Augsburger Allgemeine (Land West)
Rathaus, Feuerwehr, Arzt – alles im Schloss
1990 erwarb die Gemeinde Emersacker das Fuggerschloss und renovierte es. Für das Mansardenhaus hat der Bürgermeister ein paar Ideen
Michael Müller, Bürgermeister von Emersacker, hat einen wahrlich historischen Amtssitz – und zwar in einem einstigen Fuggerschloss, das heute den Mittelpunkt des Orts bildet. Dass aus dem großen Anwesen das Schmuckstück werden konnte, das es heute ist, hat er seinem Vorgänger zu verdanken, der ihm nicht nur 2008 das Amt übergab, sondern auch Jahre zuvor einen mutigen Schritt gegangen ist. Denn 1990 kaufte die Gemeinde Emersacker das einstige Fuggerschloss – für 300 000 Mark. Dass der Rathauschef von einst damit sogar noch ein Schnäppchen gemacht hat, geht aus seinen persönlichen Aufzeichnungen hervor, denn fünf Jahre zuvor wurde der Gemeinde das gesamte Areal mit knapp 4500 Quadratmetern Grund samt Gebäuden noch für 700000 Mark angeboten.
Der Zustand im Jahr 1990 war „erbärmlich“, heißt es in den Aufzeichnungen. Der Nordtrakt, der in der Vergangenheit als Schäfflerei genutzt wurde und in dem heute die Vhs und das Büro der St.-GregorKinder-, Jugend- und Familienhilfe untergebracht sind, war dem Einsturz nahe. Neben dem maroden Nordtrakt sollten also zunächst die Teile der Anlage renoviert werden, in dem heute das Rathaus, der Musikübungssaal und das Vereinszimmer untergebracht sind. Zu Zeiten der Schlossbrauerei waren dort der Kühlraum und die Abfüllerei und an der Stelle, wo heute der Gemeinderat tagt, befand sich einst eine Limonaden-Abfüllerei. Unter den strengen Augen des Denkmalschutzes und mit mächtig viel handwerklichem Engagement der Bürger wurde fortan gewerkelt, Altes erhalten und um neue Elemente ergänzt. So erhielt das Rathaus einen Vorbau aus Glas. Bleiglasfenster von Manfred Nitbauer erinnern im oberen Bereich des Eingangs an die Historie.
Mit der Einweihung im Jahr 1993 blickte die Gemeinde Emersacker auf drei anstrengende Jahre und ein Investment von rund 2,37 Millionen Mark allein an Eigenmitteln zurück. 461 000 Mark an Staatszuschüssen fielen für diesen ersten Abschnitt zusätzlich an. Als Nächstes stand das alte Sudhaus an, das heute den Fahrzeugen, Gerätschaften und der Mannschaft der Freiwilligen Feuerwehr Emersacker als Feuerwehrhaus dient. Der Weg bis dahin war allerdings von mächtig viel Arbeit gesäumt. 1995/1996 wurde das Gebäude entkernt, 1997/1998 wurde der Putz entfernt. Anschließend konnte das Gebäude neu aufgebaut und ausgestattet werden – mit einem Finale im Jahr 2000, in dem die feierliche Einweihung zelebriert wurde. Dieser Umbau kostete 1,65 Millionen Mark – und wurde mit 430 000 Mark bezuschusst. Der unterirdische Kellergang, der nur aus Überlieferungen bekannt ist, wurde bei keiner Umbauaktion gefunden. „Vermutlich wurde dieser in den 70er-Jahren verfüllt“, schätzt Bürgermeister Michael Müller.
In der neuesten Geschichte dann folgte der Umbau des Saalgebäudes – für summa summarum 1,8 Millionen Euro. Heute befinden sich dort der Bürgersaal sowie eine Arztpraxis und eine Praxis für Physiotherapie.
