Augsburger Allgemeine (Land West)

Streit unter Landwirten eskaliert

Prozess 66-Jähriger soll seinen Kontrahent­en mit einem Traktor gejagt haben. Deshalb stand er vor Gericht

- VON WOLFGANG KAHLER

Jagdszenen der besonderen Art im nördlichen Landkreis: Mit seinem Traktor sei ein Landwirt absichtlic­h auf seinen Kontrahent­en losgefahre­n, so der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft. Höhepunkt einer langjährig­en Fehde, die das Amtsgerich­t Günzburg vorläufig mit einer Geldstrafe beendete.

Zu dem Vorfall, der jetzt juristisch aufgearbei­tet wurde, kam es an einem Augusttag vergangene­n Jahres am Rande einer größeren Gemeinde. Dort sei der Angeklagte am Steuer seines Traktors auf den zehn Jahre jüngeren Berufskoll­egen getroffen, mit dem er laut Staatsanwa­ltschaft seit Jahren im Streit liegt. Was dann genau passierte, schilderte­n der Angeklagte und der Geschädigt­e unterschie­dlich. Laut Tatvorwurf sei der Angeklagte gezielt mit dem Traktor auf das Opfer zugefahren, der sich nur durch einen Sprung zur Seite habe retten können. Damit nicht genug, habe der 66-Jährige dem Kontrahent­en zugerufen: „Dich schlag ich noch tot.“Das Verhältnis zwischen Angeklagte­m und Opfer scheint ziemlich zerrüttet. Seit mehreren Jahren überziehen sich die beiden Parteien mit Anzeigen, insgesamt elf an der Zahl, wie Richter Daniel Theurer aufgrund der polizeilic­hen Akten feststellt­e. Angeblich, so der Angeklagte, mache ihn der andere Landwirt überall in der Öffentlich­keit schlecht, sogar bis über die Landkreisg­renze hinaus.

Die Attacke mit dem Traktor sei aber so nicht passiert, sagte der Angeklagte mit seinem Rechtsanwa­lt Thomas Albrecht (Jettingen-Scheppach). Als er an diesem Tag auf dem Weg zum Feld zwei Anhänger passierte, habe er den Kontrahent­en erst gesehen, als er mit seinem Schlepper auf eine Wiese ausgewiche­n sei: „Mit zwei Metern Abstand, ich kann ihn ja nicht umfahren.“„Acht bis zehn Meter vor mir hat er Vollgas gegeben“, schildert der als Zeuge geladene Landwirt das Ereignis an dem Augusttag allerdings ziemlich drastisch: „Ich musste zur Seite springen, sonst hätte er mich über den Haufen gefahren.“Das sei eindeutig zu weit gegangen, so der 56-Jährige. Auch die üblen Ausdrücke seien so gefallen wie angeklagt: „Ich bring dich um, dich schlag ich tot.“Das seien die Standardsp­rüche des Angeklagte­n, die alle zu hören bekämen, die es mit ihm zu tun hätten. Einen konkreten Anlass, wie einen vorangegan­genen Konflikt, habe es nicht gegeben, sagte der Zeuge. Aus Sicht der Staatsanwa­ltschaft habe sich der Tatvorwurf bestätigt und es gebe keinen Grund, dass der Zeuge gelogen hat. Wegen gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr und Bedrohung lautete die Forderung auf 40 Tagessätze zu 40 Euro, also 1600 Euro Geldstrafe und einen sechsmonat­igen Führersche­inentzug. Dieses Strafmaß war dem Verteidige­r eindeutig zu hoch. Schließlic­h existierte kein neutraler Zeuge des Vorfalls und immerhin schwele der Streit schon seit Jahren – ein konkreter Anlass sei nicht feststellb­ar, meinte der Anwalt. Er habe erhebliche­n Zweifel an den Aussagen des Zeugen, zumal dieser den Polizeibea­mten von der Bedrohung zunächst nichts gesagt habe. „Für eine Verurteilu­ng reicht die Beweisführ­ung nicht aus“, sagte der Anwalt und forderte Freispruch. „Ich war’s nicht“, sagte der Angeklagte in seinem Schlusswor­t und wies noch einmal darauf hin, dass seine ganze Familie unter den „Stänkereie­n“des Gegners leide. Auf den Freispruch ließ sich Richter Theurer aber nicht ein. Nach kurzer Unterbrech­ung verhängte er gegen den bisher völlig unbescholt­enen 66-Jährigen eine Geldstrafe in Höhe von 15 Tagessätze­n zu 40 Euro, gleich 600 Euro. Die Attacke mit dem Traktor sah Richter Theurer als nicht erwiesen an, da es an „Schädigung­svorsatz“fehle.

Nach Ende der Verhandlun­g wandte sich der Zeuge noch einmal an Richter Theurer: „Kann man nichts dagegen unternehme­n, wenn er das ganze Dorf bedroht.“Anlass für die langjährig­e Auseinande­rsetzung sei, dass sich der jetzt verurteilt­e Landwirt immer benachteil­igt fühle. Der Richter empfahl, sich an die Polizei zu wenden und sich von dem Angeklagte­n fernzuhalt­en. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

 ?? Symbolfoto: Ralf Lienert ??
Symbolfoto: Ralf Lienert

Newspapers in German

Newspapers from Germany