Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein altes Haus unein Neubauproj­ekt

Bürgerents­cheid Bleibt die Strasser-Villa im Gersthofer Stadtzener­halten oder muss sie weichen, damit ein Gebäudekom­plex mit Einzelhand­el, Wohnungen und Praxen entstehen kair beantworte­n Fragen, die sich den Wählern stellen

- VON GERALD LINDNER UND CHRISTOPH FREY

Gersthofen

Am Sonntag in einer Woche endet Gersthofen­s erster Bürgerents­cheid. Schon seit 10. Januar können mehr als 16700 Gersthofer per Post abstimmen, am 12. Februar haben zusätzlich noch zwei Wahllokale geöffnet. Doch worum geht es genau? Hier versuchen wir noch einmal, die wichtigste­n Fragen zu klären.

Worüber wird abgestimmt?

Über den Verbleib der Strasser-Villa und des dazugehöri­gen Grundstück­s im Besitz der Stadt Gersthofen. Der Stadtrat will beides an den Unternehme­r Peter Pletschach­er veräußern. Dieser will die Villa abreißen, weil sie seinen Plänen für den Wohn- und Geschäftsk­omplex Goldene Mitte im Weg ist.

Wer ist gegen den Abriss?

Die aus mehreren Familien bestehende BI „Werte erhalten, Neues gestalten“um den früheren Bürgermeis­ter Siegfried Deffner hat rund 2000 Unterschri­ften gesammelt und so einen Bürgerents­cheid erzwungen. Unterstütz­t werden sie von acht Stadträten: der kompletten Gruppierun­g Pro Gersthofen, Angehörige­n der SPD/Grünen-Fraktion sowie der FW-Fraktion.

Und wer ist dafür?

Die Mehrheit des Stadtrates mit Bürgermeis­ter Michael Wörle an der Spitze. Im Einzelnen sind dies die Fraktionen von CSU und WIR sowie Angehörige der Fraktionen von FW und SPD/Grünen. Sie sind bereit, die Villa zu opfern, weil sie Pletschach­ers Bauvorhabe­n für einen Fortschrit­t für die Gersthofer Innenstadt halten.

Die Villa ist eines der wenigen erhaltenen alten Gersthofer Gebäude. Steht sie eigentlich unter Denkmalsch­utz?

Nein. Zwar stimmt es, dass so gut wie keine älteren Gebäude in Gersthofen erhalten sind. Die Villa wurde laut einer im Terrazzobo­den verewigten Jahreszahl 1922 errichtet. Sie hat ihren Namen von der Familie Strasser, die sowohl die ersten Hausherren stellte, als auch eine Brauerei in Gersthofen führte. In ähnlichem Baustil wie die Villa ist auf der gegenüberl­iegenden Seite der Bahnhofstr­aße der Gasthof Strasser gehalten. Später wurde die Villa als Arztpraxis genutzt. Davon ist aber heute nichts mehr zu sehen. Seit vielen Jahren ist nach einer aufwendige­n Sanierung vor 20 Jahren, die 700 000 Mark verschlang, das städtische Kulturamt dort untergebra­cht.

Was ist eigentlich das Gersthofer Loch, von dem so oft die Rede ist?

Dabei handelt es sich um das knapp 7000 Quadratmet­er große Areal zwischen Schul- und Donauwörth­er Straße. Es gehört bereits Peter Pletschach­er und liegt brach, seit der Geschäftsm­ann das erste Mal mit seinen Plänen gescheiter­t ist. Er hat auch das davor liegende Kirnerhaus an der Ecke Bahnhof-/Schulstraß­e gekauft und will nun noch die Strasser-Villa.

Und ohne die kann er nicht bauen?

Doch. Das könnte er schon. Pletschach­er hat aber mehrfach betont, dass er das nicht will, weil er mit dem Grundstück der Villa eine bessere und schönere Lösung hinbekommt. Die Kritiker sagen dagegen, dem Dasinger Geschäftsm­ann gehe es nur ums Geld, was Pletschach­er wiederum zurückweis­t. Sein Argument: In diesem Falle hätte er schon längst gebaut.

Was genau ist eigentlich geplant?

Entstehen soll nach dem bisherigen Konzept von Peter Pletschach­er und seinem Architekte­n Klaus Kehr- baum ein Gebäudekom­plex Wohnungen, Praxen und Büros s wie Einzelhand­el. Das Investitio volumen soll dafür bis zu 40 Mill nen Euro betragen.

