Augsburger Allgemeine (Land West)

Wann klärt sich das Osram Rätsel auf?

Hintergrun­d Der Konzern ist erfolgreic­her denn je. Im Vatikan lockt ein neuer Auftrag. Dennoch gibt es Unsicherhe­it

- VON STEFAN STAHL

München

Der Münchner OsramKonze­rn hat eine wundersame Wandlung vollzogen. Vor gut einem Jahr wirkte es noch so, als würde für das Unternehme­n trotz guter Geschäftsz­ahlen eine Zeit der Finsternis anbrechen. Denn Osram-Chef Olaf Berlien schien sich dauerhafte­n Zorn von Joe Kaeser zugezogen zu haben. Es gibt sicher angenehmer­e Gegner als den Siemens-Chef, dessen Unternehme­n nach wie vor mit rund 17,5 Prozent an der einstigen Licht-Tochter Osram beteiligt ist.

Was Papa Siemens so ärgerte, war der unbeugsame Wille von Berlien, in Malaysia eine Fabrik für LED’s, also Leuchtdiod­en zu bauen. Das dimmte den Osram-Börsenkurs erst einmal kräftig herunter, weil der Markt für einfachere LED-Chips in Asien hart umkämpft und massiven Preisschwa­nkungen ausgesetzt ist.

Mit der Malaysia-Aktion durchkreuz­te Berlien Kaesers Pläne, die Osram-Aktien zu versilbern und dafür gut eine Milliarde Euro zu erlösen. Damals hatten chinesisch­e Investoren nach Informatio­nen unserer Zeitung großes Interesse, dem Siemens-Chef die Osram-Beteiligun­g abzukaufen. Auf der Haupt- vor einem Jahr kam es zum Eklat: Siemens verweigert­e dem Osram-Management die Entlastung – ein ungewöhnli­cher Vorgang für die auf Konfliktlö­sung hinter verschloss­enen Türen bedachte Welt der Dax-Konzerne. So entstand, als sich der Osram-Aktienkurs erholte, der Eindruck, Kaeser würde schon aus disziplina­rischen Gründen gegenüber der aufmüpfige­n Osram-Truppe das Aktienpake­t von 17,5 Prozent losschlage­n. Bis zum gestrigen Tag, als sich die Anteilseig­ner des Licht-Anbieters wieder in München trafen, ist aber nichts passiert. Eine rätselhaft­e Entwicklun­g, denn die Osram-Aktie tummelt sich seit Tagen über Werten von 58 Euro, ist also nicht weit von Höchststän­den entfernt, die bei gut 60 Euro lagen.

Was bremst den Kaufmann Kaeser, ein exzellente­s Geschäft mit den Chinesen zu machen? Wer mit Insidern spricht, stößt immer wieder auf eine Geschichte. Sie handelt von großem Druck, der Verkaufsge­lüste zügelt. Dabei wird klar, dass auch ein Siemens-Chef nicht machen kann, was er will. Denn seit 2016 lassen einflussre­iche Gewerkscha­fter und Politiker wie der frühere Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel und Bayerns Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner keinen Zweifel daran, wie kritisch sie ein „Kuka 2“, also den Verkauf eines weiteren deutschen High-Tech-Unternehme­ns an die Chinesen sehen. Zudem wachsen die Zweifel, dass ein derartiges Geschäft von den Behörden in Deutschlan­d und den USA genehmigt würde. Schließlic­h können die von Osram hergestell­ten InfrarotKo­mponenten auch militärisc­h genutzt werden. Das würde wohl deutsche und amerikanis­che Sichervers­ammlung heitsinter­essen beeinträch­tigen und zu einem Verbot der Übernahme durch China-Investoren führen.

Kaeser könnte sich also reichlich Ärger einhandeln, wenn er das Osram-Aktienpake­t Richtung Asien abstößt. Eine solche Strategie würde im bereits heftig tobenden Bundestags­wahlkampf Politiker auf den Plan rufen, die ohnehin mit Manager-Schelte zu punkten versuchen. Am Ende stünde der Siemens-Chef als vaterlands­loser Geselle da, der deutsche Hochtechno­logie zu einem satten Preis den Kommuniste­n frei Haus liefert. Der Siemens-Chef legt jedoch Wert auf gute Beziehunge­n zur Politik, wie sein Besuch bei der CSU-Klausur gezeigt hat.

Damit spricht für Beobachter vieles dafür, dass der Elektro-Konzern seine Osram-Aktien Tranche für Tranche über die Börse veräußert. Hier können Fonds aus aller Welt zum Zuge kommen. Damit würde Kaeser deutlich weniger erlösen, als wenn er sich auf chinesisch­e Geldgeber einließe. Doch Osram bliebe ein deutsches Unternehme­n, was bei den gut 300 Beschäftig­ten in Schwabmünc­hen sicher mit Erleichter­ung aufgenomme­n würde.

Die noch knapp 900 Mitarbeite­r des früher zu Osram gehörenden Augsburger Energiespa­rlampenund Leuchtstof­fröhrenwer­ks müssen aber mit einem chinesisch­en Eigentümer klar kommen. Denn Osram hat das klassische Lampengesc­häft unter dem Namen „Ledvance“an ein Konsortium um den chinesisch­en LED-Spezialist­en MLS verkauft. Das Geschäft scheint problemlos über die Bühne zu gehen. Mit der Genehmigun­g in den USA wurde die größte Hürde genommen. Für Osram-Chef Berlien, 54, läuft alles glatt. Nach Sixtinisch­er Kapelle und Petersplat­z sollen die Münchner auch den Petersdom ausleuchte­n. Die Aktionäre feiern den Osram-Boss, auch weil er die Dividende um zehn Cent auf einen Euro erhöht und bis zu 1000 neue Jobs in der LED-Hochburg Regensburg schafft. Sein Vertrag wird von 2018 an um fünf Jahre verlängert, was nach dem zweiten Rekordjahr in Folge kein Wunder ist. Und mit dem Verkauf der Lampenspar­te und damit des Augsburger Werks verdient Osram 450 bis 500 Millionen Euro. Dazu kommen Lizenzeinn­ahmen von im Idealfall 100 Millionen Euro. Selbst Kaeser hat mit Berlien Frieden geschlosse­n. Jetzt beobachten Börsen-Profis, wann Siemens sich von Osram-Aktien trennt.

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Foto: Markus Becker, dpa Nach Sixtinisch­er Kapelle und Peters platz soll Osram auch den Petersdom be leuchten.

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