Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn es auf jede Sekunde ankommt: 112
Europäischer Tag Die Notrufnummer ist immer noch vielen Menschen nicht geläufig. Dabei rettet sie jeden Tag Leben
Dieser Notruf erregte Aufsehen: „Ich sitze auf einem Baum. Und vor mir auf der Wiese sitzt ein Tiger.“Folge waren im September 2011 ein Großeinsatz von Polizei und Rettungskräften und fast ein Jahr später ein Gerichtsverfahren. Der vermeintliche Tiger hatte sich als Ente entpuppt – produziert von ein paar jungen Burschen, die sich in Gersthofen langweilten. Ein Gericht verdonnerte die Schüler zu Arreststrafen.
Der Missbrauch von Notrufnummern wie der 110 und der 112 ist strafbar. Denn mit „Spaßanrufen“wird womöglich ein echter Einsatz verzögert. Schließlich sind es drei Ziffern, die Leben retten können – egal ob bei einem Unfall oder einem Wohnungsbrand.
Die Notrufnummer 112, mit der Feuerwehr und Rettungsdienst gerufen werden, ist Studien zufolge bis zu 60 Prozent der Menschen nicht geläufig. Was noch weniger wissen: Die 112 ist in ganz Europa erreichbar. Seit 2009 gilt der 11. Februar,
Gersthofen/Landkreis Augsburg
also der 11. 2., als „Europäischer Aktionstag der Notrufnummer 112“.
Anrufer, die in Bayern die 112 wählen, erreichen eine der 26 „Integrierten Leitstellen (ILS)“, die für einen bestimmten Bereich gemeinsam die Einsätze von Feuerwehr und Rettungsdienst koordiniert. Wer im Landkreis Augsburg den Notruf 112 wählt, erreicht die „ILS Augsburg“, die von der Berufsfeuerwehr Augsburg betrieben wird. Im Obergeschoss der Berufsfeuerwehr koordiniert ein Team von Feuerwehr- und Rettungsdienstleuten, sogenannte Disponenten, Tag und Nacht eingehende Notrufe und schickt die entsprechenden Rettungskräfte auf den Weg.
Die Augsburger Leitstelle ist für die Landkreise Augsburg, AichachFriedberg, Dillingen und DonauRies sowie für die Stadt Augsburg zuständig. Insgesamt 890000 Menschen wohnen in diesem Gebiet.
Etwa 200000 Rettungseinsätze werden jedes Jahr von Augsburg aus koordiniert, die meisten – etwa 130 000 – dienen der Notfallrettung. Dagegen gibt es nur etwas mehr als 2000 Brandeinsätze. Unter die technische Hilfe mit knapp 8000 Einsätzen fallen unter anderem Verkehrsunfälle mit eingeklemmten Personen, Aufzugstörungen, eiliges Türe öffnen oder kuriose Fälle: Der Ring, der nicht mehr vom Finger runter geht, oder die Katze auf dem Baum, die der Besitzer gerne wieder bei sich haben möchte.
In den Statistiken der Feuerwehren taucht zudem eine erstaunlich hohe Zahl von Fehlalarmen auf. So rückt zum Beispiel allein die Gersthofer Feuerwehr an die 60 Mal im Jahr vergeblich aus, bei den Nachbarn in Neusäß gibt es pro Jahr an die 40 Fehlalarme.
Diese sind weitaus öfter auf eine übersensible Technik zurückzuführen als auf dem böswilligen Scherz eines Menschen. Immer wieder schlagen automatische Feuermelder an – mal erschreckt sie ein Schwarm Tauben, ein andermal war es in der Stadthalle Wasserdampf, der aus den Leitungen kam. Die Gebühr für derartige falsche Alarme liegt bei 255 Euro.
Werden sie mutwillig ausgelöst, weil beispielsweise jemand ein Feuerzeug unter eine Brandmeldeanlage hält, ist in Gersthofen fast die zehnfache Summe fällig: 2500 Euro. Die vergleichsweise hohe Zahl von Fehlalarmen in der Ballonstadt hat mit deren ausgedehnten Gewerbegebieten zu tun. Die Firmen dort sind oft mit automatischen Brandmeldeanlagen ausgestattet. Im Landkreis haben an die 350 Gebäude einen direkten Draht zur Rettungsleitstelle. Ein knappes Drittel davon steht in Gersthofen.
Wer einen Notruf abgibt, sollte ruhig bleiben und die fünf W-Fragen beachten: Wo ist es passiert? Was ist geschehen? Wie viele sind verletzt? Welche Art von Verletzungen? Warten auf Rückfragen. Die Leitstelle beendet danach das Gespräch. Der Anrufer sollte vor Ort bleiben, bis die Rettungskräfte eintreffen, um eventuell noch weitere Informationen geben zu können.
Die in Bayern einst gültige Rettungsdienst-Rufnummer 19222 führt ebenfalls zur ILS, allerdings zum Disponenten für Krankentransporte. Wichtig zu wissen: Diese Anrufe werden erst nach den 112-Notrufen bearbeitet.