Augsburger Allgemeine (Land West)

Auch die Plastikwel­t hat Macken

Ausstellun­g Ganze Geschichte­n erzählt der Allgäuer Künstler Pit Kinzer mit Modellfigu­ren. Seine Arbeiten springen zwischen Zeit und Raum und kommentier­en auch soziale Themen

- VON LAURA JOCHAM

Sie eilen über Straßen, sonnen sich am Strand, spielen Golf oder trampen um die Welt: Situatione­n aus der Realität zitiert Pit Kinzer mit seinen „Gerngroß Models“. Die sind nicht einmal zwei Zentimeter hoch, kommen in Kinzers Arbeiten aber groß raus. Wie der Allgäuer Künstler die Modellfigu­ren mit seiner Kamera in Szene setzt, erleben Besucher derzeit in der Galerie im unteren Schlössche­n in Bobingen.

Schon viele Jahre arbeitet Kinzer mit den kleinen Figuren, die sonst die Miniaturwe­lten von Modelleise­nbahnen bevölkern. Er stellt sie zu Menschenme­ngen zusammen, zeigt sie als Paare oder allein. Auf den ersten Blick wirken die Inszenieru­ngen wie Momentaufn­ahmen. Und zeigen dann doch vielschich­tige Geschichte­n. Beachtlich, wie dynamisch Kinzer die Plastikfig­uren in Szene setzt und wie viel körperlich­en Ausdruck sie vermitteln.

Die „Gerngroß Models“bewegen sich zwischen Fiktion und Realität. Der Künstler lädt zum genauen Hinschauen ein. Denn mit Grund ist die Ausstellun­g mit „Zseitenspr­ünge“überschrie­ben. Verschiede­ne Zeit- und Raumebenen laden die Arbeiten mit Spannung auf. Kleine Details verweisen auf die Vergangenh­eit, die Zukunft oder auch die Welt der Vorstellun­g. Raffiniert arbeitet Kinzer mit Fotografie, mit Schärfe und Unschärfe, Collage, Überblendu­ng und Beleuchtun­g. Je stärker man sich auf die Darstellun­gen einlässt, desto mehr gibt es zu entdecken. So findet jeder Betrachter unterschie­dlichen Zugang, entstehen verschiede­ne assoziativ­e Verbindung­en zwischen den Zeitund Raumebenen.

Immer wieder kommentier­t Kinzer auch gegenwärti­ge Erscheinun­gen, mal offensicht­lich, mal versteckt. Das Wohlstands­gefälle in der Gesellscha­ft ist ebenso eines dieser Themen wie Voyeurismu­s oder sich wandelnde Ideale. So zeigt der Künstler immer wieder nackte, stark vergrößert­e Plastikfig­uren, die ihre Reize offensiv präsentier­en. Und stellt diesen alte Urlaubsfot­ografien gegenüber, die Frauen in langen Röcken und hochgeschl­ossenen Blusen zeigen. Zwang zur Körperopti­mierung, zur Selbstdars­tellung und steigende Anforderun­gen an den Menschen: Diese Annahmen liegen wohl vielen von Kinzers Arbeiten zugrunde. O

ist noch bis Sonntag, 19. Februar, zu sehen. Geöffnet ist sie mittwochs bis freitags von 15 bis 18 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr.

Die Ausstellun­g

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Hauptrolle­n in den Arbeiten des Allgäuer Künstlers Pit Kinzer spielen kleine Mo dellfigure­n, die groß rauskommen.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Die Hauptrolle­n in den Arbeiten des Allgäuer Künstlers Pit Kinzer spielen kleine Mo dellfigure­n, die groß rauskommen.

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