Augsburger Allgemeine (Land West)
Hitzkopf stellt sich auf der Straße quer
Justiz Richter nach Beinahe-Unfall in Welden: Er kann es nicht dulden, dass jemand schneller ist. Jetzt ist nicht nur der Führerschein weg
Auf deutschen Straßen weht ein rauer Wind: Da wird aufgefahren, gedrängelt, beleidigt oder wild gestikuliert, um deutlich zu machen: Du bist im Weg. In Welden war es im Juli 2016 anders herum. In der Bahnhofstraße bremste ein junger Mann am Steuer eines BMW einen anderen Verkehrsteilnehmer aus, was jetzt ein Nachspiel vor Gericht hatte.
Ab dem Ortsschild von Welden reduzierte der damals 20-Jährige seine Geschwindigkeit abrupt von 50 auf 35 Stundenkilometer – eine Provokation. Sie hatte zur Folge, dass der Mann im Wagen dahinter scharf bremsen musste, um einen Auffahrunfall zu verhindern. Als er einige hundert Meter weiter den BMW überholen wollte, brannten dem 20-Jährigen die Sicherungen durch: Unvermittelt scherte er nämlich nach links aus und blockierte die Gegenfahrbahn. Um ein Haar hätte es wieder gekracht.
Wohl um sich vom Schreck zu erholen, steuerte der ältere Mann die Bushaltestelle an. Das sah der 20-Jährige im Rückspiegel. Er legte eine Vollbremsung hin, setzte zurück, stieg aus und beschimpfte den anderen Fahrer wüst. Der zeigte den jungen Mann daraufhin an.
Ein Wiedersehen der beiden gab es übrigens nicht erst vor Gericht, sondern schon viel früher. Der Hitzkopf entschuldigte sich nämlich bei dem Mann, nachdem sein Chef Wind von dem Vorfall bekommen und festgestellt hatte, dass der Ausgebremste ein Kunde war. „Ich hab’s falsch gesehen, ich wollte nicht, dass jemandem etwas passiert“, sagte der 20-Jährige jetzt vor Er hätte einen schlechten Tag gehabt und Blödsinn gemacht. Wohl nicht zum ersten Mal: Der junge Mann hatte sich schon Anzeigen wegen Beleidigung und Bedrohung eingefangen. Noch dazu gab es laut Bericht der Jugendgerichtshilfe immer wieder Schwierigkeiten im Elternhaus, in der Schule und während der Ausbildung. Vor Jahren bekam der junge Mann einen Erziehungsbeistand zur Seite, bis sich die Situation wieder stabilisiert hatte.
Nach dem Vorfall in Welden verlor der Hitzkopf nicht nur seinen Führerschein, sondern auch seine Arbeit. Und weil damit das Geld nicht mehr ausreichte, musste er seinen BMW verkaufen, den er sich für 30000 Euro angeschafft hatte. Auch seine Beziehung ging in die Brüche.
Es kam noch schlimmer: Vor Kurzem verlor der 20-Jährige seine Tante. „Sie ist vor seinen Augen gestorben. Das wegen eines rowdyhafGericht. ten Verkehrsverhaltens“, sagte Verteidiger Ernst Lauffer. Er hielt die vom Staatsanwalt geforderten 56 Arbeitsstunden für gerechtfertigt. Außerdem würde ein Fahrverbot von drei Monaten ausreichen. Für Richter Günther Baumann war das zu wenig: Er verurteilte den 20-Jährigen wegen Nötigung, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und Beleidigung zu 56 Stunden gemeinnützige Hilfsdienste. Frühestens in acht Monaten darf er wieder eine Fahrerlaubnis bekommen. Baumann mutmaßte, dass es der junge Mann nicht dulde, dass jemand anderes mit seinem Auto schneller ist.
Ein Gutachter hatte dem 20-Jährigen jugendliche Unreife attestiert und den Verdacht einer emotionalen Persönlichkeitsstörung geäußert. Als cholerisch bezeichnete ihn eine Zusmarshauser Polizistin, die ihn auf seine gefährliche Fahrweise angesprochen hatte.