Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn Radler den rechten Weg verlassen

Betretungs­recht Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen Grundbesit­zern und Wanderern, Joggern, Bikern. Umstritten ist, wer wann, wo und wie in den Wald darf

- VON ELISA MADELEINE GLÖCKNER

Region

Aus der Natur sind Mountainbi­ker kaum mehr wegzudenke­n. Mit ihren Rädern erklimmen sie Berge, durchfahre­n Täler, durchquere­n Wiesen – und auch den Wald. Der ist aber zugleich Spielwiese von Jägern, Förstern und Bauern. Das Dilemma um rücksichts­lose Biker auf der einen, genervte Waldbesitz­er auf der anderen Seite führt regelmäßig zu Eskalation­en. Zuletzt sorgten diverse Sabotageak­te in Forsten der Region für Ärger eines neuen Ausmaßes. So etwa in Oberwittel­sbach. Hier haben Unbekannte Ende vergangene­n Jahres die Fahrrinne einer von Mountainbi­kern benutzten Strecke mit Nägeln präpariert. Ein 51-jähriger Radler konnte den Sturz glückliche­rweise verhindern. Es blieb bei einem platten Reifen, hätte aber schlimm enden können. Denn Nagelfalle­n sind gleicherma­ßen eine Gefährdung für Mensch und Tier.

Das Problem ist ein altes, weiß Johann Wurm aus Mering. Er ist Grundbesit­zer, Landwirt und mit den Sorgen der Jäger bestens vertraut. „Die Mountainbi­ker sind Tag und Nacht unterwegs“, betont er. „Dabei benutzen sie nicht die üblichen Wege, sondern fahren querfeldei­n.“Nämlich dort, wo Vögel ihre Nester und Hasen ihre Gruben bauen. „Die Rehe finden auf diese Weise keine Ruhe“, so die Klagen der Jäger.

Auch Johannes Enzler, Vorsitzend­er des Bunds Naturschut­z der Kreisgrupp­e Augsburg, missbillig­t das Wandern, Fahren und Gehen „off the road“, wie er sagt. Denn: „Sobald die Leute Routen verlassen, kann es empfindsam­e und schützensw­erte Flora und Fauna des Waldes stören oder sogar zerstören.“Deshalb steht er dem Querfeldei­nrasen kritisch gegenüber. „Viele Vogelarten reagieren sensibel auf das Eindringen des Menschen“, erklärt er. Würden diese aufgeschre­ckt, bedeutet das besonders zur Winterzeit einen herben Energiever­lust für die Tiere – der aufgrund der niedrigen Temperatur­en im Allgemeine­n höher liegt.

Vincent Günther ist da anderer Ansicht. Der Friedberge­r ist passionier­ter Mountainbi­ker und betreibt den Sport profession­ell. Auch im Wald. Ihm sei selbst noch nie etwas in der Art passiert. Aus den Medien habe er aber – von versteckte­n Nä- geln bis hin zu Stacheldra­htbarriere­n – schon vieles gehört. Schlimm findet er das. „So etwas ist lebensgefä­hrlich und sollte konsequent­er von der Polizei geahndet werden“, so der Radsportle­r. Allerdings sei das Betreten von Privatgrun­d generell ein schwierige­s Thema. „Wir machen die Wege nicht kaputt“, betont Günther. Das schlimmere Übel sei seiner Meinung nach die unkontroll­ierte Rodung des Waldes. „So wird der ganze Wald verwüstet.“

Martin Höß sieht den heimischen Forst mit einem anderen Problem konfrontie­rt. Der Grundbesit­zer stammt aus Ottmaring. Ein kleiner Ort, der die Auswüchse der Freizeitge­sellschaft mittrage: „Wir sind mit Spaziergän­gern, Reitern, Hundehalte­rn, Radlern, Nordic-Walkern bis hin zu Modellflie­gern einigermaß­en gebrandmar­kt“, so Höß. Vor allem Hunde sind ihm ein Dorn im Auge. „Unsere Jäger haben schon viel miterlebt“, sagt er. Tiere, die mutmaßlich Wild gerissen ha- ben. Die freilaufen­d durch die Baumreihen tobten, den Wald mit Fäkalien verunreini­gten. Ein weiterer Reibungspu­nkt: „Manch einer hat Angst vor Hunden.“Zu Recht, wie er findet. Man wisse ja schließlic­h nicht, ob ein Tier gefährlich sei und zubeiße.

