Augsburger Allgemeine (Land West)
Angeklagter fliegt aus dem Gerichtssaal
Prozess Ein Anhänger der Reichsbürger versucht, die Justiz mit Fragen aus der Fassung zu bringen. Sein Abgang aus der Verhandlung wird wohl Folgen haben
Ausgefuchste Strafverteidiger können die Justiz ganz schön in die Bredouille bringen, wenn sie klug auf der Klaviatur der Strafprozessordnung spielen. Juristische Laien hingegen fallen beim Versuch, Sand ins Getriebe der Rechtssprechung zu streuen, meist auf den Bauch. Angeklagte, die der sogenannten Reichsbürgerbewegung nahestehen, also jener Spezies, die den deutschen Staat ablehnt, gehören oft zur letzten Kategorie – wie ein Prozess bewies, bei dem ein 44-Jähriger die Justiz vorführen wollte.
Staatsanwalt Markus Eberhard warf ihm vor Strafrichterin Ulrike Ebel-Scheufele versuchte Erpressung vor. Wie in etlichen Verfahren gegen Anhänger der Reichsbürgerbewegung ging es auch in diesem Fall um „Schadensersatzforderungen“gegen eine Gerichtsvollzieherin, die bei dem Angeklagten im Rahmen einer Zwangsvollstreckung ausstehende Rundfunkgebühren hatte eintreiben wollen.
Der 44-Jährige hatte in einem Schreiben angekündigt, er werde bei jeder Maßnahme der Fortsetzung der Zwangsvollstreckung Schadensersatz zwischen 5000 und 20000 Euro einfordern. Gegen einen Strafbefehl des Amtsgerichts über eine Geldstrafe von 1600 Euro (40 Tagessätze zu je 40 Euro) hatte der 44-Jährige Einspruch eingelegt. Zunächst beantragte er, einen von mehreren offenkundigen Unterstützern, die erschienen waren, als Protokollanten zuzulassen, der sich mit Schreibutensilien neben ihn setzen wollte – was das Gericht freilich ablehnte. Begründung: Die Strafprozessordnung sehe das nicht vor.
Dann begann der Angeklagte, der ohne Anwalt gekommen war, „grundsätzliche Fragen“zu stellen. Angeklagten wegen Störung der Ordnung aus dem Sitzungssaal zu entfernen – was auch geschah. Kommentar des 44-Jährigen dazu: „Das ist schlimmer als bei den Nazis.“Und: „Roland Freisler (berüchtigter Richter am Nazi-Volksgerichtshof, die Red.) hätte seine helle Freude daran.“Ein Abgang, der wohl ein weiteres Strafverfahren nach sich ziehen wird.
Der Prozess ohne den Angeklagten war dann schnell beendet. Richterin Ebel-Scheufele verhängte wegen versuchter Erpressung eine Geldstrafe von 2000 Euro – zehn Tagessätze mehr als im Strafbefehl ausgewiesen war. Der pseudo-juristische Auftritt des 44-Jährigen hat sich also nicht gelohnt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.