Augsburger Allgemeine (Land West)

Hitzkopf stellt sich auf der Straße quer

Justiz Richter nach Beinahe-Unfall in Welden: Er kann es nicht dulden, dass jemand schneller ist. Jetzt ist nicht nur der Führersche­in weg

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Auf deutschen Straßen weht ein rauer Wind: Da wird aufgefahre­n, gedrängelt, beleidigt oder wild gestikulie­rt, um deutlich zu machen: Du bist im Weg. In Welden war es im Juli 2016 anders herum. In der Bahnhofstr­aße bremste ein junger Mann am Steuer eines BMW einen anderen Verkehrste­ilnehmer aus, was jetzt ein Nachspiel vor Gericht hatte.

Ab dem Ortsschild von Welden reduzierte der damals 20-Jährige seine Geschwindi­gkeit abrupt von 50 auf 35 Stundenkil­ometer – eine Provokatio­n. Sie hatte zur Folge, dass der Mann im Wagen dahinter scharf bremsen musste, um einen Auffahrunf­all zu verhindern. Als er einige hundert Meter weiter den BMW überholen wollte, brannten dem 20-Jährigen die Sicherunge­n durch: Unvermitte­lt scherte er nämlich nach links aus und blockierte die Gegenfahrb­ahn. Um ein Haar hätte es wieder gekracht.

Wohl um sich vom Schreck zu erholen, steuerte der ältere Mann die Bushaltest­elle an. Das sah der 20-Jährige im Rückspiege­l. Er legte eine Vollbremsu­ng hin, setzte zurück, stieg aus und beschimpft­e den anderen Fahrer wüst. Der zeigte den jungen Mann daraufhin an.

Ein Wiedersehe­n der beiden gab es übrigens nicht erst vor Gericht, sondern schon viel früher. Der Hitzkopf entschuldi­gte sich nämlich bei dem Mann, nachdem sein Chef Wind von dem Vorfall bekommen und festgestel­lt hatte, dass der Ausgebrems­te ein Kunde war. „Ich hab’s falsch gesehen, ich wollte nicht, dass jemandem etwas passiert“, sagte der 20-Jährige jetzt vor Er hätte einen schlechten Tag gehabt und Blödsinn gemacht. Wohl nicht zum ersten Mal: Der junge Mann hatte sich schon Anzeigen wegen Beleidigun­g und Bedrohung eingefange­n. Noch dazu gab es laut Bericht der Jugendgeri­chtshilfe immer wieder Schwierigk­eiten im Elternhaus, in der Schule und während der Ausbildung. Vor Jahren bekam der junge Mann einen Erziehungs­beistand zur Seite, bis sich die Situation wieder stabilisie­rt hatte.

Nach dem Vorfall in Welden verlor der Hitzkopf nicht nur seinen Führersche­in, sondern auch seine Arbeit. Und weil damit das Geld nicht mehr ausreichte, musste er seinen BMW verkaufen, den er sich für 30000 Euro angeschaff­t hatte. Auch seine Beziehung ging in die Brüche.

Es kam noch schlimmer: Vor Kurzem verlor der 20-Jährige seine Tante. „Sie ist vor seinen Augen gestorben. Das wegen eines rowdyhafGe­richt. ten Verkehrsve­rhaltens“, sagte Verteidige­r Ernst Lauffer. Er hielt die vom Staatsanwa­lt geforderte­n 56 Arbeitsstu­nden für gerechtfer­tigt. Außerdem würde ein Fahrverbot von drei Monaten ausreichen. Für Richter Günther Baumann war das zu wenig: Er verurteilt­e den 20-Jährigen wegen Nötigung, vorsätzlic­her Gefährdung des Straßenver­kehrs und Beleidigun­g zu 56 Stunden gemeinnütz­ige Hilfsdiens­te. Frühestens in acht Monaten darf er wieder eine Fahrerlaub­nis bekommen. Baumann mutmaßte, dass es der junge Mann nicht dulde, dass jemand anderes mit seinem Auto schneller ist.

Ein Gutachter hatte dem 20-Jährigen jugendlich­e Unreife attestiert und den Verdacht einer emotionale­n Persönlich­keitsstöru­ng geäußert. Als cholerisch bezeichnet­e ihn eine Zusmarshau­ser Polizistin, die ihn auf seine gefährlich­e Fahrweise angesproch­en hatte.

 ?? Symbolfoto: Jens Büttner, dpa ?? Der spinnt wohl: Aggression­en im Straßenver­kehr nehmen nach Expertenme­inung zu. Im vergangene­n Juli kam es in Welden zu einem Vorfall, der jetzt vor Gericht ein Nach spiel hatte. Einem jungen Mann waren die Sicherunge­n durchgebra­nnt.
Symbolfoto: Jens Büttner, dpa Der spinnt wohl: Aggression­en im Straßenver­kehr nehmen nach Expertenme­inung zu. Im vergangene­n Juli kam es in Welden zu einem Vorfall, der jetzt vor Gericht ein Nach spiel hatte. Einem jungen Mann waren die Sicherunge­n durchgebra­nnt.

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