Augsburger Allgemeine (Land West)
Waldkircher Wahnsinnsparty
Schießen Das Luftpistole-Team aus dem Nachbarlandkreis besteht in einem Feld voller Asse. Die Reisegruppe aus Schwaben holt dank euphorischer Unterstützung den Fan-Titel
Aus Waldkircher Sicht war es die vielleicht ausdrucksstärkste Szene bei diesen großartigen Titelkämpfen: Als erster Schütze seines Luftpistole-Teams hatte Alexander Kindig den Wettkampf um Platz drei beendet, sein Duell gegen den Braunschweiger Andreas Heise gewonnen. Momente später saß er neben seiner Freundin Anna Feldengut inmitten der Fans aus Schwaben, eine Ratsche in der Hand, und feuerte die noch aktiven Mannschaftskameraden lauthals an. Es war ein klares Signal der Verbundenheit beim Dorfverein, der nur wenige Kilometer außerhalb des Landkreises Augsburg zu Hause ist. Und für Kindig eine Selbstverständlichkeit. „Rumsitzen bringt ja nichts, ich muss die Mannschaft unterstützen“, sagte er, während er mit einem Auge nervös auf die Anzeigeleinwand blickte.
Die verhieß nichts Gutes. Die Asse der Braunschweiger SG waren an diesem Sonntagvormittag einfach einen Tick ausgeschlafener, womöglich hatten sie auch nur mehr Glück. 2:3 endete der Wettkampf um die Bronzemedaille bei diesen deutschen Mannschaftsmeisterschaften in Paderborn. Für den Titelverteidiger gab’s diesmal Blech. Es wäre angesichts der Weltklasseleistungen in diesen Wettkämpfen freilich vermessen, von einer Enttäuschung zu sprechen. Klar hätten die Waldkircher ihren 2016 gewonnen Titel allzu gerne verteidigt und natürlich verliert kein Sportler gern. Aber das gebotene Niveau war derart hoch, die Leistungsdichte derart unglaublich, dass hier wirklich jeder jeden schlagen konnte.
Und so bejubelten die mehr als 30 mitgereisten Edelweiß-Fans auch den vierten Platz ausgelassen. Sie bildeten die mit Abstand präsenteste und stimmgewaltigste Gruppe unter den übers Wochenende gezählten 1800 Besuchern. Woher diese Begeisterung kommt? Eine mögliche Antwort lieferte eine Handvoll junger Anhänger, die in der Nacht zum Sonntag in einer Paderborner Kneipe fachsimpelten. Das Gespräch drehte sich um die Faszination Schießsport und speziell um die Frage, wie sich das auffallend enge Verhältnis zwischen Anhängern und Mannschaft des Vereins erklären lasse. Worte wie Kameradschaft oder Sportbegeisterung fielen, vieles, was andernorts schon x-fach formuliert wurde. Bis einer der Burschen mit Glanz in den Augen sagte: „Wir sind so ein kleines Dorf und schießen auf Weltklasseniveau. Das ist doch der Wahnsinn.“
Und so feierten die Schwaben dann auch eine Wahnsinnsparty. Hätte es eine Goldmedaille für die beste Fangruppe gegeben, die Waldkircher hätten sie spielend gewonnen. Ausgestattet mit allerlei oft selbst gebastelten Krachmachern, dazu enorm stimmgewaltig. So sangen sie zum Beispiel unverdrossen weiter, nachdem im Halbfinale gegen Kriftel der entscheidende Stechschuss von Matthias Holderried haarscharf daneben gegangen war. Und das, obwohl Edelfan Josef Baur kurz vor dem Wettkampf noch seine rote Jacke präsentiert und versichert hatte: „Mit der haben wir noch nie verloren.“Seine nähere Umgebung nahm’s ihm nicht krumm, dass die Glücksjacke ihre Zauberkraft im denkbar schlechtesten Augenblick verloren hatte. „Ohne Waldkirch wär’ hier gar nichts los“, schmetterten die Schwaben in Richtung des gut überschaubaren Anhangs der Kontrahenten. Manager Peter Weigelt sagte angesichts dieser Szenen gerührt: „Fanmäßig haben wir den Titel gewonnen.“
Dass es für das Team diesmal nicht ganz reichte, war kein Ausdruck Waldkircher Schwäche. Als es vorbei war, merkte Kindig zu Recht an: „Die Mannschaft hat alles gegeben. Hier sind nur die Besten in der Halle und da entscheidet halt auch manchmal das Quäntchen Glück oder Pech.“
Die Ergebnisse der EdelweißSchützen unterstreichen das. Alle drei Duelle endeten mit umwerfenden Ringzahlen 3:2. Zwei Mal ging’s am dramatischen, nervenaufreibenden Samstag ins Stechen. Das Viertelfinale gewann Waldkirch dank der Nervenstärke von Stimmungskanone Michael Spindler, im Halbfinale funktionierte es nicht – eine Millimeterangelegenheit, wie so häufig an diesem überragenden und unbedingt erlebenswerten Wochenende. Und Waldkirchs Manager Peter Weigelt merkte auch sofort an: „Ein Einzug ins Finale wäre zu viel des Glücks gewesen – wobei wir es natürlich gerne genommen hätten.“
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