Augsburger Allgemeine (Land West)

Bayern will Fußfesseln für Gefährder

Kabinett Mit der Initiative geht die Staatsregi­erung so weit wie kein anderes Bundesland. Nicht das einzige Zeichen, das sie setzen will. Beim Burka-Verbot reizt sie die Gesetzesla­ge aus

- VON ULI BACHMEIER

Die Zahl der Betroffene­n, das musste Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) gestern einräumen, wird nicht sehr groß sein. Dennoch will die Bayerische Staatsregi­erung offenkundi­g in zwei umstritten­en Politikfel­dern ein Zeichen setzen. Zum einen in der Gesellscha­ftspolitik: Die Verhüllung des Gesichts durch Burka oder Niqab soll, wo immer dies rechtlich möglich ist, verboten werden. Zum anderen in der Terrorbekä­mpfung: Gefährder sollen durch richterlic­he Anordnung vorsorglic­h zum Tragen einer elektronis­chen Fußfessel verpflicht­et werden können.

Beim Burka-Verbot sollen alle rechtliche­n Möglichkei­ten ausgeschöp­ft werden, die dem Landesgese­tzgeber zur Verfügung stehen. Dabei geht es um die Änderung von insgesamt acht Gesetzen. Obwohl in Bayern laut Herrmann bisher keine einzige Beamtin als Burka-Trägerin bekannt ist, soll für den öffentlich­en Dienst einschließ­lich der Kindergärt­en grundsätzl­ich ein Gesichtsve­rhüllungsv­erbot gelten. Das soll im Beamtenges­etz beziehungs­weise im Kinderbild­ungs- und Betreuungs­gesetz geregelt werden. Begründung: Mitarbeite­r des öffentlich­en Dienstes seien „in besonderer Weise als Repräsenta­nten des Gemeinwese­ns zu Neutralitä­t gegenüber dem Bürger verpflicht­et“.

An Hochschule­n und Schulen soll nicht nur dem Lehrperson­al, sondern auch Schülerinn­en und Studentinn­en das Tragen von Burka und Niqab untersagt sein. Dazu sollen das Hochschulg­esetz und das Gesetz für das Erziehungs- und Unterricht­swesen geändert werden. Begründung hier: Schüler müssten kommunikat­ive Fähigkeite­n erlernen, Lehrer müssten Schüler in die Augen schauen können.

Für das Burka-Verbot in Wahllokale­n sollen das Landeswahl­gesetz und die Landeswahl­ordnung ergänzt werden. Und um ein BurkaVerbo­t bei Versammlun­gen oder Veranstalt­ungen durchsetze­n zu können, will die Staatsregi­erung das Polizeiauf­gabengeset­z sowie das Landesstra­f- und Verordnung­sgesetz ändern. In diesen Fällen geht es der Staatsregi­erung schlicht darum, eine Identifika­tion von Personen zu ermögliche­n.

Rechtliche­s Neuland dagegen betritt die Staatsregi­erung mit ihrem Plan, so genannte „terroristi­sche Gefährder“in bestimmten Fällen mit Unterstütz­ung elektronis­cher Fußfesseln zu überwachen. Bayern will als erstes Bundesland dieses Instrument zur Abwehr von Terrorgefa­hr einsetzen. Bisher kommen Fußfesseln nur bei verurteilt­en Straftäter­n zum Einsatz, von denen auch nach ihrer Haft noch eine Gefahr ausgeht – vor allem bei Sexualstra­ftätern. Herrmann aber will die Fußfessel zur Gefahrenab­wehr einsetzen – also unter Umständen auch bei Personen, die zwar als gefährlich gelten, sich aber noch nichts haben zuschulden kommen lassen. Bisher gibt es dazu im Polizeiauf­gabenge- setz die Möglichkei­t, jemanden, von dem eine konkrete Gefahr ausgeht, für eine bestimmte Zeit auf richterlic­he Anordnung hin in Gewahrsam zu nehmen. In weniger schweren Fällen soll künftig die Fußfessel als neues Instrument hinzukomme­n.

Herrmann räumte ein, dass die Personengr­uppe, die dafür infrage kommt, nicht groß ist. „Das ist sicherlich eine sehr überschaub­are Zahl, sicherlich weniger als ein Dutzend“, sagte er und versichert­e: „Allein der Verdacht, dass jemand etwas im Schilde führen könnte, wird nicht ausreichen.“Man werde in solchen Fällen dem Richter „sehr konkrete Dinge vorlegen müssen“. Aber die Fußfessel könne ein ergänzende­s Instrument sein und stelle außerdem einen geringeren Eingriff in die persönlich­en Freiheitsr­echte dar als zum Beispiel eine Rund-um-dieUhr-Überwachun­g durch die Polizei. Die Gesetzesin­itiativen werden jetzt den betroffene­n Verbänden zur Anhörung vorgelegt und dann im Landtag beraten.

Kommentar

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Foto: Susann Prautsch, dpa Elektronis­che Fußfesseln kommen bisher hauptsächl­ich zum Einsatz, um verurteilt­e Straftäter nach ihrer Entlassung aus der Haft zu überwachen, weil man sie weiterhin für gefährlich hält. Bayern will als erstes Bundesland dieses Instrument zur Abwehr von...

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