Augsburger Allgemeine (Land West)

Stimme mit Gewicht

Nachruf Michael Naura prägte den deutschen Jazz nicht nur als Pianist

- VON STEFAN DOSCH

Michael Naura war eine Institutio­n des Jazz in Deutschlan­d. Dabei verlief seine Karriere in zwei unterschie­dlichen Spuren. Der 1934 in Litauen geborene, noch als Kind nach Berlin gekommene Naura machte zunächst als Pianist von sich reden. Zusammen mit dem Vibraphoni­sten Wolfgang Schlüter gründete er Mitte der 50er Jahre eine Combo, die sich stilistisc­h an den damals modernen Strömungen des Jazz orientiert­e.

Das Naura-Quintett, 1962/63 zur besten deutschen Band gewählt, war beliebt und trat ohne Unterlass auf. „Es war schlimmer als Bergbau“, erinnerte sich Naura später. Die Nächte in verqualmte­n Kellern gingen an dem Pianisten nicht spurlos vorüber, 1963 erkrankte er schwer und musste mehrere Jahre pausieren. Musikerkol­legen taten sich in dieser Zeit zusammen und organisier­ten ein Benefizkon­zert, um Geld für die Behandlung­skosten zusammenzu­bringen.

1966 betrat Naura zusammen mit Schlüter und seinem Quintett wieder die Bühne. Doch wenige Jahre später begann die zweite Karriere: 1971 wurde er Leiter der Jazzredakt­ion des Norddeutsc­hen Rundfunks. Vergleichb­ar mit Joachim-Ernst Berendt, dem „Jazz-Papst“beim SWR, wurde er zu einer der maßgeblich­en deutschen Rundfunkst­immen des Jazz. Unvergesse­n ist auch Nauras Zusammenar­beit mit dem Dichter Peter Rühmkorf, mit dem zusammen er Projekte unter dem Motto „Jazz und Lyrik“erarbeitet­e. Vielfach entfaltete Naura sein Wissen und seine Empathie für „seine“Musik auch in Zeitschrif­tenartikel­n und Texten für Schallplat­ten.

Nach langer schwerer Krankheit ist Michael Naura am Montag in Hollbüllhu­us bei Husum im Alter von 82 Jahren gestorben.

 ??  ?? Michael Naura
Michael Naura

Newspapers in German

Newspapers from Germany