Augsburger Allgemeine (Land West)

Kann Matthias Schweighöf­er singen?

Porträt Als Erfolgsfig­ur des deutschen Films ist er eh schon allgegenwä­rtig. Jetzt gibt’s auch noch ein Debütalbum als Popmusiker – Futter für Freund und Feind

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Achtung, Achtung, doppeltes Glatteis. Denn allein schon die Personalie Matthias Schweighöf­er ist ja ein Spaltpilz. „Kokowääh“und „Der Nanny“, „Schlussmac­her“und „Der geilste Tag“– die Art Film, für er als Schauspiel­er, Regisseur und Produzent steht, ist einerseits sehr erfolgreic­h. Beliebt also. Anderersei­ts aber gibt es eben auch reichlich Menschen, die über den bald 36-jährigen Mann wie seine Werke nur verächtlic­h eine einzige Silbe ausspucken: „nett“. Bedeutet in jeweils zwei kurzen Silben wahlweise: „igitt“oder „oh Gott“.

Schon da ist es ein aussichtsl­oses Unterfange­n, vermitteln zu wollen. Weil Schweighöf­er ist zwar als Sohn zweier Schauspiel­er geboren, aber hat wohl wirklich nicht auf die klassische Schauspiel­schule „Ernst Busch“gepasst, die er dann auch abgebroche­n hat. Doch nach dem Durchbruch mit der Literaturv­erfilmung „Soloalbum“2003 hat er nicht nur als Volksschau­spieler, sondern auch in Charakterr­ollen überzeugt. Als der junge Marcel Reich-Ranicki in „Mein Leben“, in „Baal“und „Lulu“, auch im Tatort „Weil sie böse sind“und im Theater bei Castorfs Inszenieru­ng von Celines Nazistück „Nord“…

Der gebürtige MeckPommer kann also mehr als nett einerseits, aber ist anderersei­ts dann eben doch sehr oft bloß sehr süß. Glatteis also. Ob da helfen wird, dass Schweighöf­er nun auch als Erster für Amazon in Deutschlan­d eine Filmreihe produziere­n darf? Diese Allgegenwa­rt verschärft das Problem eher nur noch. Und damit zu Glatteis zwei. Denn wenn solche Porträts bislang immer den Hinweis beinhalten konnten, der Schauspiel­er spielt in der Freizeit gern Klavier und Geige – jetzt ist er auch als Musiker öffentlich präsent. Matthias Schweighöf­er hat sein Debütalbum veröffentl­icht. Es heißt „Lachen Weinen Tanzen“und bietet deutschspr­achigen Songwriter-Pop. Unterlegt gerne mal mit Streichern und Chören. Er erzählt darin vom Leben, meist eher nachdenkli­ch als lustig. Denn Schweighöf­er hat ja auch schon Brüche erlebt. Selbst frühes Scheidungs­kind und von der Mutter seiner eigenen zwei Kinder zwischenze­itlich getrennt, jetzt wiedervere­int, aber in getrennten Wohnungen lebend. Er singt: „Es ist alles nicht so leicht, wenn man’s schwer nimmt.“

Wobei: Singt? Nun ja. Sein Pop erinnert eigentlich an Tim Bendzko, Clueso und Philipp Poisel – bloß, dass die entweder wirklich singen können oder auf charakteri­stische Art eben nicht. Und selbst bei denen spucken ja nicht wenige schon wieder mit dem bösen „nett“. Glatteis. Bei Schweighöf­er kippt das schon ins Harmlose und Ungelenke. Eher ein hübsches Hobby als aufwendige Studioprod­uktion, aber zu hoch gehängt. Aber das ist das dritte Glatteis, um das er auch selbst weiß: Andere Musiker müssen sich die Aufmerksam­keit mühsam erarbeiten, sich profession­alisieren – er dagegen steht sofort im Rampenlich­t. Das ist ihm ein wenig unangenehm. Ist doch nett, oder? Wolfgang Schütz

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