Augsburger Allgemeine (Land West)
Vom Kampfsport zum Kopfsport
Handball Bezirksvorsitzender Pius Waldmann stellt sich Mitte Februar in Gundelfingen zur Wiederwahl. Warum man das Aus bei der WM nicht dramatisieren sollte
Seit 15 Jahren führt Pius Waldmann den BHV-Bezirk Schwaben. Und stellt sich Mitte Februar in Gundelfingen-Echenbrunn zur Wiederwahl. Der 59-Jährige spielt seit Jugendbeinen Handball beim TSV Niederraunau. Für die „Krumbacher“lief er aktiv in der Bayernliga auf. Wir sprachen im Vorfeld des Bezirkstages mit dem Vorsitzenden über die aktuellen Problemstellungen seines Sports.
Bevor wir über den kommenden Bezirkstag am 17. Februar in Gundelfingen-Echenbrunn reden, sollten wir kurz auf den Schock zu sprechen kommen, den das frühe WM-Aus unseres Nationalteams gegen Katar in der französischen Hauptstadt bei der deutschen Handballwelt verursacht hat …
Waldmann: Ja, ich war – gelinde gesagt – entsetzt über den Spielverlauf beim Achtelfinale, das dann ja völlig überraschend mit 20:21 verloren ging. Ich habe mir das Match wie viele andere auch über den InternetLivestream angesehen, was übrigens bei mir gut funktionierte. Nach den ersten vier Toren war ich noch zuversichtlich, dass wir das packen. Später kam jedoch wohl Nervenschwäche ins Spiel. Dieser Verlauf zeigt mir aber, dass so etwas auf allen Ebenen passieren kann und nicht nur bei den Amateuren.
Wirft das den deutschen Handball wieder ein Stück zurück?
Waldmann: Nach dieser Niederlage des Europameisters nützt es nichts, wenn wir nun monatelang den Kopf hängen lassen und dem verpatzten Weiterkommen bei der Weltmeisterschaft ewig nachtrauern. Wir sollten uns vielmehr bewusst sein, dass Deutschland über die besten Handballspieler der Welt verfügt, wir haben die größten und besten Hallen überhaupt. Denken Sie nur an das EM-Gold und die Olympia-Bronze, die unsere jungen Spieler eingefahren hatten.
Spieler-Nachwuchs und MitgliederBewegungen könnte in Gundelfingen ein großes Thema sein.
Waldmann: Die Mitgliederzahl im Bezirk mit seinen rund drei Dutzend Vereinen steht stabil bei knapp 10000. Da wir von den insgesamt acht Bezirken in Bayern flächenmäßig der kleinste sind, sollte man nicht zu strenge Maßstäbe anlegen. Deshalb müssen wir auch bei den Finanzen aufpassen, was wohl in Echenbrunn thematisiert werden wird. Doch können wir eine gute, funktionierende Geschäftsstelle in Augsburg vorweisen. Und wir haben große, höherklassige Klubs wie Haunstetten und Friedberg.
Sie sind mit der sportlichen Entwicklung des Handball-Bezirks zufrieden?
Waldmann: Natürlich können wir als kleinste Einheit nicht für alle Zeit Topleistungen in den höheren Ligen gewährleisten. Ich sehe uns leis- tungsmäßig aber im vorderen Mittelfeld. Was die Rekrutierung von Handball-Talenten angeht, stehen wir wie fast alle Sparten des Sports im Wettstreit untereinander. Die Nachwuchs-Gewinnung ist da mittlerweile schwierig. Doch in dieser Frage müssen wir als Verband und vor allem jeder Ehrenamtliche aktiv bleiben. Ein gutes Beispiel dafür stellt etwa der bayernweite Grundschulaktionstag dar, bei dem auch prominente Sportler mit einem Probetraining vor Ort die Werbetrommel für unseren schönen Sport rühren.
Wann geht es denn am besten los mit dem Handball?
Waldmann: Ein gutes Alter für den Einstieg in den Handballsport ist die Zeit zwischen sechs und acht Jahren. Unseren Minis mit Buben wie Mädchen bereitet das Spiel großen Spaß, denn dabei wird ohne Ergebnisse und den sonst üblichen Leistungsdruck geworfen. Die viele Studenten und Schüler, die sich von Handball angezogen fühlen, sorgen dafür, dass unsere Sportart den höchsten Akademisierungsgrad aufweist.
Als reine Kopfsache war Ihr Sport in der Vergangenheit weniger bekannt, berüchtigt dagegen die oft übertrieben körperbetonte Spielweise mit zahlreichen Verletzungen …
Waldmann: Stimmt, vor 30 Jahren war das auch der Fall. Da ging es selbst in den unteren und mittleren Ebenen knallhart zur Sache. Aber unser Sport hat sich seither total verändert. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Spielregeln geändert wurden. Die Schiedsrichter zum Beispiel können nun viel schneller pfeifen und eingreifen als früher. Freilich fordert das heutige hohe Handball-Tempo auch seinen Tribut. Aber wir Handballer waren schon immer hart im Nehmen, wie ich aus den eigenen dreieinhalb Jahrzehnten Spielerfahrung selbst nur zu gut weiß.
Angemerkt: Das deutsche Nationalteam bezeichnet sich ja gerne als die Bad Boys, die harten Jungs – nach dem gleichnamigen US-Thriller …