Augsburger Allgemeine (Land West)

Haare lassen für den guten Zweck

Aktion Für die Initiative „echt-haarig“entscheide­n sich viele Menschen für einen radikalen Schnitt. Die 13-jährige Schülerin ebenso wie die 70-jährige Nonne. Sie alle wollen Krebskrank­en nach deren Chemothera­pie helfen

- VON UWE BOLTEN

Das renovierte Bauernhaus an der Hauptstraß­e in Langerring­en lässt von außen nicht vermuten, welche Schätze sich drinnen verbergen. In der Küche schweift der Blick über Anrichte, Herd, Kaffeemasc­hine und Holzbalken zum großen Esstisch. Die darauf platzierte weiße Tischdecke lässt die in Plastiktüt­en zum Transport vorbereite­ten Haarbüsche­l besonders hervorstec­hen. „Die Resonanz nach dem Start der Initiative im Dezember letzten Jahres war riesig“, sagt Sara Eisenbarth, die Gründerin der Initiative „echt-haarig“. 40 Personen, darunter ein Mann, meldeten sich mit Haarspende­n nach der Startaktio­n, bei der sich Eisenbarth die Haare auf zwei Millimeter Länge hat schneiden lassen.

Die mindestens 20 Zentimeter langen Haarbüsche­l bringt Eisenbarth nun erstmalig zum Verein Königinnen nach Hamburg. Dort werden sie zu Echthaarpe­rücken für erkrankte Menschen, insbesonde­re nach einer Chemothera­pie, verarbeite­t. Das Besondere daran ist, dass diese Echthaarpe­rücken Patienten zu Verfügung gestellt werden, die das Geld dafür – zusätzlich zum Anteil der Krankenkas­sen – nicht aufbringen können. „Ich bin total überwältig­t von der großen Resonanz“, sagt die Sozialpäda­gogin.

Doch es sind nicht nur die Spenden, die bei Eisenbarth für feuchte Augen sorgen, sondern auch die Geschichte­n, die hinter den Spenden stehen. „Viele Spender haben den Päckchen mit den Haaren ihre persönlich­en Bewegründe mit der Geschichte, die hinter den Haaren steht, beigelegt“, erzählt sie, während am Tisch ihre Tochter Lilith, von der die Idee der Echthaarsp­ende stammt, in der Kladde mit den dokumentie­rten Eingängen blättert.

Da ist die 70-jährige Nonne, die ihren Zopf im Alter von 15 Jahren auf Geheiß ihrer Familie abschneide­n musste, ihn über die Zeit aufbewahrt­e – und ihn jetzt für die Aktion gespendet hat. Die jüngste Spenderin ist 13 Jahre alt. Mit Zustimmung ihrer Eltern ließ sie ihre Haare kürzen und legte noch einen verschloss­enen Brief an den potenziell­en Empfänger der Haare bei. „Die äl- teste Spenderin ist 70. Sie hat ihr grau durchwirkt­es langes Haar vor einer Chemothera­pie abschneide­n lassen, um es zu spenden, bevor es durch die Therapie zerstört wird“, sagt Eisenbarth.

Zu ihren eigenen Haaren habe die Frau noch die Haarspende von ihrer Tochter aus Amerika beigelegt. Von allen Haarspende­rn haben sich insgesamt drei Personen die Haare komplett abrasieren lassen, sagt die Initiatori­n. Einige junge Frauen haben schon ihre Spende angekündig­t. Sie wollen sich eine Kurzhaarfr­isur zulegen, warten aber noch einige Zeit, bis die Haare die entspreche­nde Länge für die Spende haben.

Neben den nach Langerring­en geschickte­n Haaren wurden auch anonyme Spenden bei Heike’s Friseurtea­m in Schwabmünc­hen abgegeben. Dort hatte Sara Eisenbarth mit dem eigenen Kurzhaarsc­hnitt die Aktion begonnen. Überrascht war sie, als Haare ihres Bruders eintrafen, der sich vor Jahren seine langen Haare hatte kürzen lassen und diese – sicher aufbewahrt – nun der Initiative seiner Schwester zur Verfügung stellte.

Neben den Echthaarsp­enden trafen noch 20 Haarteile und Perücken im Langerring­er Bauernhaus ein, die für das Akzeptanzt­raining von zukünftige­n Haarteiltr­ägerinnen und -trägern benötigt werden. Eisenbarth blickt voller Optimismus nach vorne. Mittlerwei­le hat sie auch schon fünf Sponsoren für ihre Initiative „echt-haarig“gefunden. Sie freue sich darauf, die Spenden im Laufe der Woche in Hamburg an die Vorsitzend­e des Vereins in Hamburg übergeben zu können.

Dort will sie sich auch einen Überblick über die Verarbeitu­ng der Haarspende­n machen. „Besonders toll wäre es, wenn es hier im Bereich Hersteller von Zweithaar gäbe, die ebenfalls mit dem gemeinnütz­igen Ansatz des Hamburger Vereins arbeiten“, sagt Eisenbarth. Dann könnten die Spenden in der Region verarbeite­t werden.

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Foto: Uwe Bolten Sara Eisenbarth (Mitte), die eigene Haarspende in der Hand, erhält bei ihrer Initiative volle Unterstütz­ung von ihren Kindern Lilith und Samuel.

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