Michael Müller, der erst 1988 mit seiner Familie nach Emersacker gezogen ist, kennt weite Teile der Geschichte nur aus Erzählungen und Aufzeichnungen. Die neuere Geschichte formt er indes aktiv mit und auch in den über 350 Jahre alten Kellergewölben kennt er sich mittlerweile gut aus. „Dort waren einst die Eiskeller der Brauerei untergebracht“, berichtet der Bürgermeister. Doch genau diese Tatsache macht auch eine Nutzung der Räumlichkeiten heute fast unmöglich. Zwar gibt es die Luke nicht mehr, durch die die Eisbrocken von oben nach unten geworfen wurden, doch die Abläufe für das Wasser bestehen noch heute und die Kellerräume sind und bleiben feucht. Vor einigen Jahren gab es dort einen Jugendtreff, erinnert sich der heutige Rathauschef. Die jungen Leute profitierten von den dicken Wänden, die keinen Laut nach außen dringen ließen. Doch die Feuchtigkeit machte den Traum vom Jugendkeller schnell wieder zunichte und Müller seufzt: „Das ist ein Fass ohne Boden.“Eine Ausweichmöglichkeit, um abends zusammenzusitzen, ohne in die Stadt fahren zu müssen, haben die Jugendlichen nun in der kleinen Kneipe im Erdgeschoss des Mansardengebäudes.
Eben dort, wo einst Arbeiter, Helfer und Gesinde im Obergeschoss lebten, wartet allerdings schon die nächste Baustelle. Was es zu tun gibt, wird denjenigen klar, die aus dem Prunkstück – dem modern eingerichteten und sanierten Saalgebäude – ins Mansardengebäude wandern. Diese Schlossteile sind mit einem Übergang verbunden, die einst der Verwalter nutzte, um in seine Wohnräume zu gelangen.
Was im Mansardengebäude einmal entstehen soll, ist aktuell noch unklar. Im Ort gäbe es Bedarf an kleinen, günstigen Wohnräumen, doch barrierefrei sind diese Räumlichkeiten nicht. Auch ein Gemeindearchiv könnte dort entstehen, schließlich kann man in einigen Zimmern noch eine Stuckdecke erahnen. Denkbar wäre zudem die Erweiterung des Restaurants um Nebenräume. Das Problem ist allerdings der Zugang, denn aktuell kann man nur über die Kneipe oder den Übergang vom Saalgebäude in die oberen, renovierungsbedürftigen Stockwerke gelangen. Der Rathauschef weiß: „Ich müsste die Holztreppe aus der Gründerzeit, die einst bis ins Erdgeschoss reichte, vermutlich wieder zurückbauen.“Um zunächst den Bestand zu wahren, soll in diesem Jahr das Dach des Hauses saniert werden. „Die Balken sind morsch und das Wasser dringt ein“, erklärt Müller. Im Dach befindet sich unter den teils handbehauenen Balken, die gut über 200 Jahre alt sind, ein weiteres Relikt der Vergangenheit: Eine Wasserreserve, die heute mächtig verrostet ist, kann erst dann entfernt werden, wenn das Dach abgedeckt wird.
An Ideen, wie das Gebäude genutzt werden kann, mangelt es dem Bürgermeister, der beruflich der Geschäftsführer des Dillinger Jobcenters ist, ganz offensichtlich nicht. Diese haben dabei immer einen gemeinsamen Nenner: Es soll für die Bürger im Ort ein Nutzen entstehen.
Das erklärte Ziel des 59-Jährigen ist es, die Tradition zu bewahren und den Standard sukzessive zu verbessern. Und wenn der dreifache Vater und bald dreifache Großvater dann noch auf die richtige Förderung stößt, kramt er einfach die dazu passende Idee aus der Schublade und baut ein Stückchen weiter am Schloss im Ortsmittelpunkt. Vielleicht kann die Schlossanlage ja auch in ihren ursprünglich vierseitigen Zustand wieder zurückgebaut werden, berichtet Müller, in Ideen schwelgend. Die Stallungen, die einst die vierte Seite bildeten, haben „die Fugger einfach plattgemacht“, erklärt er.
Was Michael Müller in den nächsten drei Jahren bis zum Ende seiner Bürgermeister-Ära noch umsetzen kann, steht in den Sternen. Allerdings ist das Schloss auch nicht die einzige historische Baustelle, die die Gemeinde pflegt: Auch in das 1903 errichtete Kloster zog dank einer aktiven Gemeindepolitik Leben ein. Heute befinden sich dort eine Hauskapelle sowie Räume der Pfarrgemeinde und der Kindergarten.
„Die Balken sind morsch und das Wasser dringt ein.“ Bürgermeister Michael Müller