Augsburger Allgemeine (Land West)
Der rote Professor
Porträt Der Armutsforscher Butterwegge will bei der Bundespräsidentenwahl ein Zeichen setzen
Berlin Schon 2012 hatte die Linkspartei den Armutsforscher Christoph Butterwegge gebeten, als Kandidat gegen Joachim Gauck für das Bundespräsidentenamt anzutreten. Damals gab der Kölner den Linken einen Korb, als die Partei plötzlich noch zwei weitere Namen – der Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld und der Journalistin Luc Jochimsen – ins Spiel brachte. „Ich wollte nicht gegen zwei honorige Frauen kandidieren“, erinnert sich der heute 66-jährige Politikwissenschaftler. Bei der Bundesversammlung am kommenden Sonntag tritt Butterwegge nun an als Gegenkandidat zum SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier.
Butterwegges Kandidatur ist völlig chancenlos, aber ein doppeltes politisches Zeichen. Zum einen kandidiere er, um gegen die „soziale Spaltung“im Land einzutreten. Zum anderen ist der Kölner Professor schon seit jeher ein erklärter Gegner der Agenda 2010. Steinmeier dagegen gilt bis heute als einer der wichtigsten Architekten der Hartz-IV-Reformen – er war damals Gerhard Schröders engster Vertrauter und sein Kanzleramtschef.
Butterwegge war selbst über 20 Jahre SPD-Mitglied. Doch 2005 trat er aus Protest gegen Schröders Agenda aus der Partei aus, weil die Reformen nach seiner Ansicht eine Spaltung in Arm und Reich verschärften. Seitdem ist er parteilos; seine Frau Carolin (42), mit der der 66-Jährige einen einjährigen Sohn und eine acht Jahre alte Tochter hat, gehört zum linken Flügel der Linkspartei und kandiert für den nordrhein-westfälischen Landtag. Als Armutsforscher verfasste Butterwegge zahlreiche Bücher, darunter „Hartz IV und die Folgen“oder „Armut in einem reichen Land“. Seine Schwerpunkte sind die Felder Kinder- und Altersarmut, deren gesundheitlichen Folgen sowie das immer stärkere Auseinanderdriften von Mittellosen und Reichen. Von Butterwegge stammt der Begriff „Paternoster-Effekt“, der meint: „Die einen fahren noch oben, die anderen nach unten.“Seit vergangenem Jahr ist der Kölner Professor zwar offiziell im Ruhestand. Aber er ist sich bewusst, dass er mit seiner Kandidatur einiges aufs Spiel setzt: „Das Risiko ist groß, dass ich nach der Wahl des Bundespräsidenten nur noch als unterlegener Kandidat gesehen werde und als Wissenschaftler weniger ernst genommen werde.“Doch das ist ihm der Einsatz für sein Zeichen wert.