Augsburger Allgemeine (Land West)
Opel wird zum Politikum
Übernahmepläne Wie der französische Premierminister noch am Montag gegenüber Kanzlerin Merkel schwieg. Deutsche Regierungsvertreter sind verärgert. Und selbst Manager des Auto-Herstellers wurden spät informiert
Seit Jahrzehnten leiden die Opel Beschäftigten
Wenn der Verkauf an den französischen PSA-Konzern nicht seit Dienstag drohend im Raum stünde, hätte auch der gestrige Mittwoch ein Tag der Schadenfreude für Opel-Beschäftigte sein können. Schließlich bietet der übermächtige deutsche Konkurrent Volkswagen wieder einmal Grund zum Schmunzeln. Denn VW sucht in Ostfriesland – und das ist kein Witz von Otto – 20000 Parkplätze für fabrikneue Passat-Fahrzeuge aus dem Werk in Emden. Und das, weil es Nachschubprobleme bei Klappen für Handschuhfächer gibt. Jetzt hat VW auch noch ein Handschuhfächer-Klappenproblem.
Nun, so will es das VolkswagenPech, können die Passat-Fahrzeuge, weil die Produktionshalle eines Lieferanten in Tschechien brannte, vorerst nicht komplett ausgestattet werden. Vorübergehend werden die Fahrzeuge also zwischengeparkt.
Häme müssen die ohnehin seit Jahrzehnten leidgeprüften Opel-Beschäftigten nun aber selbst erdulden. Das Handelsblatt titelt, Opel werden „umgeparkt“. Käme es so weit, säßen die Franzosen am Steuer. Doch auf deutscher Seite wird Druck erzeugt. So hat sich die Bundesregierung in die Verhandlungen um eine mögliche Übernahme durch den Autokonzern PSA Peugeot Citroën eingeschaltet. Sie pocht auf den Erhalt heimischer Standorte und Jobs bei dem Autobauer.
Das Bundeskanzleramt, Verkehrsminister Alexander Dobrindt, Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries und Arbeitsministerin Andrea Nahles führten nun Gespräche mit der französischen Regierung, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Kanzlerin Angela Merkel werde dabei „über alle Schritte stets im Bilde sein“. Zunächst müssen die Fachminister ran. Eine offizielle Anfrage der PSA-Spitze für ein Gespräch mit Merkel gibt es noch nicht.
Die Bundesregierung wurde von den Übernahme-Plänen überrascht. Regierungsvertreter sind verärgert, weil sie von den Unternehmen und offensichtlich auch von der französischen Regierung vorab nicht informiert wurden. Es ist schon ein bemerkenswerter Vorgang unter Freunden: Am Montag ist der französische Premierminister Bernard Cazeneuve in Berlin zu Gast bei der Kanzlerin. Für die Fotografen wird gelacht und geschmeichelt, alles scheint in bester Ordnung zu sein. Ein paar Stunden später fällt Merkel aus allen Wolken. Denn über ein heißes Eisen, das nun die Politik und die Autowelt bewegt, verliert Cazeneuve gegenüber der mächtigsten Frau der Welt kein Wort: die mögliche Übernahme von Opel durch die Franzosen. Die Bundesregierung erfährt davon dem Vernehmen nach aus den Medien. Der Fall „Opel“– so viel ist schon jetzt klar – wird zum Wahlkampfthema in Deutschland. Dass Cazeneuve von den fortgeschrittenen Verhandlungen zwischen General Motors und PSA nichts wusste, wird als ziemlich ausgeschlossen bezeichnet. Schließlich ist der französische Staat an dem Autokonzern beteiligt.
General Motors und PSA Peugeot Citroën loten jedenfalls verschiedene Möglichkeiten zur Kooperation aus. Auch ein Verkauf des GM-Europageschäfts mit Opel und der britischen Schwestermarke Vauxhall ist möglich. Opel hat rund 38200 Mitarbeiter in Europa, davon mehr als die Hälfte in Deutschland. Das Traditionsunternehmen wurde 1862 in Rüsselsheim gegründet und 1929 vom US-Konzern General Motors übernommen. Opel verfügt in Deutschland über Werke in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern. Die Adam Opel AG hat als europäische GM-Tochter seit 1999 keinen Gewinn in Detroit abgeliefert und 2016 die Rückkehr in die schwarzen Zahlen verfehlt. Stattdessen betrug der Verlust rund 257 Millionen US-Dollar. Das war immerhin eine deutliche Verbesserung nach einem Fehlbetrag von 813 Millionen Dollar im Jahr zuvor.
Wenn Informationen des Manager-Magazins zutreffen, wurde selbst der Opel-Vorstand von den Übernahmeverhandlungen überrascht. Demnach weihte das General-Motors-Management die OpelFührung erst am Dienstagmorgen telefonisch in die Pläne ein. Lediglich Opel-Chef Karl-Thomas Neumann sei ein wenig früher unterrichtet worden. Die Informationspolitik von GM ist nach Darstellung der Rechercheure des Blattes auch deswegen delikat, weil Neumann bereits seit Monaten an einem anderen Zukunftsprojekt für den Autohersteller arbeite. Er wolle Opel bis 2030 zu einer reinen Elektromarke umbauen, sozusagen ein Tesla fürs Volk. Seine Chefin Mary Barra scheint andere Pläne zu haben. Die GM-Lenkerin warb in einem Brief an die Opel-Mitarbeiter für einen Verkauf an PSA und hat vor, sich auch in Deutschland für den Deal mit den Franzosen einzusetzen. In Rüsselsheim will Barra nun verspätet die etwas verschnupft wirkenden Opel-Manager über ihre Gespräche mit den PSA-Leuten informieren.
PSA und Opel arbeiten seit 2012 bei Projekten in Europa zusammen und waren zwischenzeitlich auch auf der Kapitalseite miteinander verbunden. Bei einer Übernahme würden die Franzosen zum größten Autoproduzenten in Europa hinter VW aufsteigen. Nach Einschätzung des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer stehen im Falle einer Übernahme tausende Opel-Jobs auf dem Spiel. Vor allem dem Stammsitz in Rüsselsheim drohen harte Einschnitte. Betroffen wären etwa der Einkauf, der Vertrieb, das Marketing sowie Teile des Entwicklungszentrums. Mindestens ein Drittel der rund 15 000 Jobs in Rüsselsheim seien bei einer Übernahme gefährdet.