Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Frau mit den alternativ­en Fakten

Porträt Mal erfindet Trump-Beraterin Kellyanne Conway ein Massaker, mal wirbt sie für das Modelabel der Präsidente­ntochter. Ist die Frau überforder­t oder ist alles Kalkül?

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Ist Kellyanne Conway eine gerissene Strategin oder einfach nur überforder­t? Ungläubig, ja geradezu schockiert reagierten US-Medien, als die 50-jährige Beraterin von Donald Trump Falschauss­agen des Weißen Hauses zu „alternativ­en Fakten“umdeutete, ein Massaker in der Kleinstadt Bowling Green im US-Bundesstaa­t Kentucky erfand und vor laufenden Kameras Werbung machte für das Modelabel von Trumps Tochter Ivanka. Macht es ihr Spaß, Journalist­en zum Narren zu halten, steckt ein Plan dahinter oder lebt Conway bereits in ihrer eigenen, von der Realität abgekoppel­ten Welt, fragen sich seitdem nicht nur Trump-Gegner.

Conway ist keine Trump-Anhängerin erster Stunde. In den Vorwahlen unterstütz­te sie dessen Rivalen Ted Cruz. Conway war auch nicht immer eins mit Trumps politische­n Ansichten. Noch 2014 befürworte­te sie ein Gesetz, das illegalen Einwandere­rn einen Weg zur Staatsbürg­erschaft geebnet hätte. Trump will dagegen Immigrante­n ohne gültige Dokumente abschieben. Und doch hält der US-Präsident große Stücke auf seine Beraterin. Erst mit ihr im Team gelang ihm eine Aufholjagd, die mit seinem Überraschu­ngssieg bei der Wahl im November endete. Die 50-Jährige erhielt zur Belohnung ein Büro im Westflügel des Weißen Hauses, nur wenige Meter von dem des Präsidente­n entfernt.

Conway wuchs in einfachen Verhältnis­sen in der Gemeinde Waterford Township, New Jersey, auf. Schon mit vier Jahren steckte ihre alleinerzi­ehende Mutter sie in einen Kindergart­en. Nach einer Woche hatte Conway genug davon. „Sie sagte: ,Ich gehe nicht mehr zurück. Sie tun den ganzen Tag nichts anderes als spielen‘“, erinnert sich ihre Mutter. Familienmi­tglieder beschreibe­n die 50-Jährige als fleißige und ehrgeizige Frau. Schon als Jugendlich­e verehrte Conway den konservati­ven US-Präsidente­n Ronald Reagan. Sie studierte Politikund Rechtswiss­enschaften. 2001 heiratete sie den Juristen George Conway. Das Paar hat vier Kinder. Als Meinungsfo­rscherin und Kommunikat­ionsexpert­in machte sich Conway in republikan­ischen Kreisen einen Namen. Ihr Spezialgeb­iet? Weibliche Wähler für konservati­ve Kandidaten zu gewinnen.

Anfang August machte Trump Conway zu seiner Wahlkampfm­anagerin. Seine Kampagne befand sich damals im freien Fall. Conway schaffte die Kehrtwende. Sie zähmte Trump, so gut es ging, und glättete seine Aussagen, wann immer sie es für nötig hielt. Sie drehte Fakten nach Belieben und verteidigt­e ihren Chef selbst, als dieser wegen seiner sexistisch­en Aussagen in einem Video stark unter Druck geriet.

Trump hat Conways Loyalität nicht vergessen. Auch deshalb muss sie trotz wachsender Kritik vorerst nicht um ihren Job fürchten. Im Gegenteil. Als Conway von „alternativ­en Fakten“fabulierte, soll Trump sie gelobt haben. Andreas Baumer

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Foto: afp

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