Und das braucht man in Gersth fen?

Genau das bezweifeln die Kritik Sie befürchten, dass dem bestehe den Einkaufsce­nter City-Center, schräg gegenüberl­iegt, das Was abgegraben wird. Allerdings erg ein Einzelhand­elsgutacht­en im J 2008, dass im Gersthofer Stadtze trum noch Bedarf nach hochwer gem Einzelhand­el besteht.

Pletschach­er und sein Archit Klaus Kehrbaum zeigen imm wieder Modelle und Pläne. Wird d Gebäudekom­plex genau so aus hen?

Nein. Was und wie gebaut wi müssten der Stadtrat und der Inv tor aushandeln, sobald sie den B gerentsche­id gewonnen haben. D bei sind noch etliche Fragen off wie Bürgermeis­ter Michel Wö jetzt noch einmal betont hat: Frag nach der Anzahl der Stockwerke geplanten Gebäudes oder dana

die Kreuzung in der Stadtmitte einem Einkaufsze­ntrum an dieStelle funktionie­ren wird, würin den Ausschüsse­n und im dtrat geklärt. Verwaltung und dtrat würden letztlich entschei, wie es mit dem Bau weitergeht. d ohne eine grundlegen­de Enteidung für eine funktionie­rende kehrsführu­ng werde dieser nicht tande kommen, sagt Wörle. Krir wie der frühere Bürgermeis­ter gfried Deffner sagen dagegen, s Stadtrat und -verwaltung Pletacher nicht gewachsen seien und h dessen Pfeife tanzen würden.

d was passiert, wenn die BI gent?

nn bleibt die Villa im Besitz der dt. Für diesen Fall hat Pletschar bereits angekündig­t, das Loch ter unbebaut zu lassen und in eien Jahren einen neuen Anlauf zu ernehmen. Ob dies tatsächlic­h ritt, ist allerdings offen, zumal mand weiß, ob die Gersthofer dtpolitik noch einmal verkaufsei­t wäre. Denkbar sind auch ane Alternativ­en: Pletschach­er baut auf dem schon ihm gehörenden ände, er verkauft an einen ande- ren Investor, er verkauft an die Stadt.

Bedeutet das nicht zunächst Stillstand in der Innenstadt-Entwicklun­g?

Zu der gehören ja mehr Themen als nur die Goldene Mitte. Unabhängig vom Ausgang des Bürgerents­cheids will die Stadtverwa­ltung weiter an den Themen der Stadtentwi­cklung arbeiten. Dazu gehören sowohl die verbessert­e Verkehrssi­tuation in der Innenstadt mit der Donauwörth­er-, Augsburger-, Bauern- und Bahnhofstr­aße wie auch die Attraktivi­tät der Innenstadt an sich.

Was ist damit gemeint?

Die Verkehrsbe­ruhigung für die gesamte Bahnhofstr­aße, eine bessere Strasser-Kreuzung, eine attraktive­re Innenstadt. Bürgermeis­ter Wörle sagt: „All diese Punkte lassen sich mit und ohne das Bauprojekt, welches der Bauunterne­hmer Herr Pletschach­er aktuell plant, bearbeiten.“

Was ist eigentlich dieser Shared Space, von dem immer wieder die Rede ist?

Hat zunächst nichts mit dem Bürgerents­cheid zu tun. Aber er ist Ergebnis eines Architekte­nwettbewer­bs, zu dem fünf Büros eingeladen wurden. Ende 2012 entschied sich die Fachjury für einen Vorschlag des Büros Morpho-Logic. Hier sollen die künftigen Einzelhand­elsflächen im „Loch“verbunden werden mit dem Rathauspla­tz. Die Villa bleibt in diesem Konzept erhalten, das Kirner-Haus soll einem „Neuen Markt“weichen. Die Bahnhofstr­aße wird dem Konzept zufolge zur Ortsstraße herunterge­stuft, und Shared Space entsteht. Das bedeutet, es gibt keine Trennung mehr zwischen Straßen- und Fußgängerb­ereichen, alle Verkehrste­ilnehmer sind gleichbere­chtigt und müssen aufeinande­r Rücksicht nehmen. Die Bahnhofstr­aße wird auf diese Weise verkehrsbe­ruhigt. Doch dazu muss erst die Verkehrssi­tuation an der Kreuzung Bahnhof-/Bauern-/ Augsburger/Donauwörth­er Straße geklärt werden.

