Augsburger Allgemeine (Land West)
Wahrheit und Vorurteil
Ja, wir leben in unsicheren Zeiten. Aggressionspotenzial und Gewaltbereitschaft nehmen offensichtlich auch im Umfeld des Sports zu. Die aktuellen Gewaltexzesse in Dortmund sind beim Fußball (noch?) hässliche Ausnahmen; in Aufrufen zu Mord und Selbstmord gipfelnde Verbalfouls leider schon trauriger Alltag in den Stadien. Kein Mensch würde freilich auf die Idee kommen, Fußball oder Fußballvereine deshalb zu verbieten.
Für den Schießsport gelten andere Regeln. Wann immer ein Kapitalverbrechen mit einer Schusswaffe ausgeführt wird, geht reflexartig der Ruf nach Waffenverboten durch die Gesellschaft, der auch Sportvereine beziehungsweise das komplette Schützenwesen einschließt. Es fällt ja auch leicht, die oft aus Schützenkreisen selbst transportierte lederhosene Trachtenseligkeit zu verspotten und mit daraus auf Waffenverherrlichung zu schließen. Ebenso leicht ist es, zu Saufgelagen mutierende Schützenfeste als Anlass zu nehmen, den Sportlern Waffenrausch zu unterstellen.
Alles Blödsinn. Die deutschen Meisterschaften in Paderborn haben gezeigt, was Schießsport ist und was er zu leisten vermag. Hoch spannender Präzisionssport auf Weltklasseniveau, Hexenkesselatmosphäre in der Halle. Als Garnitur verhielten sich Aktive, Gastgeber und Fans fast schon unglaublich fair gegenüber den sportlichen Kontrahenten, die vielmehr als Mitglieder der Schützenfamilie begrüßt wurden.
Ein Wochenende, zwei Sportarten. Die Erfahrungen aus Dortmund und Paderborn sollten uns wieder einmal anstupsen, keine vorschnellen Urteile über Ereignisse und Themen zu fällen, die wir oft genug nur glauben zu kennen.