Augsburger Allgemeine (Land West)
Immer weniger Geschäfte in Westheim
Ortsmitte Mit der Apotheke hat der letzte Laden in der Hindenburgstraße geschlossen. Das alte Bahnhofsgebäude ist verlassen. Wie es trotzdem wieder aufwärtsgehen könnte
Neusäß Westheim
Im Zentrum von Westheim wird es immer ruhiger. An einem Freitagvormittag sind in der Hindenburgstraße am Bahnhof kaum Passanten unterwegs. Wohin auch? Es gibt ja kaum mehr Geschäfte. Wer vor dem alten, verlassenen Bahnhofsgebäude parkt und die maroden Stufen zur Hindenburgstraße hinaufsteigt, kann mittlerweile nicht mehr viele Ziele ansteuern. Handel und Gewerbe im Ortskern sterben immer mehr aus.
Der letzte Paukenschlag war vor drei Monaten die Schließung der Apotheke (wir berichteten). Aber auch in den Jahren zuvor machte in der Hindenburgstraße ein Geschäft nach dem anderen zu: der Bioladen, die Banken und eine große Hausärztepraxis. Sie ist in ein neu gebautes Ärztehaus in Stadtbergen gezogen – modern und behindertengerecht mit Aufzug.
Früher gab es im Ort mehrere Gasthäuser und Geschäfte
Ein bisschen besser sieht es an der Durchgangsstraße, der Von-Rehlingen-Straße, aus. Hier gibt es noch eine Bäckereifiliale, einen landwirtschaftlichen Hofladen und eine große Gärtnerei. „Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, aber früher gab es in Westheim sechs Gastwirtschaften, zwei Bäcker, zwei Metzger und jede Menge Handwerker“, erinnert sich der 75-jährige Friseurmeister Erwin Burghart. Er ist einer der letzten, die in der Straße ein Geschäft betreiben. Sein Friseursalon gegenüber dem Bahnhof, ein Familienbetrieb, besteht seit vielen Jahrzehnten.
Burghart wohnt über dem Salon. Es schmerzt den alteingesessenen Westheimer, wie Handel und Ge- im Ort immer mehr aussterben. Der Friseur blickt auf die andere Straßenseite zum Bahnhof und schüttelt den Kopf: „Weiß Gott, wie das noch weitergeht.“
Zumindest der Fortbestand seines eigenen Geschäfts sei gesichert: Der Sohn arbeitet im Betrieb und wird ihn weiterführen. „Wir haben eigentlich kein Problem, wir haben immer unsere Stammkundschaft“, sagt der 75-Jährige. Burgharts Vater eröffnete bereits 1931 im Nebenhaus ein Friseurgeschäft, 1956 zog der Salon ein Haus weiter, 1965 hat der Sohn dann den Laden übernommen.
Ein Bummel an der Hindenburgstraße entlang ist in wenigen Minuten erledigt: Nach dem Friseur Burghart kommen einige Wohnhäuser, dann eine Tagespflegeeinrichtung für Senioren, die von den Bankfilialen verbliebenen Geldautomaten von Kreissparkasse und VRBank, ein Nagelstudio und eine Naturheilkundeärztin in den oberen Stockwerken. Die Apotheke im Erdgeschoss ist noch komplett ein- gerichtet, aber geschlossen. Auf der Straßenseite gegenüber sind eine Fußpflege, ein Tattoostudio und ein Laden für Tiernahrung. Hier gibt es einen Antrag, in dem Gebäude Wohnungen einzurichten.
Früher war die Straße belebt, es gab sogar immer Sorge, ob die Parkplätze ausreichen. Pläne zur Umgestaltung für die „Neue Mitte Westheim“sind ja vorhanden. Schon vor Jahren hat die Stadtpolitik die Städtebauentwicklung angestoßen. Doch über die schwierigen Verhandlungen mit der Bahn sind Jahre vergangen und dann wurde noch der Bahnhof 2013 in einem Bieterverfahren an einen privaten Investor, die Cosi Immobilien GmbH, verkauft, die das Gebäude zwar teilweise saniert, aber dann überraschend alle Pläne auf Eis gelegt hat. Seitdem herrscht hier völliger Stillstand.
„Es ist schon ein Trauerspiel, was hier passiert“, sagt Yvonne Schell, Chefin der Tagespflegeeinrichtung HPS in der Hindenburgstraße. „Zuwerbe nächst haben wir noch die Räume der Bank übernommen, dann noch den Bioladen“, berichtet sie. Für die Betreuung der Senioren sei das zwar prima, man hat viel Platz, einen schönen Garten und ausreichend Parkplätze. „Wir fühlen uns hier sehr wohl“, trotzdem wäre es schön, wenn der Ort wieder etwas belebter wäre und man etwas einkaufen könnte.
Damit sich etwas ändern und die Ortsmitte wieder attraktiver werden kann, müsste erst einmal der städtebauliche Prozess richtig in Gang kommen. Momentan sind aber noch die Behörden am Arbeiten. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, den Prozess in Gang zu bringen“, so Bauamtsleiter Gerald Adolf von der Stadt Neusäß. So wird demnächst ein Abstimmungsgespräch mit der Regierung von Schwaben stattfinden, in dem alle restlichen Detailfragen zum städtebaulichen Verfahren geklärt werden sollen. „Das ist eine komplexe Geschichte, die Zeit gebraucht hat, aber wir sind nun dran, das Ganze endlich aufs Gleis zu setzen“, so Adolf.
Die Ideenwerkstatt hat etliche gute Konzepte entwickelt
Auch Bürgermeister Richard Greiner sei in engem Kontakt mit der Regierung von Schwaben, um die letzten Fragen zu klären. Immerhin wartet Neusäß darauf, endlich einige der vielen Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren im Bürgerbeteiligungsprozess entwickelt wurden, umzusetzen (wir berichteten). Dabei geht es vor allem ums Bahnhofsumfeld, die Bahnunterführungen und die Infrastruktur.
Wenn die Ortsmitte wieder attraktiver wird – so die Hoffnung – wird auch wieder mehr Leben Einzug halten.