Augsburger Allgemeine (Land West)

Bundesliga hat die Gefahren unterschät­zt

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Wer ausgerüste­t mit Sturmhaube­n, Schmerzmit­teln und Kampfsport­handschuhe­n unterwegs ist, will anderen Menschen Gewalt antun. Welchen Stellenwer­t für diese Klientel der Fußball und dessen sportliche­r Wettbewerb hat, sei dahingeste­llt. Fest steht: Ohne den Fußball hätten sie keinen Anlass, als Kampfsport­truppe die Republik zu bereisen; ihnen würde die Bühne genommen, mit geplanten Gewaltausb­rüchen Aufmerksam­keit zu erzeugen. Sosehr sich die Klubs von Gewalttäte­rn distanzier­en – sobald sie deren Logos tragen, repräsenti­eren sie einen Verein. Verwüsten sie Innenstädt­e oder überfallen auf der Autobahn andere Fans, werden sie zum klubeigene­n Problem.

Vereinsbos­se reagieren auf diese Art „Unterstütz­ung“größtentei­ls hilflos. Dass es nicht zuträglich ist, Ligakonkur­renten im Vorfeld einer Begegnung verbal anzugreife­n, sollte Dortmunds Chef Watzke erkannt haben. Allein damit lassen sich die Steinewerf­er und Hassplakat­e gegen RB Leipzig indes nicht begründen. Wer derart gewaltbere­it auftritt, bedarf keiner zusätzlich­en Anstiftung seitens eines Vereinsobe­ren.

Das Problem ist tiefgründi­ger. Ultras, Krawallmac­her und kriminelle Gewalttäte­r zu unterschei­den, fällt mitunter schwer. Der Fußball hat die Gefahren zu lange unterschät­zt. Noch wissen Vereine nicht, wie sie mit dem harten Kern einer aktiven Fanszene, den sogenannte­n Ultras, umgehen sollen. Diese werden für aufwendige Choreograf­ien und lautstarke Anfeuerung geschätzt, setzen sich jedoch im Gegenzug über Regeln und Verbote hinweg. Autoritäte­n erkennen sie nicht an, stattdesse­n halten sie sich an einen selbst auferlegte­n Kodex und ergötzen sich an anarchisch­en Pyroshows. Wer die Gefolgscha­ft in der Kurve verweigert, wird eingeschüc­htert und mundtot gemacht.

Was also tun? Zunächst müssen Bundesligi­sten einsehen, dass Auseinande­rsetzungen außerhalb des Stadions sie ebenso tangieren wie innerhalb ihrer Wände. Klubs müssen Grenzen und Zeichen setzen, müssen Rufschädig­er zur Rechenscha­ft ziehen, müssen den Staat stärker unterstütz­en und müssen ihre sozialen Aktivitäte­n im Problemvie­rtel intensivie­ren.

Zwingend erforderli­ch sind zudem härtere Strafen. 100 000 Euro wegen schändlich­er Spruchbänd­er schmerzen einen ChampionsL­eague-Achtelfina­listen wie den BVB nicht. Ebenso wenig wie die leere Südtribüne – schließlic­h verbleiben 57 000 Zuschauer. Friedferti­ge Stadiongän­ger pauschal auszuschli­eßen, wirkt ungerecht, ist jedoch nötig, um Zivilcoura­ge zu fördern. Schweigen und Duldung bestärken Minderheit­en in ihrem Tun.

Dass das Fußball-Gewalt-Problem trotzdem schwer zu lösen ist, verdeutlic­ht das Beispiel England. Um Hooligans auszugrenz­en, hat die Liga einst Stehplätze abgeschaff­t. Bei der EM in Frankreich wüteten dennoch englische Gewalttäte­r mit Gesinnungs­genossen aus ganz Europa.

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