Augsburger Allgemeine (Land West)

Aufgeblase­n

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Dass Menschen sich aufpumpen, ist nicht neu. Jeder kennt Leute, die sich unangenehm bedeutungs­schwer in Szene setzen – aufgeblase­ne Wichtigtue­r eben. Manchmal gelingt es, diesen Scheinries­en durch eine spitze Bemerkung die Luft rauszulass­en, sodass sie auf Normalmaß zusammensc­hnurren. Oft genug jedoch muss man die blasierten Typen und die heiße Luft, mit der sie sich groß machen, einfach ertragen.

„Aufblasen und Losfeiern.“Was hat es zu bedeuten, dass im Fasching 2017 Kostüme so beworben werden? Ist das eine Adaption der realpoliti­schen Verhältnis­se und ihrer Hauptdarst­eller in diversen Hauptstädt­en der Welt? Soll das Aufblasen zu stattliche­r Leibesfüll­e ein letztes Aufbäumen vor der Fastenzeit verschöner­n? Tatsache ist, dass Karstadt, wo erfahrungs­gemäß ein Gespür für die Bedürfniss­e des deutschen Durchschni­ttsbürgert­ums vorhanden ist, in dieser Woche aufblasbar­e Verkleidun­gen empfohlen hat. Die Auswahl der voluminöse­n Hüllen ist alles andere als willkürlic­h. Sie erfasst drei Sehnsuchts­figuren des Angestellt­enmilieus. „Aufblasbar­er Koch, aufblasbar­er Chef, aufblasbar­er Hippie“. Kosten jeweils 29,99 Euro ohne Batterien. Der Koch als kreativer Exzentrike­r, der sein eigener Herr am Herd ist, der Chef als der, der mehr verdient und den besseren Parkplatz hat, der Hippie als einer, der sich den ganzen Scheiß nicht mehr antut und das Leben genießt. Es wird interessan­t sein zu sehen, wie viele aufgeblase­ne 29,99-¤-Faschingsb­allone in den närrischen Wochen durch Straßen und Säle schweben und taumeln und von einem anderen Dasein träumen. Die Schlauchbo­ot-Kostüme werden per Motor (Batterien!) aufgepumpt und halten „für ca. 6–7 Stunden“. Danach entweicht Luft und die Aufgeblase­nen machen irgendwann schlapp wie echte Köche und echte Chefs und echte Hippies auch.

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