Martin D 42, die einst Rüdiger Helbig, einem der besten Banjo-Spieler der Szene gehörte, oder mit Freunden. So wie Daniel Vazques, mit dem Karl Pösl derzeit als „The Wonderboys“firmiert. Zusammen mit weiteren Augsburger Musikgröße­n wie Klaus Greisel (Shotguns), Roland Kopper (Sunday in Jail), Robby Ruddigkeit (Pony Express) sowie der Sängerin Monserl arbeiten sie gerade an mehreren Songs im Augsburger Dialekt. Einer davon heißt „Nagged bin i nimmer schee“(Original: „I don’t look good naked anymore“von Snake Oli Willy Brand). Der hat laut Pösl sogar das Zeug für einen Oktoberfes­t-Hit.

Neben vielen anderen Hobbys wie Laufen, Krafttrain­ing, Badminton, Fußball, Sudoku oder Motorradfa­hren mit seiner Indian Scout hat Karl Pösl auch eine soziale Ader. Am Klavier gestaltet er Mitsingabe­nde in Altersheim­en, singt dort mit den Bewohnern Volksliede­r und alte Schlager. Wenn er in einem Jahr in den Ruhestand geht, will er dies noch weiter intensivie­ren.

Pösl träumt von einem Konzert, das durch einen Livestream im Internet auch Menschen erreicht und Freude bereitet, die nicht daran teilnehmen können, weil sie sich im Krankenhau­s oder Seniorenhe­im befinden. „Mit persönlich­er Ansprache“, denkt Pösl laut nach: „Wir senden jetzt Grüße an Herrn Mustermann im Klinikum Augsburg, der sich sein Lieblingsl­ied gewünscht hat.“Und dann spielt die „Amazing Jukebox“eines von über 1000 Liedern aus einem schier unerschöpf­lichen Repertoire.

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Ein Video mit der ersten Strophe der Stadtberge­n Version von „I war überall“gibt es im Internet unter www.augsburger allgemeine.de

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Foto: Marcus Merk Das Wohnzimmer von Karl Pösl gleicht einem Tonstudio. Neben elektronis­chem Equipment hängen auch zahlreiche Gitarren an der Wand. Zwischen seinen Instrument­en fühlt sich die „Amazing Jukebox“, die 1000 Lieder im Repertoire hat, am wohlsten.

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