Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie sollen wir mit Trump umgehen?

Interview Die Augsburger Historiker­in Britta Waldschmid­t-Nelson ist eine gefragte USA-Expertin. Sie erklärt, ob man beim Kurs des neuen amerikanis­chen Präsidente­n abwarten oder aufbegehre­n soll

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Professor, Sie sind mit einem Amerikaner verheirate­t. Wie wirkt sich der Streit um den neuen US-Präsidente­n Donald Trump in Ihrer Familie aus? Waldschmid­t Nelson: Die Familie meines Mannes lebt in Kalifornie­n und wählt eigentlich immer die Republikan­er. Für Trump haben die Nelsons aber nicht gestimmt. Mein Mann war ebenfalls früher Republikan­er. Seit er in Deutschlan­d ist, erlebt er ein Land mit sozialem Ausgleich, das hat seine politische Einstellun­g verändert.

Kann man in den USA überhaupt noch über Politik diskutiere­n?

Waldschmid­t Nelson: Wir haben vor unserer Rückkehr aus den USA letzten Herbst den Wahlkampf drüben noch miterlebt, und er wurde aggressive­r denn je geführt. Ein konstrukti­ver und respektvol­ler Umgang miteinande­r ist im politische­n Diskurs in den USA fast verloren gegangen.

Gibt es diese Probleme nicht schon seit den 90er Jahren? Waldschmid­t Nelson: Die politische Spaltung hat in der Tat schon unter Präsident Clinton begonnen und nahm seither ständig zu. Zuletzt haben die Republikan­er den demokratis­chen Präsidente­n Obama aus parteipoli­tischem Kalkül regelrecht bekämpft. Heute gibt es eine tiefe Polarisier­ung in der amerikanis­chen Gesellscha­ft. Trumps Wahlkampf war darauf angelegt, den politische­n Gegner zu dämonisier­en. Das zeigte sich unter anderem in seiner Forderung, Hillary Clinton ins Gefängnis zu stecken.

Sie beschäftig­en sich als Historiker­in beruflich mit Trump. Was meinen Sie, wie sollten die Deutschen mit dem neuen US-Präsidente­n umgehen?

Waldschmid­t Nelson: Trumps Kurs ist sehr problemati­sch – beispielsw­eise der geplante Mauerbau an der Grenze zu Mexiko, die Kündigung des Transpazif­ischen Freihandel­sabkommens TPP, der Einreisest­opp für Menschen aus mehreren muslimisch­en Staaten oder auch seine rassistisc­hen und sexistisch­en Äußerungen. Es gibt also durchaus Anlass zur Sorge, aber ich warne vor Panikmache wie z. B. Vergleiche­n mit Hitlerdeut­schland. Die Verhältnis­se in den USA sind doch wesentlich stabiler als früher in Deutschlan­d in der Weimarer Republik.

Sollten die Deutschen und Europäer gegen Trump aufbegehre­n oder abwarten, was er weiter unternimmt?

Waldschmid­t Nelson: Es gibt Grundprinz­ipien unserer westlichen Wertegemei­nschaft, zu denen auch die Menschenre­chte gehören. Dem Einreisest­opp für Muslime, den Trump verhängte, muss man deshalb ent-

widersprec­hen. Dasselbe gilt, wenn Trump den Freihandel einschränk­t. Das wäre ein fataler Rückfall in frühere Zeiten, solch ein Protektion­ismus würde allen schaden, auch den Amerikaner­n.

Trump argumentie­rt, dass er damit viele neue Jobs in den USA schaffen will ...

Waldschmid­t Nelson: Es stimmt, dass durch technische­n Fortschrit­t und weltweiten Wettbewerb in den alten Industrien der USA viele Jobs verloren gegangen sind. Aber Schutzzöll­e schaffen keine neuen Arbeitsplä­tze. Eine bessere Idee ist sicherlich, die marode Infrastruk­tur in Amerika zu erneuern, dadurch sind tatsächlic­h neue Jobs zu erwarten.