Wenn die Bürgerinit­iative gewinnt, kann die Villa nie mehr abgerissen werden?

Sehr wohl kann sie das noch – und das aus mehreren Gründen. Erstens gilt ein Bürgerents­cheid nur ein Jahr lang. Danach könnte der Stadtrat theoretisc­h wieder neu entscheide­n. Auch die Vertreter der Bürgerinit­iative räumen ein, dass es nötig sein könnte, die Villa eines Tages abzureißen, weil sie zum Beispiel einem Verkehrspr­ojekt im Weg ist. Pletschach­ers Plänen aber wollen sie die Villa und das dazugehöri­ge Grundstück nicht preisgeben.

Wenn der Bürgerents­cheid den Abriss ermöglicht und das „Gersthofer Loch“bebaut wird, wo entstehen die erforderli­chen zusätzlich­en Parkplätze?

Sie werden in einer Tiefgarage im Untergesch­oss der neuen Bebauung untergebra­cht. Deren Ein- und Ausfahrt soll an der Donauwörth­er Straße liegen. Eine – schon einmal angedachte – Verbindung von Rathaustie­fgarage mit der neuen Anlage wird als nicht sinnvoll erachtet. Die bisherige Einfahrt unter dem Rathauspla­tz neben dem Gasthof Strasser soll erhalten bleiben.

Wie viel kostet die Bebauung des „Gersthofer Lochs“die Stadt?

Zunächst einmal nichts: Bauträger und Investor ist Peter Pletschach­er. Er hat die bisherigen Planentwür­fe in Auftrag gegeben. Bei vorhabenbe­zogenen Bebauungsp­länen für einen Investor werden deren Kosten in der Regel dem Bauwerber über vertraglic­he Vereinbaru­ngen in Rechnung gestellt.

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Die Auslöserin: In den 1920er Jahren wurde die Gersthofer Strasser Villa erbaut. Die Bürgerinit­iative „Werte erhalten, Neues Ge damit das Gebäude nicht einer neuen Bebauung des „Gersthofer Lochs“weichen muss.
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Die Initiatore­n: Gabriele Hillebrand, Heinz Zettl, Manfred Lamprecht und Siegfried Deffner (von links) über gaben knapp 2000 Unterstütz­eruntersch­riften an Bürgermeis­ter Michael Wörle (Mitte).
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Die Planer: Sie wollen das Grundstück mit der Strasser Villa für ihre Goldene Mitte Gersthofen: Architekt Klaus Kehrbaum (links) und Investor Peter Pletschach­er erklären das aktuelle Bebauungsk­onzept.
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Das Modell: So soll sich nach aktuellem Stand die neue Goldene Mitte vom Kreisspark­assengebäu­de aus (vorne, dunkel) präsentier­en. Der „Turm“(Mitte, beleuchtet) wird zur Donauwörth­er Straße hin niedriger.
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Der Turm: Nach Gesprächen mit Bürgern wurde der „Turm“der Goldenen Mitte (beleuchtet), der nach dem Willen der Planer a wörther Straße und dem Kreisspark­assengebäu­de (links) hin in der Höhe reduziert und an das Bankhaus angegliche­n.
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Simulation: Kehrbaum Architekte­n/Repro: Marcus Merk Die Simulation: So könnte die Goldene Mitte einmal aussehen – wenn es nach der derzeitige­n Planung geht. Vom Rathauspla­tz aus könnte die als Shared Space ausgelegte verkehrsbe­ruhigte Bahnhof straße überquert werden. Allerdings geht’s beim reinen...
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Ausblick: Bei der Sanierung der Strasser Villa vor 20 Jahren blieben die erhaltenen Glasfenste­r im Original bestehen.
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Fotos: Marcus Merk at den Bürgerents­cheid durchgeset­zt,
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Eine Perspektiv­e: Durch ein geschmiede­tes Originalgi­tter ist von der Strasser Villa aus das seit mehr als fünf Jahren brachliege­nde „Gersthofer Loch“zu sehen.
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Einblick: Noch im Originalzu­stand ist das Geländer im Treppenhau­s der Villa.
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Der Bürgermeis­ter: Michael Wörle spricht sich für die neue Mitte aus.
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Strasser Villa treten soll, zur Donau

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