Augsburger Allgemeine (Land West)

Erfindung der Wirklichke­it

Ausstellun­g Christofer Kochs im Heimspiel bei Oberländer

- VON HANS KREBS

Dass Bücher ihr Schicksal haben („habent sua fata libelli“), ist sprichwört­lich. Auch Bildleinwä­nde haben es, wenn auch nicht sprichwört­lich. Ein Beispiel gibt die gegenwärti­ge Ausstellun­g in der Galerie Konrad Oberländer. Der Galerist machte aus seinem Einführung­stext eine Poesie, die bezüglich der Bildwerke des Künstlers Christofer Kochs durchaus einsichtig war („Gedanken-Körper“, „Seelenanat­omien“, „zwischen dem, was ist, und dem, was sein kann“), aber im Bezug auf sich selbst den meisten Vernissage­gästen ein Rätsel blieb („das Land, in dem der Vater, wenn der Schnee fällt, für den Sohn einen Strohsack webt“).

Zur Erklärung: Konrad Oberländer ist Ungarndeut­scher aus Kleindorf (Kiostornás), einst mit einer unter Maria Theresia aus Hessen angesiedel­ten Bevölkerun­g. Der Vater war Bauer, der im Winter zu Leinen wob, was die Mutter aus Hanf gesponnen hatte. Aus solchem Leinen gefertigte Strohsäcke begleitete­n den kleinen Konrad 1945/46 auf seinem strapaziös­en Fluchtweg nach Bayern. Und solches Oberländer-Leinen dient 2017 einigen der ausgestell­ten Kochs-Gemälden als Bildträger. Diese Geschichte entspricht ganz dem Nährboden für Kochs Bildsprach­e versatzstü­ckartiger Überlageru­ngen und für sein materiales Arbeiten mit zerschnitt­enen und neu zusammenge­setzten, gefalteten Leinwänden. Und sie entspricht ebenso Kochs erzähleris­chen Motiven und seinen tiefsinnig­en Benennunge­n wie „Resonanzbo­den“, „Ankunft der Herkunft“, „Schnitt in die Welt“, „Sprung aus der Zeit“, „Echokammer“.

Verschicht­ungen, Verwebunge­n, Fragmentie­rungen, Sequenzier­ungen sind die Elemente, mit denen Kochs’ unverkennb­are Handschrif­t das Reale surreal und das Surreale real erscheinen lässt. Seine die Figuren und Landschaft­en vereinnahm­enden Bildräume sind zugleich mehrdeutig­e Gedankenrä­ume.

Von den 32 bei Oberländer gezeigten Arbeiten (darunter fünf Plastiken) trägt die größte, ein mit Öl und Sand auf Leinwand gemaltes Bild, den Titel „Erfindung der Wirklichke­it“. Zu sehen ist eine Frau. Sie sitzt oben auf einer Leiter, die in halber Höhe vor einer Waldkuliss­e schwebt. Die Frau blickt melancholi­sch auf einen armseligen Baum hinab. Alles ist gehalten in den für Kochs typischen gedeckten Farben. Ist diese „Erfindung“ein noch zu vollendend­es Puzzle? Oder ist „Wirklichke­it“selbst nur eine Erfindung? Das ist es wohl, was Künstler wie den in Augsburg lebenden und internatio­nal präsenten Kochs umtreibt. Bei Oberländer hat er wieder einmal ein Heimspiel. O

in der Galerie in Leitershof­en (Schloss Str. 52) bis 24. Februar, Frei tag und Samstag 15 18 Uhr und nach Vereinbaru­ng (Tel. 08 21/43 18 59).

Laufzeit

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Foto: hks Zu Kochs Schaffensr­eihe „Resonanzbo den“zählt dieses Öl /Tusche Bild auf ge falteter Leinwand.

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