Augsburger Allgemeine (Land West)
Probeunterricht am Gymnasium – wie funktioniert das?
Viertklässler und ihre Eltern müssen sich bald entscheiden, welche Schule die richtige ist
Das Übertrittszeugnis bekommen Grundschüler der vierten Klassen in Bayern erst Anfang Mai. Doch bereits jetzt beginnt für Eltern und Kinder die heiße Phase auf der Suche nach einer geeigneten weiterführenden Schule. Denn in der letzten Januarwoche bekamen die Schüler eine Zwischeninformation über ihre Leistungen in allen Fächern – diese Mitteilung ersetzt in der vierten Klasse das Zwischenzeugnis. In den Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien finden derzeit Infotage für Eltern und Kinder statt.
Julia Graf, Sprecherin des Kultusministeriums, teilte mit, dass im Moment gut 40 Prozent der Grundschüler in Bayern nach der vierten Klasse ans Gymnasium wechseln. Im aktuellen Schuljahr waren das gut 40 500 Kinder. Das Gymnasium ist damit zur beliebtesten Schulform in Bayern geworden. Ein kleiner Teil der Schüler schafft den Wechsel dorthin, obwohl die Übertrittsempfehlung zu einer anderen Schulform rät. Das funktioniert über den Probeunterricht, der an drei Tagen im Mai in den Fächern Deutsch und Mathematik an ausgewählten Schulen in Bayern stattfindet.
Graf erklärt, dass diesen Unterricht zu einem großen Teil Kinder besuchen, die eine nicht staatliche oder nicht staatlich anerkannte Grundschule besuchten und deshalb keine Übertrittsempfehlung erhalten haben.
200 Viertklässler stellten sich im vergangenen Schuljahr dieser Herausforderung in Schwaben, 110 von ihnen erfolgreich. Konkret bedeutet das, dass sie in den beiden unterrichteten Fächern Deutsch und Mathematik mindestens eine Note Drei und eine Vier erreicht haben. „Eltern können ihre Kinder auch auf die gewünschte Schule schicken, wenn der Probeunterricht zweimal das Ergebnis Note Vier bringt“, sagt die Sprecherin des Kultusministeriums. Die Verantwortung der Eltern sei im Jahr 2010 erweitert worden. Das Ergebnis des bayernweit einheitlichen Probeunterrichts ersetzt für die teilnehmenden Kinder die Übertrittsempfehlung der Grundschule – so ist es möglich, dass Viertklässler mit einer Empfehlung für die Mittel- oder Realschule doch noch auf das Gymnasium wechseln können.
Der Leiter des Schulwerks der Diözese Augsburg, Peter Kosak, erklärt, dass weiterführende Privatschulen wie die des Schulwerks keinen eigenen Probeunterricht anbieten. „Wenn ein Kind auf eine unserer Schulen gehen möchte, den passenden Schnitt aber nicht hat und deshalb den Probeunterricht besuchen möchte, leiten wir das Kind an eine der staatlichen Schulen weiter, die den Unterricht anbietet“, erklärt er. Einen Trend, wie häufig dieses Angebot genutzt wird, kann er nicht erkennen. „Das ist von Jahr zu Jahr sehr verschieden.“
Kosak war bis vor gut einem Jahr Rektor des Maria-Ward-Gymnasiums in Augsburg und hat sich deshalb auch aus pädagogischer Sicht mit dem Probeunterricht beschäftigt. In gut begründeten Fällen hält er ihn durchaus für eine sinnvolle Möglichkeit – beispielsweise dann, wenn ein Kind längere Zeit krank war oder es einen Trauerfall in der Familie gab. Allerdings sei der Unterricht eine massive Herausforderung für die Kinder, der den Viertklässlern viel abverlangt – Kosak bezeichnet ihn als eine Art „Grundschulabitur“. Das Wohl der Kinder solle deshalb immer im Vordergrund stehen, sagt er.