Augsburger Allgemeine (Land West)

VW braucht einen radikalen Neuanfang

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Bei Volkswagen und damit der Tochter Audi stimmt etwas Grundsätzl­iches nicht. Der Konzern müsste radikal umgebaut werden, um zu verhindern, dass Ingenieure auf Schein statt Sein setzen und mangelnde Umweltleis­tung mit Betrug zu überdecken versuchen.

Doch die Mächtigen verweigern den Neuanfang. Sie wollen sich mit überwiegen­d altem Personal durch die Affäre mogeln. So führte VWLenker Müller einst den zum Konzern gehörenden Sportwagen­bauer Porsche. Aufsichtsr­atschef Pötsch war VW-Finanzvors­tand. Und Stadler blieb, was er ist: Audi-Boss.

Weil aber all diese Manager qua Amt nicht völlig unbelastet sein können, werden sie immer wieder in Scharmütze­l verwickelt, die den Konzern noch mehr Vertrauen kosten. Die peinlichen Szenen vor dem Arbeitsger­icht in Heilbronn zeigen das. Nur der frühere VWChef Winterkorn musste die politische Verantwort­ung für den größten Skandal der Firmengesc­hichte übernehmen. Ansonsten gab es Bauernopfe­r. Das reicht nicht.

Siemens hat klare personelle Konsequenz­en aus der Schmiergel­d-Affäre gezogen. Neben Konzernfüh­rer von Pierer wurden viele Spitzenleu­te geschasst. So hat sich das Unternehme­n schneller als heute Volkswagen vom Abgrund weggerobbt. Doch VW scheint auf traurige Weise reformresi­stent zu sein. Das liegt an den unzeitgemä- ßen Machtstruk­turen. Im 20-köpfigen Aufsichtsr­at üben nicht genügend unabhängig­e Vertreter ihre Kontrollpf­lichten aus. Hier gibt es eine seltsame Koalition aus der Gewerkscha­ft IG Metall, dem SPDregiert­en Land Niedersach­sen als Großaktion­är sowie den beiden Patriarche­n-Clans Piëch und Porsche. Die Machtblöck­e drängen alle kritischen Geister an den Rand. In dem Männerbund-Klima gedeihen Skandale wie die Diesel-Affäre. Ein echter Neuanfang gelingt nur mit affärenfre­iem Spitzenper­sonal und neuen Strukturen. Ein Anfang wäre, wenn Niedersach­sen seinen 20-Prozent-Anteil an VW verkauft. Staatsbete­iligungen dieser Größe sind antiquiert.

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Foto: Lino Mirgeler, dpa Der frühere Audi Motorenent­wickler Weiß vor Gericht.

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