Augsburger Allgemeine (Land West)

Rathaus, Feuerwehr, Arzt – alles im Schloss

1990 erwarb die Gemeinde Emersacker das Fuggerschl­oss und renovierte es. Für das Mansardenh­aus hat der Bürgermeis­ter ein paar Ideen

- VON STEFFI BRAND (TEXT) UND MARCUS MERK (FOTOS)

Michael Müller, Bürgermeis­ter von Emersacker, hat einen wahrlich historisch­en Amtssitz – und zwar in einem einstigen Fuggerschl­oss, das heute den Mittelpunk­t des Orts bildet. Dass aus dem großen Anwesen das Schmuckstü­ck werden konnte, das es heute ist, hat er seinem Vorgänger zu verdanken, der ihm nicht nur 2008 das Amt übergab, sondern auch Jahre zuvor einen mutigen Schritt gegangen ist. Denn 1990 kaufte die Gemeinde Emersacker das einstige Fuggerschl­oss – für 300 000 Mark. Dass der Rathausche­f von einst damit sogar noch ein Schnäppche­n gemacht hat, geht aus seinen persönlich­en Aufzeichnu­ngen hervor, denn fünf Jahre zuvor wurde der Gemeinde das gesamte Areal mit knapp 4500 Quadratmet­ern Grund samt Gebäuden noch für 700000 Mark angeboten.

Der Zustand im Jahr 1990 war „erbärmlich“, heißt es in den Aufzeichnu­ngen. Der Nordtrakt, der in der Vergangenh­eit als Schäfflere­i genutzt wurde und in dem heute die Vhs und das Büro der St.-GregorKind­er-, Jugend- und Familienhi­lfe untergebra­cht sind, war dem Einsturz nahe. Neben dem maroden Nordtrakt sollten also zunächst die Teile der Anlage renoviert werden, in dem heute das Rathaus, der Musikübung­ssaal und das Vereinszim­mer untergebra­cht sind. Zu Zeiten der Schlossbra­uerei waren dort der Kühlraum und die Abfüllerei und an der Stelle, wo heute der Gemeindera­t tagt, befand sich einst eine Limonaden-Abfüllerei. Unter den strengen Augen des Denkmalsch­utzes und mit mächtig viel handwerkli­chem Engagement der Bürger wurde fortan gewerkelt, Altes erhalten und um neue Elemente ergänzt. So erhielt das Rathaus einen Vorbau aus Glas. Bleiglasfe­nster von Manfred Nitbauer erinnern im oberen Bereich des Eingangs an die Historie.

Mit der Einweihung im Jahr 1993 blickte die Gemeinde Emersacker auf drei anstrengen­de Jahre und ein Investment von rund 2,37 Millionen Mark allein an Eigenmitte­ln zurück. 461 000 Mark an Staatszusc­hüssen fielen für diesen ersten Abschnitt zusätzlich an. Als Nächstes stand das alte Sudhaus an, das heute den Fahrzeugen, Gerätschaf­ten und der Mannschaft der Freiwillig­en Feuerwehr Emersacker als Feuerwehrh­aus dient. Der Weg bis dahin war allerdings von mächtig viel Arbeit gesäumt. 1995/1996 wurde das Gebäude entkernt, 1997/1998 wurde der Putz entfernt. Anschließe­nd konnte das Gebäude neu aufgebaut und ausgestatt­et werden – mit einem Finale im Jahr 2000, in dem die feierliche Einweihung zelebriert wurde. Dieser Umbau kostete 1,65 Millionen Mark – und wurde mit 430 000 Mark bezuschuss­t. Der unterirdis­che Kellergang, der nur aus Überliefer­ungen bekannt ist, wurde bei keiner Umbauaktio­n gefunden. „Vermutlich wurde dieser in den 70er-Jahren verfüllt“, schätzt Bürgermeis­ter Michael Müller.

In der neuesten Geschichte dann folgte der Umbau des Saalgebäud­es – für summa summarum 1,8 Millionen Euro. Heute befinden sich dort der Bürgersaal sowie eine Arztpraxis und eine Praxis für Physiother­apie.

Michael Müller, der erst 1988 mit seiner Familie nach Emersacker gezogen ist, kennt weite Teile der Geschichte nur aus Erzählunge­n und Aufzeichnu­ngen. Die neuere Geschichte formt er indes aktiv mit und auch in den über 350 Jahre alten Kellergewö­lben kennt er sich mittlerwei­le gut aus. „Dort waren einst die Eiskeller der Brauerei untergebra­cht“, berichtet der Bürgermeis­ter. Doch genau diese Tatsache macht auch eine Nutzung der Räumlichke­iten heute fast unmöglich. Zwar gibt es die Luke nicht mehr, durch die die Eisbrocken von oben nach unten geworfen wurden, doch die Abläufe für das Wasser bestehen noch heute und die Kellerräum­e sind und bleiben feucht. Vor einigen Jahren gab es dort einen Jugendtref­f, erinnert sich der heutige Rathausche­f. Die jungen Leute profitiert­en von den dicken Wänden, die keinen Laut nach außen dringen ließen. Doch die Feuchtigke­it machte den Traum vom Jugendkell­er schnell wieder zunichte und Müller seufzt: „Das ist ein Fass ohne Boden.“Eine Ausweichmö­glichkeit, um abends zusammenzu­sitzen, ohne in die Stadt fahren zu müssen, haben die Jugendlich­en nun in der kleinen Kneipe im Erdgeschos­s des Mansardeng­ebäudes.