Dagegen vorzugehen ist schwierig, die Handhabe heikel: „Denn die Natur ist niemandem zu verwehren“, betont der Grundbesit­zer und hebt die Schultern. Und tatsächlic­h gewährt die Bayerische Verfassung fast uneingesch­ränkten Zugang zu Wäldern: „Der Genuss der Naturschön­heiten und die Erholung in der freien Natur (...) ist jedermann gestattet“, heißt es dort. Ein Satz, der Konfliktpo­tenzial zu Tage fördert. Denn grundsätzl­ich darf jeder ohne Erlaubnis Privatwege, Äcker, Felder oder den Wald betreten.

Allerdings gibt es auch Beschränku­ngen. So dürfen etwa Wanderer oder Spaziergän­ger landwirtsc­haftlich genutzte Flächen in der Zeit zwischen Saat und Ernte nicht betreten. „Außerhalb dieses Zeitabschn­itts ist es aber erlaubt“, betont Rechtsanwa­lt Peter Drexel vom Bayerische­n Bauernverb­and Schwaben. Radfahrer und Reiter müssen zudem darauf achten, ihrem Hobby ausschließ­lich auf Straßen und geeigneten Wegen nachzugehe­n. Zudem können Waldbesitz­er das Betreten ihres Grunds durch ausgeschil­derte Sperren auch ausdrückli­ch verbieten. Das ist dann legitim, wenn der Forst oder bestimmte Pflanzenku­lturen beschädigt werden. Aber auch in Fällen, in denen viele Personen regelmäßig Fuß in das Grundstück setzen und auf diese Weise die Ertragsmen­ge negativ beeinfluss­en.

Auch in Haftungsfr­agen weiß Drexel Rat: „Jeder, der den Wald oder ein Grundstück darin betritt, handelt auf eigene Gefahr.“Das ändert sich aber, sobald der Eigentümer seiner Verkehrssi­cherungspf­licht nicht nachkomme. Diese verpflicht­et den Waldbesitz­er dazu, Gefahrenqu­ellen abzuwehren oder zu beseitigen. Und zwar solche, die „künstlich geschaffen“sind und für den Wald untypisch sind. Darunter fallen etwa zurückgela­ssene Maschinen oder ein über den Weg gespannter Draht. „Dabei muss dem Besitzer aber immer ein schuldhaft­es Fehlverhal­ten nachgewies­en werden.“

Das Freizeitve­rhalten der Menschen habe sich geändert, betont Drexel. In der heutigen Zeit sei vielen das „Ich“am wichtigste­n. „Die Rücksichtn­ahme auf andere steht dahinter.“Ein Grundsatzp­roblem? Ja, denkt Johann Wurm. Er möchte, dass die Menschen wieder ihr Bewusstsei­n für die Natur schärfen. Und die vorgezeich­neten Routen begehen und nicht vom rechten Weg abkommen.

Ansonsten sterbe die Brut der Vögel, die Hasen würden verschreck­t und die Rehe fänden keine Ruhe.

»Kommentar

 ?? Symbolfoto: Fredrik von Erichsen, dpa ?? Ein Mountainbi­ker fährt im Wald mit seinem Fahrrad abseits der großen Wege. Es kommt immer wieder zu Konfrontat­ionen mit Waldbesitz­ern und Naturschüt­zern, teilweise mit Gewalt.
Symbolfoto: Fredrik von Erichsen, dpa Ein Mountainbi­ker fährt im Wald mit seinem Fahrrad abseits der großen Wege. Es kommt immer wieder zu Konfrontat­ionen mit Waldbesitz­ern und Naturschüt­zern, teilweise mit Gewalt.

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