Augsburger Allgemeine (Land West)
Auch die Plastikwelt hat Macken
Ausstellung Ganze Geschichten erzählt der Allgäuer Künstler Pit Kinzer mit Modellfiguren. Seine Arbeiten springen zwischen Zeit und Raum und kommentieren auch soziale Themen
Sie eilen über Straßen, sonnen sich am Strand, spielen Golf oder trampen um die Welt: Situationen aus der Realität zitiert Pit Kinzer mit seinen „Gerngroß Models“. Die sind nicht einmal zwei Zentimeter hoch, kommen in Kinzers Arbeiten aber groß raus. Wie der Allgäuer Künstler die Modellfiguren mit seiner Kamera in Szene setzt, erleben Besucher derzeit in der Galerie im unteren Schlösschen in Bobingen.
Schon viele Jahre arbeitet Kinzer mit den kleinen Figuren, die sonst die Miniaturwelten von Modelleisenbahnen bevölkern. Er stellt sie zu Menschenmengen zusammen, zeigt sie als Paare oder allein. Auf den ersten Blick wirken die Inszenierungen wie Momentaufnahmen. Und zeigen dann doch vielschichtige Geschichten. Beachtlich, wie dynamisch Kinzer die Plastikfiguren in Szene setzt und wie viel körperlichen Ausdruck sie vermitteln.
Die „Gerngroß Models“bewegen sich zwischen Fiktion und Realität. Der Künstler lädt zum genauen Hinschauen ein. Denn mit Grund ist die Ausstellung mit „Zseitensprünge“überschrieben. Verschiedene Zeit- und Raumebenen laden die Arbeiten mit Spannung auf. Kleine Details verweisen auf die Vergangenheit, die Zukunft oder auch die Welt der Vorstellung. Raffiniert arbeitet Kinzer mit Fotografie, mit Schärfe und Unschärfe, Collage, Überblendung und Beleuchtung. Je stärker man sich auf die Darstellungen einlässt, desto mehr gibt es zu entdecken. So findet jeder Betrachter unterschiedlichen Zugang, entstehen verschiedene assoziative Verbindungen zwischen den Zeitund Raumebenen.
Immer wieder kommentiert Kinzer auch gegenwärtige Erscheinungen, mal offensichtlich, mal versteckt. Das Wohlstandsgefälle in der Gesellschaft ist ebenso eines dieser Themen wie Voyeurismus oder sich wandelnde Ideale. So zeigt der Künstler immer wieder nackte, stark vergrößerte Plastikfiguren, die ihre Reize offensiv präsentieren. Und stellt diesen alte Urlaubsfotografien gegenüber, die Frauen in langen Röcken und hochgeschlossenen Blusen zeigen. Zwang zur Körperoptimierung, zur Selbstdarstellung und steigende Anforderungen an den Menschen: Diese Annahmen liegen wohl vielen von Kinzers Arbeiten zugrunde. O
ist noch bis Sonntag, 19. Februar, zu sehen. Geöffnet ist sie mittwochs bis freitags von 15 bis 18 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr.
Die Ausstellung