Eben dort, wo einst Arbeiter, Helfer und Gesinde im Obergescho­ss lebten, wartet allerdings schon die nächste Baustelle. Was es zu tun gibt, wird denjenigen klar, die aus dem Prunkstück – dem modern eingericht­eten und sanierten Saalgebäud­e – ins Mansardeng­ebäude wandern. Diese Schlosstei­le sind mit einem Übergang verbunden, die einst der Verwalter nutzte, um in seine Wohnräume zu gelangen.

Was im Mansardeng­ebäude einmal entstehen soll, ist aktuell noch unklar. Im Ort gäbe es Bedarf an kleinen, günstigen Wohnräumen, doch barrierefr­ei sind diese Räumlichke­iten nicht. Auch ein Gemeindear­chiv könnte dort entstehen, schließlic­h kann man in einigen Zimmern noch eine Stuckdecke erahnen. Denkbar wäre zudem die Erweiterun­g des Restaurant­s um Nebenräume. Das Problem ist allerdings der Zugang, denn aktuell kann man nur über die Kneipe oder den Übergang vom Saalgebäud­e in die oberen, renovierun­gsbedürfti­gen Stockwerke gelangen. Der Rathausche­f weiß: „Ich müsste die Holztreppe aus der Gründerzei­t, die einst bis ins Erdgeschos­s reichte, vermutlich wieder zurückbaue­n.“Um zunächst den Bestand zu wahren, soll in diesem Jahr das Dach des Hauses saniert werden. „Die Balken sind morsch und das Wasser dringt ein“, erklärt Müller. Im Dach befindet sich unter den teils handbehaue­nen Balken, die gut über 200 Jahre alt sind, ein weiteres Relikt der Vergangenh­eit: Eine Wasserrese­rve, die heute mächtig verrostet ist, kann erst dann entfernt werden, wenn das Dach abgedeckt wird.

An Ideen, wie das Gebäude genutzt werden kann, mangelt es dem Bürgermeis­ter, der beruflich der Geschäftsf­ührer des Dillinger Jobcenters ist, ganz offensicht­lich nicht. Diese haben dabei immer einen gemeinsame­n Nenner: Es soll für die Bürger im Ort ein Nutzen entstehen.

Das erklärte Ziel des 59-Jährigen ist es, die Tradition zu bewahren und den Standard sukzessive zu verbessern. Und wenn der dreifache Vater und bald dreifache Großvater dann noch auf die richtige Förderung stößt, kramt er einfach die dazu passende Idee aus der Schublade und baut ein Stückchen weiter am Schloss im Ortsmittel­punkt. Vielleicht kann die Schlossanl­age ja auch in ihren ursprüngli­ch vierseitig­en Zustand wieder zurückgeba­ut werden, berichtet Müller, in Ideen schwelgend. Die Stallungen, die einst die vierte Seite bildeten, haben „die Fugger einfach plattgemac­ht“, erklärt er.

Was Michael Müller in den nächsten drei Jahren bis zum Ende seiner Bürgermeis­ter-Ära noch umsetzen kann, steht in den Sternen. Allerdings ist das Schloss auch nicht die einzige historisch­e Baustelle, die die Gemeinde pflegt: Auch in das 1903 errichtete Kloster zog dank einer aktiven Gemeindepo­litik Leben ein. Heute befinden sich dort eine Hauskapell­e sowie Räume der Pfarrgemei­nde und der Kindergart­en.

„Die Balken sind morsch und das Wasser dringt ein.“ Bürgermeis­ter Michael Müller

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Noch im Jahr 1990 war der Zustand des Fuggerschl­osses „erbärmlich“, wie es in den Aufzeichnu­ngen heißt. Heute ist es das Schmuckstü­ck von Emersacker.
 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Im ehemaligen Sudhaus der Fuggersche­n Brauerei ist heute die Freiwillig­e Feuerwehr untergebra­cht. Bürgermeis­ter Michael Müller will die Tradition bewahren und gleich zeitig den Standard verbessern. Zu tun gäbe es am Schloss noch einiges.
Fotos: Marcus Merk Im ehemaligen Sudhaus der Fuggersche­n Brauerei ist heute die Freiwillig­e Feuerwehr untergebra­cht. Bürgermeis­ter Michael Müller will die Tradition bewahren und gleich zeitig den Standard verbessern. Zu tun gäbe es am Schloss noch einiges.
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Die original Holztreppe aus der Gründerzei­t reichte früher noch ins Erdgeschos­s, heu te endet sie bereits vorher.
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Das Fuggerschl­oss beheimatet auch das Rathaus. Unser Bild zeigt den Eingang zur Gemeindeve­rwaltung.
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