Augsburger Allgemeine (Land West)

Hoffentlic­h bricht der Damm nicht

Oroville Stausee Experten können vorerst eine Flutwelle verhindern. Für Zehntausen­de gibt es dennoch keine Entwarnung. Der nächste Regen hat möglicherw­eise katastroph­ale Folgen

- VON THOMAS SEIBERT

Als der Evakuierun­gsbefehl am Sonntagabe­nd kam, packten Pat und Keith Dailey ihre Siebensach­en und ihre vier Hunde und sprangen ins Auto. „Es ist furchtbar“, sagt Keith Dailey dem Sender KGO im US-Bundesstaa­t Kalifornie­n nun. Das Ehepaar und ihre Hunde schlafen im Auto, eine Rückkehr in ihr Haus nahe des OrovilleSt­audamms ist für sie wie für etwa 200000 andere Bewohner der Gegend vorerst ausgeschlo­ssen.

Die Behörden befürchten, dass eine zehn Meter hohe Flutwelle aus dem Stausee hinter dem Damm ins Tal donnern könnte. Bis zu 30 Kilometer weit könnte sich die Reichweite der Flutwelle erstrecken. Experten arbeiten an Notlösunge­n – doch der nächste Regenguss könnte zur Katastroph­e führen. Dabei hatte Kalifornie­n nach langer Dürre auf Regen und Schnee in diesem Winter gehofft. Tatsächlic­h gab es in den vergangene­n Wochen und Monaten so viel Niederschl­ag, dass die Staudämme in den Bergen gut gefüllt sind. Doch der Segen wird am Oroville-Damm, dem mit 235 Metern höchsten der USA, zum Fluch.

Die Gefahr geht nicht vom eigentlich­en Damm aus, sondern von einem Überlaufka­nal daneben. Die ins Tal führende Betonrinne weist ein Loch von der Größe eines Fußballfel­des auf, sodass das Wasser aus dem fast überfließe­nden Stausee in einer Kaskade in den Feather-River am Fuß des fast 50 Jahre alten Dammes schießt. Hier besteht die Gefahr, dass weitere Teile der Rinne zerstört werden. Zum ersten Mal seit dem Bau des Oroville-Dammes wird wegen des hohen Wasserpege­ls möglicherw­eise ein Notabfluss neben dem Überlaufka­nal genutzt. Aber Fachleute befürchten, dass der Betonrand des Stausees brechen und sich das Wasser unkontroll­iert ins Tal ergießen könnte.

Erst am Sonntag war den Behörden das ganze Ausmaß der Erosionen an den Überlaufri­nnen aufgefalle­n – daher auch die Ausrufung des Notstandes für mehrere Bezirke und die überstürzt­en Evakuierun­gen. Eilig und mithilfe von Baggern und Hubschraub­ern versuchen Bautrupps jetzt, die Löcher in der Abflussrin­ne mit Felsbrocke­n notdürftig zu verschließ­en. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Am Montagaben­d lag der Wasserpege­l des Stausees weniger als drei Meter unter der Marke, bei der das Wasser über den Notabfluss ins Tal schießen wird. Um den Pegel nicht weiter ansteigen zu lassen, wurden vorübergeh­end fast 3000 Kubikmeter Wasser pro Minute über den beschädigt­en Überlaufka­nal abgelassen.

Bis der von Meteorolog­en erwartete neue Regen in der Gegend fällt, soll der Wasserpege­l hinter dem Damm auf diese Weise um knapp 20 Meter gesenkt werden, sodass der Stausee genug Kapazität hat, um den erwarteten Niederschl­ag aufzufange­n. Ob das gelingt, weiß niemand. Die USA Today meldete, möglicherw­eise würden die in Sicherheit gebrachten Menschen erst in zwei Wochen wieder in ihre Häuser zurückkehr­en können. Katastroph­enhelfer verteilen Wasser und Decken an die Betroffene­n, von denen die meisten keine Zeit hatten, genügend Proviant und Kleider für eine längere Zeit einzupacke­n.

 ?? Foto: Randy Pench, dpa ?? Die Luftaufnah­me vom Montag zeigt den zerstörten Überlauf des Oroville Staudamms in Kalifornie­n. Aus Angst vor einem Bruch wurden etwa 200 000 Anwohner aus dem Ge biet um den Damm vorsorglic­h aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen.
Foto: Randy Pench, dpa Die Luftaufnah­me vom Montag zeigt den zerstörten Überlauf des Oroville Staudamms in Kalifornie­n. Aus Angst vor einem Bruch wurden etwa 200 000 Anwohner aus dem Ge biet um den Damm vorsorglic­h aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen.

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