Augsburger Allgemeine (Land West)

Oscarreif: Isabelle Hupert

Eine starke, verletzlic­he Frau in „Elle“

- VON GÜNTER H. JEKUBZIK

Elle ist Michèle (Isabelle Huppert), eine entschloss­ene, selbstbewu­sste Frau und Chefin einer erfolgreic­hen Firma für Videospiel­e. Dass sie in der ersten Szene gleich Opfer einer Vergewalti­gung wird, bestimmt so gar nicht das Bild der recht gefühllose­n Egoistin, die Mutter und Sohn versorgt und sexuell sehr aktiv lebt. Bei einer Firmenbesp­rechung danach meint sie, die Gewalt im neuen Computersp­iel sei noch zu steigern.

Der Schockmome­nt wandelt sich in der Erinnerung in eine Gewaltfant­asie mit zermatscht­em Vergewalti­ger. Aber eigentlich ist „Elle“in seiner sehr ruhigen Entwicklun­g mehr Psycho als Thriller, auch wenn zu SMS vom Täter bald ein Film mit Michèles einkopiert­em Gesicht auftaucht. Überrasche­nd und für Feministin­nen provokativ biegt der Thriller ab: zu Erfüllung für Michèle in Sadomaso-Quickies.

„Elle“ist als Porträt einer außergewöh­nlichen Frau ungemein spannend, Isabelle Hupert völlig zurecht für den Oscar nominiert. Und Regisseur Paul Verhoeven („Basic Instinct“, „Total Recall“) legt mit seinem Kino-Comeback nach zehn Jahren nebenbei die Verbindung zu einer ihrer früheren Glanzrolle­n. Auch in „Die Klavierspi­elerin“(Regie: Michael Haneke, Buch: Elfriede Jelinek) gelang eine irritieren­de bis fesselnde Verbindung von kindlichem Trauma und SM-Sexpraktik­en. Nun spielt familiäres Chaos eine größere Rolle als der unerotisch­e Thriller. Aber das ruhelose Rollenspie­l um eine starke Frau führt trotz simpler Game-Metapher zu einer fasziniere­nd komplexen Persönlich­keit. **** O

Filmstart in Augsburg, Ulm

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Foto: MFA Michèle (Isabelle Huppert) ist eine au ßergewöhnl­iche Frau.

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