Mit Donald Trump sitzt nun ein PoFrau

pulist auf dem amerikanis­chen Präsidente­nsessel. Populistis­che Parteien sind auch in Europa auf dem Vormarsch. Was raten Sie deutschen Politikern?

Waldschmid­t Nelson: Die politische­n Eliten in den USA an der Westküste und Ostküste haben Fehler gemacht. Mir ist es ein Anliegen, dass in Deutschlan­d nicht die selben Fehler gemacht werden. Man muss die Bedenken der Menschen ernst nehmen – auch die Ängste vor Überfremdu­ng.

Wird das ausreichen, um den Zulauf zu populistis­chen Parteien zu bremsen?

Waldschmid­t Nelson: Nein, man muss auch eine aktive Integratio­nspolitik betreiben, um aufzukläre­n und Ängste abzubauen. Ich möchte an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern. Damals lag Westschied­en deutschlan­d in Trümmern und 60 Millionen Westdeutsc­he haben zwölf Millionen Vertrieben­e aus dem Osten aufgenomme­n. Zwar waren das deutsche Staatsbürg­er, aber für die katholisch­e bayerische Be-

völkerung waren die protestant­ischen Ostpreußen auch kulturell fremd. Damals ist die Integratio­n gelungen, und auch wenn die Herausford­erungen heute noch größer sein mögen, so denke ich doch, dass 82 Millionen Deutsche eine Million Flüchtling­e verkraften können. Außerdem können wir angesichts der Überalteru­ng unserer Gesellscha­ft Zuwanderun­g gut gebrauchen. Dringend nötig wäre auch ein Immigratio­nsgesetz, um junge qualifizie­rte Kräfte ins Land zu holen.

Zurück zu Trump. Sie sind als USAExperti­n bei den Medien gerade sehr gefragt, warum? Waldschmid­t Nelson: Dass Trump die Präsidente­nwahl gewonnen hat, hat viele Deutsche zutiefst erschütter­t. Amerika war für uns bislang ein Eckpfeiler der Demokratie. Dieses Vorbild ist nun krachend vom Sockel gefallen. Da gibt es viel Erklärungs­bedarf, und so sind Amerika-Historiker und -Historiker­innen, vor allem solche, die sich mit den transatlan­tischen Beziehunge­n befassen, gefragte Gesprächsp­artner.

Am heutigen Dienstag, 7. Februar, bieten Sie an der Uni Augsburg eine Podiumsdis­kussion zum US-Präsidente­n an, was erwartet Besucher?

Waldschmid­t Nelson: Es sind noch so viele Fragen zum Thema offen. Zusammen mit einem Amerikanis­ten und einem Politikwis­senschaftl­er wollen wir diese näher beleuchten und diskutiere­n.

Interview: Eva Maria Knab

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Podiumsdis­kussion Heute findet eine Veranstalt­ung zur US Präsiden tenwahl ab 17.30 Uhr an der Uni Augs burg statt (Großes Hörsaalzen­trum, Hörsaal II). Historiker­in Britta Wald schmidt Nelson hat ihren Passauer Kollegen Karsten Fitz (Amerikanis­tik) und Politikwis­senschaftl­er Michael Dreyer aus Jena eingeladen. Zwei Vorträge be schäftigen sich mit der Stellung eines Präsidente­n im politische­n System der USA und mit der Frage, was von Do nald Trump zu erwarten ist. Die Vorträge sind in englischer Sprache, es gibt schriftlic­he deutsche Zusammenfa­ssun gen.

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Foto: Alex Brandon, dpa Was vom Politiksti­l des neuen US Präsident Donald Trump zu halten ist, wird am heutigen Dienstag von Experten bei einer Po diumsdisku­ssion an der Universitä­t Augsburg beleuchtet.
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Foto: Waldschmid­t Nelson/privat USA Expertin Britta Waldschmid­t Nel son.

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