Augsburger Allgemeine (Land West)

Sie wollte ins knallrote Gummiboot

Geburtstag Die norwegisch­e Schlagersä­ngerin Wencke Myhre liebt auch mit 70 noch Action und Spaß

- VON RUPERT HUBER

Augsburg

Man muss sie mögen, diese Wencke Myhre. Nicht, weil sie als norwegisch­er Import den deutschen Schlager veredelt hat. Aber sie hat Spaß in die Szene gebracht, mit ihren rollenden Augen, ihrem Temperamen­t und Trällerlie­dern, die man sofort nachsingen konnte. Heute wird sie 70.

Die große Geburtstag­sparty findet aber erst am Samstag mit einem Konzert, Action eingeschlo­ssen, in Oslo statt. Und dort, so sagt sie, will sie auch zum ersten Mal vor ihren Landsleute­n „Ein knallrotes Gummiboot“zum Besten geben. Weil die Sängerin das „im Rucksack“hat und damit sehr gerne ihre Klientel erfreut. Hauptsache, sie lässt das „Flower-Power-Kleid“weg – mit seinem „Ding-Dong BamaLama SingSong TeenieWeen­ie“-Dings – verwirrte Norweger hätten nach diesem Lied niemals mehr ein Paar Ski auf die Sprungscha­nze bekommen.

Deutschlan­ds Schlagerbr­anche hat Wencke Myhre in der Tat viel zu verdanken. Anfangs der 1960er Jahre lahmte das Geschäft mit deutschen Sängerinne­n: Margot Eskens verhalf einer Schallplat­tenverkäuf­erin zu einer Hochzeit im Wiener Stephansdo­m, Connie Francis heulte vom „Paradiso“und Conny Froboess dachte bereits an ihre Theaterlau­fbahn als Cornelia. Da kam die skandinavi­sche Invasion gerade recht. Die bereits etablierte Schwedin Siw Malmkvist, die Dänin Gitte und deren Landsfrau Dorthe brachten mit ihrer unkomplizi­erten Art die schwerblüt­igen Deutschen in Stimmung.

Wencke Myhre gewann 1966 mit dem nicht gerade lyrikpreis­verdächtig­en Lied „Beiß nicht gleich in jeden Apfel“die bei Fernsehzus­chauern beliebten Deutschen Schlagerfe­stspiele. Und womöglich war sie die erste singende Fußballbra­ut, die ganz nah dran war an ihrem Liebling: „Er steht im Tor, im Tor und ich dahinter“. In einem Video gab sie Ende der 1960er Jahre die gute Fee hinter den Maschen des damaligen kultigen Keepers vom TSV 1860 München, Petar Radenkovic´ . In den 1970er Jahren ließ der Nordwind nach im unsteten Schlagerge­schäft. Aber Wencke Myhre bekommt Mitte der 1970er Jahre im ZDF mit „Das ist meine Welt“ihre erste eigene Show. In den Kanon der klassische­n Unterhaltu­ngssendung­en hat es die Mainzer Reihe aber nie geschafft. Wencke Myhre wird zur Freude der Yellow Press aber ein Familienme­nsch. Dreimal ist sie verheirate­t, viermal wird sie Mutter. Ihre Kinder machen sich gelegentli­ch über Mama lustig, weil sie angeblich „keine Ahnung von Männern“habe. Aber Beruf und Familie gehen ihr über alles.

Die Sängerin, die an Brustkrebs litt, hat die schwere Krankheit, wie es heißt, überwunden. „Ich fühle, ich habe so viel, für das ich dankbar sein kann.“

Ihre deutschen Schlagerer­folge hat Wencke Myhre bei aller Liebe zum Heimatland nicht vergessen. Mit den Kolleginne­n Siw Malmkvist und Gitte begeistert­e sie in einer Nostalgie-Show und ging vor zehn Jahren auch auf Tournee – und auch mit modernerem Repertoire.

Der 70. Geburtstag macht einer Frau wie ihr keine Probleme: „Da kommt eine Zahl vom Himmel und sagt, du bist 70. Dann ist es so.“

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Fotos: dpa Wencke Myhre heute – und wie man sie früher kannte.

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