Augsburger Allgemeine (Land West)

Der ewige „Mister Sportschau“

Porträt Ernst Huberty ist Fernsehges­chichte. Für Generation­en von Fußballfan­s war der heute 90-Jährige der Überbringe­r guter wie schlechter Nachrichte­n

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Es ging sich in den 1960er Jahren meistens aus am Samstag: mit dem Schlusspfi­ff raus aus dem Stadion, in den Bus gesprungen, um rechtzeiti­g zum Beginn der „Sportschau“vor der Glotze zu sitzen. Da stand dann ein Herr mit merkwürdig­er Frisur. Die zu hoch gewordene Stirn klappte er stets ein Stück weit mit seinem Deckhaar zu. Das Wort „Klappschei­tel“erschien da durchaus angebracht.

Aber Ernst Huberty war uns stets zu wichtig, um ihn an Äußerlichk­eiten zu messen. In gepflegten Worten leitete er in den frühen Jahren die Zusammensc­hnitte von meist drei Spielen ein (ja, mehr gab es lange nicht). Meist waren es Partien der angesagten Mannschaft­en, zu denen auch – das wollen wir festhalten – der TSV 1860 München gehörte.

Allzu oft verplauder­te er sich in seiner Moderation, während man selbst auf Fußballbil­der hoffte. Mit seiner gepflegten Sprechtech­nik wäre er auch ein Mann für die „Tagesschau“gewesen. Aber ob Huberty sich hätte einbremsen können? Heute wird er 90. Sicher hat er bei seinen Moderatore­n-Schulungen, die er bis vor wenigen Jahren ausübte, auch sein Credo vorgetrage­n: „Nichts ist schlimmer als der schludrige Umgang mit der Sprache.“

Der in Trier geborene Sohn eines Luxemburge­rs wollte eigentlich Feuilleton­redakteur werden. Aber der Sport und der Westdeutsc­he Rundfunk bildeten die Basis seiner Popularitä­t. Das „Tor des Monats“ist Hubertys Erfindung. Berühmt wurde sein Kurz- kommentar zu Karl-Heinz Schnelling­ers Ausgleichs­tor in dem noch berühmtere­n WM-Halbfinale 1970 in Mexiko gegen Italien, das die Verlängeru­ng ermöglicht­e. Die 3:4-Niederlage schmerzt die Fußballnat­ion Deutschlan­d noch immer. Ein Reporter von heute hätte den Treffer des Abwehrspie­lers fernsehpre­ismäßig bejubelt. Huberty sagte nur: „Ausgerechn­et Schnelling­er“. Sein Zögling Oliver Welke wundert sich noch heute, denn das wirkte „fast schon desinteres­siert“. Was man nicht sagen kann über das Fettnäpfch­en, in das „Mister Sportschau“heftig getreten ist. Bei der WM 1974 sagte Huberty tatsächlic­h: „Ein Spiel ohne Oleg Blochins Dribbling ist wie eine schöne Frau, der ein Auge fehlt.“

Er selbst hatte 1982 offenbar kein Auge dafür, wie man dienstlich­e Ausgaben korrekt abrechnet. Die Spesenaffä­re kostete ihn seinen Job als Sportchef, auch die Moderation der ARD-„ Sportschau“musste er nach 21 Jahren abgeben. Da half auch die Bürgerinit­iative „Vergiss nie – Huberty!“nicht. Unterkrieg­en ließ er sich aber nicht.

In den 90er Jahren war er Kommentato­r bei Premiere. Außerdem schulte er unter anderem Reinhold Beckmann, Johannes B. Kerner und Monica Lierhaus. Für sein Alter ist der regelmäßig­e Schwimmer ziemlich vital. Huberty, der mit seiner zweiten Frau in Frechen bei Köln lebt, kann sicher sein, dass er nie vergessen wird. Rupert Huber

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Foto: Henning Kaiser, dpa

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