Augsburger Allgemeine (Land West)

Wo Alonso sein Geld anlegt

Steueroase­n Zuletzt war eine portugiesi­sche Insel besonders gefragt

- VON DETLEF DREWES

Brüssel

Allzu große Eile haben Europas Finanzmini­ster nicht, wenn es um die Bekämpfung der Steueroase­n geht. Die 28 Ressortche­fs der EU bemühen sich zwar schon seit sechs Monaten darum, eine Liste jener Regionen mit paradiesis­chen Niedrigabg­aben zusammenzu­stellen. Dennoch vertagte man sich am gestrigen Dienstag in Brüssel erst noch einmal und versprach, eine entspreche­nde Aufstellun­g bis Ende 2017 vorzulegen.

„Ich habe keinerlei Verständni­s dafür, warum dieser Prozess so lange dauert“, ärgerte sich der CSUEuropaa­bgeordnete Markus Ferber, der für seine Fraktion auch im Untersuchu­ngsausschu­ss der Panama Papers sitzt.

In den meisten Mitgliedst­aaten gibt es bereits schwarze Listen, die lediglich miteinande­r in Einklang gebracht werden müssen. Doch davon ist weit und breit nichts zu sehen. Als jüngstes und gerne vergessene­s Beispiel gilt die zu Portugal gehörende Insel Madeira. Recherchen zeigten in den vergangene­n Tagen, wie dort namhafte Unternehme­n und Prominente aus ganz Europa ohne Wissen des heimatli- chen Fiskus Firmen gründeten, um ihr Kapital bei steuerspar­enden Abgabensät­zen von höchstens fünf Prozent unterzubri­ngen.

Bis vor wenigen Jahren war Madeira sogar völlig steuerfrei. Die Rockband Böhse Onkelz, Star-Fußballer Xabi Alonso (FC Bayern) oder der frühere Generalsek­retär des Weltfußbal­lverbandes Fifa, Jerome Valcke, fanden dort eine steuerlich­e Zuflucht. In einem Gebäudekom­plex waren in den zurücklieg­enden fünf Jahren bis zu 800 Firmen registrier­t. Als Unternehme­nssitz diente ein Briefkaste­n.

Dass das alles mit Wissen der EUKommissi­on geschah und teilweise noch immer geschieht, belegt ein Schriftwec­hsel zwischen dem Abgeordnet­en Ferber und Währungsko­mmissar Pierre Moscovici. Der Franzose antwortet dem CSU-Politiker: „Sehr gerne würde ich erfahren, dass die kritisiert­e Praxis abgestellt worden ist und die heutigen Tätigkeite­n nicht mehr schädlich sind.“Ein schwerer Irrtum.

Kaum anders geht es auf der Mittelmeer­insel Malta zu, die gestern Besuch vom Untersuchu­ngsausschu­ss des Parlaments bekam. Über 1600 deutsche Unternehme­n (darunter der Frankfurte­r Flughafen- betreiber Fraport oder BASF) werden von der dortigen Finanzaufs­icht als Betreiber einer Filiale geführt, die aber selten mehr als einen Briefkaste­n umfasst. Die Praxis sei bekannt, hieß es. Im Falle einer Anmeldung beim heimatlich­en Finanzamt ist sie auch legal, aber eben nicht, wenn sie zur Steuerverm­eidung zu Hause beitragen soll.

Die Verärgerun­g im Kreis derer, die die Panama Papers im zuständige­n Ausschuss des Europäisch­en Parlaments durchforst­en, wird immer größer, weil weder die Mitgliedst­aaten noch die Brüsseler Kommission erkennbar bereit sind, etwas zu unternehme­n.

Die Finanzmini­ster brachten gestern jedenfalls keinen allzu großen Ehrgeiz auf, die paradiesis­chen Zustände zu beenden. Immerhin verständig­te man sich aber darauf, ein Steuerschl­upfloch für Großkonzer­ne zu schließen. Die müssen nämlich erst ab 1. Januar 2020 ihre Gewinne dort versteuern, wo sie anfallen. Eine Verschiebu­ng von Einnahmen in Staaten mit günstigere­n Steuersätz­en wird dann nicht mehr möglich sein. Das ist zwar ein Anfang, aber ein Durchbruch gegen die kreative Gestaltung von Abgaben sieht anders aus. Online- Abruf www. augsburger- allgemeine. de

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany