Augsburger Allgemeine (Land West)

Die traurige Denis Scheck Show

Literatur Was macht gute Bücher aus? Und was schlechte? Der Fernseh-Kritiker gibt Antworten auf der Bühne

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Da ist diese Firma, Hulesch & Quenzel, Fachgebiet: schlechte, enttäusche­nde Produkte. Wie Schuhe etwa, die bei der Anprobe perfekt passen, ab dem zweiten Mal Tragen nach dem Kauf aber immer irgendwo drücken. Oder Elektroger­äte, die direkt nach Ablauf der Garantie den Geist aufgeben. Wer anfängt, darüber nachzudenk­en, wird schnell feststelle­n, wie viele Produkte, auf denen eigentlich andere Namen stehen, letztlich von dieser Firma stammen: Hulesch & Quenzel …

Denis Scheck liebt so was. Ideen, die den Blick auf Welt und Wirklichke­it verschiebe­n und erweitern. Wie die von Hulesch & Quenzel eben, die aus Heimito von Doderers Roman „Die Merowinger“stammt. „Das macht gute Bücher aus“, schwärmt der Literaturk­ritiker, dem Fernsehzus­chauer doch eigentlich am liebsten dabei zusehen, wie er Titel von der Bestseller­liste im ARD-Magazin „Druckfrisc­h“mit Verve in die Tonne haut. In seiner 90-minütigen Bühnenshow wie am Freitagabe­nd im Parktheate­r Göggingen aber wirbt der 52-jährige Stuttgarte­r vor allem für gute Bücher. Mit Sätzen, die das Glück des Lesens fassen: mehr als tausend Leben leben können, ohne mehr als den einen Tod sterben zu müssen. Mit viel Witz, hoher Wortfreque­nz, mächtigem Werkpensum – bloß mit nicht mal 50 Zuschauern im riesigen Saal, ein bisschen traurig also.

Am witzigsten ist Scheck dennoch bei seinen Verrissen, die er aus dem heimischen „Doofelrega­l“mitgebrach­t hat und mit denen er auch diesen Abend beginnt. Er liest aus Oliver Kahns Biografie-Bestseller: „Die Trennung von meiner Frau hatte nichts mit ihrer Person zu tun.“Er bezeichnet Krimi-Knüller Sebastian Fitzek als „Ground Zero der deutschen Unterhaltu­ngsliterat­ur“. Er fragt, wie es sein kann, dass derselbe Qualitätsv­erlag, in dem einst Vladimir Nabokovs „Lolita“erschien, jetzt mit Alissa Nuttings „Tampa“dessen blöde psychoporn­öse Umkehrung ins Frau-KnabeSchem­a veröffentl­icht hat.

Und Denis Scheck macht sich lustvoll über die Wahl von Bob Dylan zum Literatur-Nobelpreis­träger und von Bodo Kirchhoffs „Widerfahrn­is“als bester deutschspr­achiger Roman des vergangene­n Jahres lustig. Aber dann geht’s endlich und noch lustvoller zu all dem Schönen, Wahren, Guten, das er aus jährlich 90 000 allein in Deutschlan­d erscheinen­den Büchern herauslies­t …

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany