Augsburger Allgemeine (Land West)

Immer weniger Geschäfte in Westheim

Ortsmitte Mit der Apotheke hat der letzte Laden in der Hindenburg­straße geschlosse­n. Das alte Bahnhofsge­bäude ist verlassen. Wie es trotzdem wieder aufwärtsge­hen könnte

- VON ANGELA DAVID

Neusäß Westheim

Im Zentrum von Westheim wird es immer ruhiger. An einem Freitagvor­mittag sind in der Hindenburg­straße am Bahnhof kaum Passanten unterwegs. Wohin auch? Es gibt ja kaum mehr Geschäfte. Wer vor dem alten, verlassene­n Bahnhofsge­bäude parkt und die maroden Stufen zur Hindenburg­straße hinaufstei­gt, kann mittlerwei­le nicht mehr viele Ziele ansteuern. Handel und Gewerbe im Ortskern sterben immer mehr aus.

Der letzte Paukenschl­ag war vor drei Monaten die Schließung der Apotheke (wir berichtete­n). Aber auch in den Jahren zuvor machte in der Hindenburg­straße ein Geschäft nach dem anderen zu: der Bioladen, die Banken und eine große Hausärztep­raxis. Sie ist in ein neu gebautes Ärztehaus in Stadtberge­n gezogen – modern und behinderte­ngerecht mit Aufzug.

Früher gab es im Ort mehrere Gasthäuser und Geschäfte

Ein bisschen besser sieht es an der Durchgangs­straße, der Von-Rehlingen-Straße, aus. Hier gibt es noch eine Bäckereifi­liale, einen landwirtsc­haftlichen Hofladen und eine große Gärtnerei. „Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, aber früher gab es in Westheim sechs Gastwirtsc­haften, zwei Bäcker, zwei Metzger und jede Menge Handwerker“, erinnert sich der 75-jährige Friseurmei­ster Erwin Burghart. Er ist einer der letzten, die in der Straße ein Geschäft betreiben. Sein Friseursal­on gegenüber dem Bahnhof, ein Familienbe­trieb, besteht seit vielen Jahrzehnte­n.

Burghart wohnt über dem Salon. Es schmerzt den alteingese­ssenen Westheimer, wie Handel und Ge- im Ort immer mehr aussterben. Der Friseur blickt auf die andere Straßensei­te zum Bahnhof und schüttelt den Kopf: „Weiß Gott, wie das noch weitergeht.“

Zumindest der Fortbestan­d seines eigenen Geschäfts sei gesichert: Der Sohn arbeitet im Betrieb und wird ihn weiterführ­en. „Wir haben eigentlich kein Problem, wir haben immer unsere Stammkunds­chaft“, sagt der 75-Jährige. Burgharts Vater eröffnete bereits 1931 im Nebenhaus ein Friseurges­chäft, 1956 zog der Salon ein Haus weiter, 1965 hat der Sohn dann den Laden übernommen.

Ein Bummel an der Hindenburg­straße entlang ist in wenigen Minuten erledigt: Nach dem Friseur Burghart kommen einige Wohnhäuser, dann eine Tagespfleg­eeinrichtu­ng für Senioren, die von den Bankfilial­en verblieben­en Geldautoma­ten von Kreisspark­asse und VRBank, ein Nagelstudi­o und eine Naturheilk­undeärztin in den oberen Stockwerke­n. Die Apotheke im Erdgeschos­s ist noch komplett ein- gerichtet, aber geschlosse­n. Auf der Straßensei­te gegenüber sind eine Fußpflege, ein Tattoostud­io und ein Laden für Tiernahrun­g. Hier gibt es einen Antrag, in dem Gebäude Wohnungen einzuricht­en.

Früher war die Straße belebt, es gab sogar immer Sorge, ob die Parkplätze ausreichen. Pläne zur Umgestaltu­ng für die „Neue Mitte Westheim“sind ja vorhanden. Schon vor Jahren hat die Stadtpolit­ik die Städtebaue­ntwicklung angestoßen. Doch über die schwierige­n Verhandlun­gen mit der Bahn sind Jahre vergangen und dann wurde noch der Bahnhof 2013 in einem Bieterverf­ahren an einen privaten Investor, die Cosi Immobilien GmbH, verkauft, die das Gebäude zwar teilweise saniert, aber dann überrasche­nd alle Pläne auf Eis gelegt hat. Seitdem herrscht hier völliger Stillstand.

„Es ist schon ein Trauerspie­l, was hier passiert“, sagt Yvonne Schell, Chefin der Tagespfleg­eeinrichtu­ng HPS in der Hindenburg­straße. „Zuwerbe nächst haben wir noch die Räume der Bank übernommen, dann noch den Bioladen“, berichtet sie. Für die Betreuung der Senioren sei das zwar prima, man hat viel Platz, einen schönen Garten und ausreichen­d Parkplätze. „Wir fühlen uns hier sehr wohl“, trotzdem wäre es schön, wenn der Ort wieder etwas belebter wäre und man etwas einkaufen könnte.

Damit sich etwas ändern und die Ortsmitte wieder attraktive­r werden kann, müsste erst einmal der städtebaul­iche Prozess richtig in Gang kommen. Momentan sind aber noch die Behörden am Arbeiten. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, den Prozess in Gang zu bringen“, so Bauamtslei­ter Gerald Adolf von der Stadt Neusäß. So wird demnächst ein Abstimmung­sgespräch mit der Regierung von Schwaben stattfinde­n, in dem alle restlichen Detailfrag­en zum städtebaul­ichen Verfahren geklärt werden sollen. „Das ist eine komplexe Geschichte, die Zeit gebraucht hat, aber wir sind nun dran, das Ganze endlich aufs Gleis zu setzen“, so Adolf.

Die Ideenwerks­tatt hat etliche gute Konzepte entwickelt

Auch Bürgermeis­ter Richard Greiner sei in engem Kontakt mit der Regierung von Schwaben, um die letzten Fragen zu klären. Immerhin wartet Neusäß darauf, endlich einige der vielen Maßnahmen, die in den vergangene­n Jahren im Bürgerbete­iligungspr­ozess entwickelt wurden, umzusetzen (wir berichtete­n). Dabei geht es vor allem ums Bahnhofsum­feld, die Bahnunterf­ührungen und die Infrastruk­tur.

Wenn die Ortsmitte wieder attraktive­r wird – so die Hoffnung – wird auch wieder mehr Leben Einzug halten.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Die Apotheke in Westheim war eines der letzten Geschäfte in der Hindenburg­straße. Nach dem Wegzug einer großen Hausärztep­raxis vor einigen Jahren und der Schließung der Bankfilial­e und eines Bioladens ist inzwischen wenig Leben im Ortszentru­m.
Fotos: Marcus Merk Die Apotheke in Westheim war eines der letzten Geschäfte in der Hindenburg­straße. Nach dem Wegzug einer großen Hausärztep­raxis vor einigen Jahren und der Schließung der Bankfilial­e und eines Bioladens ist inzwischen wenig Leben im Ortszentru­m.
 ??  ?? Friseurmei­ster Erwin Burghart hat seinen Salon gegenüber dem Bahnhof. Er ist ein alteingese­ssener Westheimer, der die Entwicklun­g des Ortes mit Sorge verfolgt.
Friseurmei­ster Erwin Burghart hat seinen Salon gegenüber dem Bahnhof. Er ist ein alteingese­ssener Westheimer, der die Entwicklun­g des Ortes mit Sorge verfolgt.

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