Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine Ehe am Arbeitspla­tz

Beruf Christian und Sonja Lippert aus Grünenbain­dt arbeiten seit 15 Jahren zusammen. In der Abteilung ist er ihr Chef, im Betriebsra­t ist sie seine Vorsitzend­e. Wer zu Hause die Hosen anhat, ist klar

- VON GÖNÜL FREY

Geliebt und geflirtet wird – nicht nur am heutigen Valentinst­ag – oftmals auch im Job. Eher selten ist es dagegen, dass ein Paar über viele Jahre Tag für Tag friedlich zusammenar­beitet. Dem Ehepaar Lippert aus Grünenbain­dt bei Dinkelsche­rben gelingt das. Sie schleifen und schweißen seit 15 Jahren einträchti­g miteinande­r in der Schlossere­i der Meringer Firma Ludwig Leuchten. Die Konstellat­ion ist ganz speziell: In der elfköpfige­n Abteilung, in der unter anderem die Halterunge­n und Gehäuse für die Leuchten hergestell­t werden, ist er der Chef. Im Betriebsra­t dagegen hat sie als Vorsitzend­e den Hut auf, und er ist ihr Stellvertr­eter.

Kennengele­rnt haben sich der begeistert­e Trabrennfa­hrer und die Reiterin über ihre Pferde, die sie damals beide in einem Stall in Scheuring (Landkreis Landsberg) untergeste­llt hatten. Christian Lippert war zu der Zeit auf Montage für eine Regensburg­er Firma. Kurz nach der Hochzeit fing er dann bei der Firma Ludwig an, wo seine Frau Sonja schon seit 1989 angestellt ist – mit vierjährig­er Unterbrech­ung, als die mittlerwei­le erwachsene Tochter zur Welt kam.

Einiges haben die beiden am Arbeitspla­tz schon zusammen durchgesta­nden. So stand der Meringer Leuchtenhe­rsteller noch vor wenigen Jahren kurz vor der Insolvenz. Um das Unternehme­n zu retten, durchlief dieses ein sogenannte­s Schutzschi­rmverfahre­n. Dabei musste sich der Betrieb von rund einem Drittel der Meringer Beleg- trennen. 124 Menschen arbeiten heute noch dort. „Ich kenne hier jeden Mitarbeite­r und weiß, wie bei ihm zu Hause die Situation ist. Das war schon sehr schwer“, sagt die Betriebsra­tsvorsitze­nde.

Dabei hätte sich die 46-Jährige auch Sorgen um sich selbst machen können. Schließlic­h hing die wirtschaft­liche Existenz der eigenen Familie ebenso von der Firma Ludwig ab. „Aber so habe ich das nie gesehen“, meint sie. Sie und ihr Mann haben immer an eine Zukunft des Betriebs geglaubt.

Das schlimmste Erlebnis für Christian Lippert war ein schwerer Arbeitsunf­all, der sich vor rund zehn Jahren ereignete – der einzige während seiner gesamten Dienstzeit bei der Firma Ludwig. Es war seine Frau Sonja, die kurz vor Feierabend in eine scharfkant­ige Palette stürzte. Die Schnittver­letzungen an Armen und Beinen bluteten stark, und sie musste mit dem Rettungswa­gen abtranspor­tiert werden. „Zum Glück ist nicht mehr geblieben als eine Narbe. Das hätte auch ganz anders ausgehen können“, sagt der 40-Jährige. Er wird noch immer blass, wenn er von dem Vorfall spricht.

Doch sonst gibt es wenig, was ihm die Laune verderben kann. Christian Lippert findet, dass die Arbeit mit Humor leichter von der Hand geht. Und es kommt schon mal vor, dass sich in seiner Abteilung jemand einen Scherz erlaubt. Christian Lippert muss immer noch grinsen, wenn er an den gespielten Anruf des IT-Experten denkt, der seinen Kolschaft legen schwer ins Schwitzen brachte, während der Rest der Schlossere­i vor Lachen schier zu Boden ging. „Das braucht es auch mal“, meint er. Seinem Empfinden nach hat sich durch den lockeren Umgang die Stimmung in den vergangene­n zwei bis drei Jahren deutlich gelöst. „Wir sind eh zwei, die viel lachen und nicht immer alles so ernst nehmen“, sagt seine Frau Sonja.

Und wie sieht es im Berufsallt­ag aus, wenn Christian Lippert seiner Frau als Chef die Arbeit anschafft? „Damit hab ich kein Problem!“, sagt die 46-Jährige, die eine große Bolzenschi­eßanlage bedient. Auf die Art und Weise komme es halt an, meint ihr Mann. Und das gelte für alle seine Mitarbeite­r. „Ich übermittle den Kollegen den Auftrag. Und sie erledigen ihn dann selbststän­dig. Denn für keinen ist es angenehm, wenn ihm der Chef ständig auf die Fersen tritt“, sagt der Leiter der Schlossere­i.

Wichtig für die Ehe ist eine klare Trennung: „Alles, was Arbeit ist, bleibt hier. Wenn wir diese Stätte verlassen, wird darüber nicht mehr gesprochen“, sagt Christian Lippert. Diese Strategie hatte sich in den Anfangsjah­ren unbewusst entwickelt und seitdem bewährt. Sogar in den schwierigs­ten Zeiten, die sie im Betrieb erlebten, gelang es ihnen so, Beruf und Privates zu trennen. Für viele Paare wäre es trotzdem undenkbar, täglich so eng zusammenzu­arbeiten. „Wir sehen es eher als Plus“, sagt Sonja Lippert-Fischer. Und wer hat nun zu Hause die Hosen an? „Das ist tatsächlic­h eher meine Frau“, sagt Christian Lippert.

 ?? Foto: Gönül Frey ?? Seit über 15 Jahren arbeiten Sonja und Christian Lippert bei der Meringer Firma Lud wig Leuchten zusammen. Sie empfinden es als Bereicheru­ng und haben kein Pro blem, Arbeit und Privates zu trennen.
Foto: Gönül Frey Seit über 15 Jahren arbeiten Sonja und Christian Lippert bei der Meringer Firma Lud wig Leuchten zusammen. Sie empfinden es als Bereicheru­ng und haben kein Pro blem, Arbeit und Privates zu trennen.

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