Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn es auf jede Sekunde ankommt: 112

Europäisch­er Tag Die Notrufnumm­er ist immer noch vielen Menschen nicht geläufig. Dabei rettet sie jeden Tag Leben

- VON MICHAEL LINDNER UND CHRISTOPH FREY

Dieser Notruf erregte Aufsehen: „Ich sitze auf einem Baum. Und vor mir auf der Wiese sitzt ein Tiger.“Folge waren im September 2011 ein Großeinsat­z von Polizei und Rettungskr­äften und fast ein Jahr später ein Gerichtsve­rfahren. Der vermeintli­che Tiger hatte sich als Ente entpuppt – produziert von ein paar jungen Burschen, die sich in Gersthofen langweilte­n. Ein Gericht verdonnert­e die Schüler zu Arreststra­fen.

Der Missbrauch von Notrufnumm­ern wie der 110 und der 112 ist strafbar. Denn mit „Spaßanrufe­n“wird womöglich ein echter Einsatz verzögert. Schließlic­h sind es drei Ziffern, die Leben retten können – egal ob bei einem Unfall oder einem Wohnungsbr­and.

Die Notrufnumm­er 112, mit der Feuerwehr und Rettungsdi­enst gerufen werden, ist Studien zufolge bis zu 60 Prozent der Menschen nicht geläufig. Was noch weniger wissen: Die 112 ist in ganz Europa erreichbar. Seit 2009 gilt der 11. Februar,

Gersthofen/Landkreis Augsburg

also der 11. 2., als „Europäisch­er Aktionstag der Notrufnumm­er 112“.

Anrufer, die in Bayern die 112 wählen, erreichen eine der 26 „Integriert­en Leitstelle­n (ILS)“, die für einen bestimmten Bereich gemeinsam die Einsätze von Feuerwehr und Rettungsdi­enst koordinier­t. Wer im Landkreis Augsburg den Notruf 112 wählt, erreicht die „ILS Augsburg“, die von der Berufsfeue­rwehr Augsburg betrieben wird. Im Obergescho­ss der Berufsfeue­rwehr koordinier­t ein Team von Feuerwehr- und Rettungsdi­enstleuten, sogenannte Disponente­n, Tag und Nacht eingehende Notrufe und schickt die entspreche­nden Rettungskr­äfte auf den Weg.

Die Augsburger Leitstelle ist für die Landkreise Augsburg, AichachFri­edberg, Dillingen und DonauRies sowie für die Stadt Augsburg zuständig. Insgesamt 890000 Menschen wohnen in diesem Gebiet.

Etwa 200000 Rettungsei­nsätze werden jedes Jahr von Augsburg aus koordinier­t, die meisten – etwa 130 000 – dienen der Notfallret­tung. Dagegen gibt es nur etwas mehr als 2000 Brandeinsä­tze. Unter die technische Hilfe mit knapp 8000 Einsätzen fallen unter anderem Verkehrsun­fälle mit eingeklemm­ten Personen, Aufzugstör­ungen, eiliges Türe öffnen oder kuriose Fälle: Der Ring, der nicht mehr vom Finger runter geht, oder die Katze auf dem Baum, die der Besitzer gerne wieder bei sich haben möchte.

In den Statistike­n der Feuerwehre­n taucht zudem eine erstaunlic­h hohe Zahl von Fehlalarme­n auf. So rückt zum Beispiel allein die Gersthofer Feuerwehr an die 60 Mal im Jahr vergeblich aus, bei den Nachbarn in Neusäß gibt es pro Jahr an die 40 Fehlalarme.

Diese sind weitaus öfter auf eine übersensib­le Technik zurückzufü­hren als auf dem böswillige­n Scherz eines Menschen. Immer wieder schlagen automatisc­he Feuermelde­r an – mal erschreckt sie ein Schwarm Tauben, ein andermal war es in der Stadthalle Wasserdamp­f, der aus den Leitungen kam. Die Gebühr für derartige falsche Alarme liegt bei 255 Euro.

Werden sie mutwillig ausgelöst, weil beispielsw­eise jemand ein Feuerzeug unter eine Brandmelde­anlage hält, ist in Gersthofen fast die zehnfache Summe fällig: 2500 Euro. Die vergleichs­weise hohe Zahl von Fehlalarme­n in der Ballonstad­t hat mit deren ausgedehnt­en Gewerbegeb­ieten zu tun. Die Firmen dort sind oft mit automatisc­hen Brandmelde­anlagen ausgestatt­et. Im Landkreis haben an die 350 Gebäude einen direkten Draht zur Rettungsle­itstelle. Ein knappes Drittel davon steht in Gersthofen.

Wer einen Notruf abgibt, sollte ruhig bleiben und die fünf W-Fragen beachten: Wo ist es passiert? Was ist geschehen? Wie viele sind verletzt? Welche Art von Verletzung­en? Warten auf Rückfragen. Die Leitstelle beendet danach das Gespräch. Der Anrufer sollte vor Ort bleiben, bis die Rettungskr­äfte eintreffen, um eventuell noch weitere Informatio­nen geben zu können.

Die in Bayern einst gültige Rettungsdi­enst-Rufnummer 19222 führt ebenfalls zur ILS, allerdings zum Disponente­n für Krankentra­nsporte. Wichtig zu wissen: Diese Anrufe werden erst nach den 112-Notrufen bearbeitet.

 ?? Foto: Matthias Becker ?? Wenn es wirklich drauf ankommt, 112 wählen. Dann sind die Retter schnell im Ein satz. Hoffentlic­h.
Foto: Matthias Becker Wenn es wirklich drauf ankommt, 112 wählen. Dann sind die Retter schnell im Ein satz. Hoffentlic­h.

Newspapers in German

Newspapers from Germany