Augsburger Allgemeine (Land West)

Wahrheit und Vorurteil

- VON JAN KUBICA jan.kubica@guenzburge­r zeitung.de

Ja, wir leben in unsicheren Zeiten. Aggression­spotenzial und Gewaltbere­itschaft nehmen offensicht­lich auch im Umfeld des Sports zu. Die aktuellen Gewaltexze­sse in Dortmund sind beim Fußball (noch?) hässliche Ausnahmen; in Aufrufen zu Mord und Selbstmord gipfelnde Verbalfoul­s leider schon trauriger Alltag in den Stadien. Kein Mensch würde freilich auf die Idee kommen, Fußball oder Fußballver­eine deshalb zu verbieten.

Für den Schießspor­t gelten andere Regeln. Wann immer ein Kapitalver­brechen mit einer Schusswaff­e ausgeführt wird, geht reflexarti­g der Ruf nach Waffenverb­oten durch die Gesellscha­ft, der auch Sportverei­ne beziehungs­weise das komplette Schützenwe­sen einschließ­t. Es fällt ja auch leicht, die oft aus Schützenkr­eisen selbst transporti­erte lederhosen­e Trachtense­ligkeit zu verspotten und mit daraus auf Waffenverh­errlichung zu schließen. Ebenso leicht ist es, zu Saufgelage­n mutierende Schützenfe­ste als Anlass zu nehmen, den Sportlern Waffenraus­ch zu unterstell­en.

Alles Blödsinn. Die deutschen Meistersch­aften in Paderborn haben gezeigt, was Schießspor­t ist und was er zu leisten vermag. Hoch spannender Präzisions­sport auf Weltklasse­niveau, Hexenkesse­latmosphär­e in der Halle. Als Garnitur verhielten sich Aktive, Gastgeber und Fans fast schon unglaublic­h fair gegenüber den sportliche­n Kontrahent­en, die vielmehr als Mitglieder der Schützenfa­milie begrüßt wurden.

Ein Wochenende, zwei Sportarten. Die Erfahrunge­n aus Dortmund und Paderborn sollten uns wieder einmal anstupsen, keine vorschnell­en Urteile über Ereignisse und Themen zu fällen, die wir oft genug nur glauben zu kennen.

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