Augsburger Allgemeine (Land West)
Zwei Oldtimer gehen auf große Fahrt
Der 80-jährige Johann Geißenberger aus Herbertshofen will mit einem Bulldog Baujahr 1957 und einem Schäferwagen nach Malcesine an den Gardasee fahren. Was ihn antreibt
Meitingen Herbertshofen
Wenn Johann Geißenberger morgens aufsteht, pfeift er vor lauter Lebensfreude ein Liedchen. Seine Frau Martha erwähnt diese Tatsache ein wenig neidvoll nebenbei, denn eigentlich geht es hier um die äußerst ungewöhnliche Reise, die ihr 80-jähriger Mann plant: Er will Ende April mit einem OldtimerBulldog, Baujahr 1957, und einem selbst gebauten Schäferwagen an den Gardasee fahren. Dort findet in Malcesine ein Oldtimer-Treffen für Bulldogs statt, wo Johann Geißenberger schon erwartet wird.
Bevor das Gespräch auf die Frage kommt, warum er sich in seinem fortgeschrittenen Alter auf solch ein Abenteuer einlässt – eine BypassOperation hat er auch schon hinter sich – sagt seine Frau: „Er ist gesundheitlich fit, da habe ich keine Bedenken.“Und dennoch hat Johann Geißenberger viel Überzeugungskraft gebraucht, bis sich seine Frau Martha mit seinem Vorhaben abgefunden hat. „Wir sind jetzt 56 Jahre beinander, und nun will er ganz alleine diese Fahrt machen“, sagt sie, immer noch ein wenig aufgebracht.
Dank eines Tricks darf der Traktor über den Brenner
Doch es hilft alles nichts: Johann Geißenberger hat seine abenteuerliche Reise bereits akribisch vorbereitet: mit dem Zoll gesprochen, damit er den Bulldog, der sonst nur für Waldarbeiten eingesetzt wird, auf einer privaten Fahrt nutzen darf; mit dem TÜV alles abgeklärt und mit den zuständigen Polizeidienststellen verhandelt. Der Senior hat sogar eine Möglichkeit gefunden, die alte Brennerstraße zu nutzen, obwohl sie für Wohnwagen verboten ist: Wenn er abends auf einem bestimmten Campingplatz übernachtet, erhält er eine Bescheinigung, dass er die Brennerstraße hinauffahren darf. Darauf muss man erst mal kommen – aber dem 80-Jährigen macht es Spaß, Lösungen für all die Probleme zu finden, die sich aus seiner Idee ergeben.
Weil der alte Bulldog höchstens 30 Stundenkilometer schnell ist, rechnet Geißenberger damit, dass sich hinter seinem Gefährt lange Schlangen mit verärgerten Autofahrern bilden werden. „Deshalb wer- de ich hinten auf dem Anhänger ein Plakat befestigen, wo draufsteht: ,Auch ich möchte in den Süden‘.“So hofft er auf mehr Verständnis zu stoßen. Es wird ohne Zweifel ein schönes Plakat werden, denn Johann Geißenberger kann sehr gut malen. Bilder von ihm schmücken sein Haus in Herbertshofen. Und auch der Theaterverein Meitingen, den er mit gegründet hat und bei dem er immer noch Zweiter Vorsitzender ist, profitiert von diesem künstlerischen Talent: Geißenberger stellt dort das Bühnenbild her.
Wenn er nicht gerade malt, ist er in seinem „Reich“anzutreffen, einem großen Schuppen hinterm Haus, der eine kunterbunte Mischung aus all dem beherbergt, was einen Mann glücklich macht: Fräs- maschine, Hobel, Kreissäge, Holz, aus dem er kleine Kunstwerke bastelt, und vieles mehr. Hier liegt auch der genaue Plan für den Schäferwagen. Der ist allerdings noch nicht ganz fertig, die Fenster fehlen noch, und auch die Innenausstattung mit „mindestens zehn Schafffellen“, wie er betont. Ob diese Vorliebe für Schafffelle daran liegt, dass sein Urgroßvater Schäfer im Ries war? Man weiß es nicht. Johann Geißenberger jedenfalls kam im Augsburger Stadtteil Göggingen zur Welt, wurde Bäckermeister, baute mit seiner Frau Martha das Haus in Herbertshofen und arbeitete 30 Jahre lang im Außendienst für einen großen Lebensmittelkonzern.
„Ich war gern unterwegs“, sagt der Vater von drei Kindern im Rückblick. Schon als 18-Jähriger wollte er nach Australien auswandern. Das scheiterte am heftigen Protest seiner Mutter. Später dann wollte er mit seiner Frau eine Weltreise machen. Aber auch daraus wurde nichts, denn Martha Geißenberger hat Flugangst. So blieb es bei den Reisen in die eigene Ferienwohnung am Gardasee.
Und es blieb wohl auch eine Sehnsucht ungestillt: die nach dem ungebundenen Umherschweifen in der Welt. Nun freut sich Johann Geißenberger darauf, mit dem Bulldog nach Malcesine aufzubrechen und einfach da anzuhalten, wo es ihm gerade Spaß macht, und mit irgendwelchen Leuten, die er unterwegs trifft, einen Cappuccino zu trinken. „Mit dem Auto rast man doch an allem vorbei und erlebt nichts mehr“, findet er.
Den alten Bulldog hat er vor Jahren als „Schrotthaufen“gekauft und sehr viel Geld und Eigenarbeit in die Renovierung gesteckt. „Bis auf Dach und Fenster ist alles original“, sagt er stolz und erzählt, dass man ihm für den Hanomag R 217 schon 20 000 Euro geboten habe. Auf die Idee, mit dem Traktor an den Gardasee zu fahren, habe ihn sein Enkel gebracht. Langsam sei dann der Gedanke gereift, sich am OldtimerTreffen in Malcesine zu beteiligen.
Einen Sponsor hätte Geißenberger gerne noch, denn der Bulldog braucht viel Sprit. Aber ansonsten ist der 80-Jährige bereit für sein Abenteuer und meint: „Es ist die Herausforderung, die zählt.“