Augsburger Allgemeine (Land West)
Was tun, wenn der Bub das Laserschwert schwingt?
Interview Ein Pädagoge erklärt, warum Eltern Spiele mit Waffen nicht verbieten müssen. Warum sie aber genau hinschauen sollten
Viele Kindergärten in Bayern verbieten Spielzeugwaffen bei Faschingspartys. Was halten Sie davon?
Es gibt gute Gründe, Spielzeugwaffen hier zu verbieten oder auch dafür, sie zuzulassen. Immer sollte man wissen, was man genau unter Spielzeugwaffen versteht. Kriegsspielzeug, also Nachbildungen von Kriegswaffen, sind kein adäquates Spielzeug für Kinder, da mit ihm nur Krieg nachgestellt werden kann.
Gugel:
Unser Sohn schießt zu Hause mit einer Armbrust Plastikpfeile durch die Gegend und findet das super.
Eine Armbrust mit Plastikpfeilen würde ich noch nicht mit Kriegsspiel in Verbindung bringen. Haben Sie sich schon erklären lassen, was Ihr Sohn da macht? Eine besondere Motivation ist oft ja, zu provozieren und Grenzen auszuloten. Das beherrschen die Kinder oft perfekt.
Gugel:
Müssen Eltern diese Form der Aggression nicht unterbinden?
Man muss Gewalt in allen Formen unterbinden. Aber Aggression kann gerade bei Kindern nicht von vornherein negativ gesehen werden, wie wir das meist in der Umgangssprache tun. Es ist auch eine Form von Kommunikation, von Erprobung und Spiel. Es drückt Energie, Zielstrebigkeit und Lebenskraft aus und es wäre fatal, wenn man das unterdrücken würde. Doch neben dieser positiven Aggression gibt es eben auch den zerstörerischen Teil, die Destruktion. Die gilt es im Blick zu haben.
Gugel:
Warum beschäftigen sich vor allem Jungs mit Spielzeugwaffen?
Waffen faszinieren – vor allem Jungs. Sie sind mit Allmachtsfantasien und Unverwundbarkeit verbunden, verleihen in der Vorstellungs-
Gugel:
welt Macht. Man kann andere besiegen oder bestrafen. Dies kann ein wichtiger Entlastungsmechanismus sein, wenn man sich ansonsten als eher schwach und abhängig erlebt. Hinzu kommt, dass in unser (Medien-)Welt Waffen allgegenwärtig sind. Nicht zuletzt geht es auch um das Ausprobieren, was zu einer männlichen Identität gehört.
Wie intensiv ist der Bezug zur Realität bei solchen Rollenspielen?
Rollenspiele sind Spiele und für Kinder äußerst wichtig. Sie haben nicht nur die Funktion von „einüben und ausprobieren“, sondern noch stärker von bearbeiten und bewältigen von Erlebnissen, von Konflikten oder belastenden Situationen. Es geht dabei mehr um die innere Realität der Kinder, oft auch verbunden mit der Frage, was (wer) ist gut und und was (wer) böse. Kinder können sehr wohl zwischen Spiel und Realität der Erwachsenen unterscheiden.
Gugel:
Verarbeiten Kinder also mit diesen Kriegsspielen eventuell Probleme?
Genau dies ist häufig der Fall. Das können Angst machende Bilder und Szenen aus den Medien sein, das können aber auch alltägliche Situationen aus dem „Familienkrieg“, selbst erlebte oder beobachtete Gewalt zu Hause sein. Dabei ist wichtig, dass das Spielzeug nicht nur auf das Nachspielen des immer Gleichen festgelegt ist, sondern auch Veränderung zulässt. Die Plastikfigur kann deformiert werden, im Sand vergraben oder als Held inszeniert werden. Mit Medienspielen ist das nicht möglich, da ist das Spiel vorgegeben.
Gugel:
Müssen Eltern Angst haben, dass die Beschäftigung mit Spielzeug-Waffen später zu einer Waffen-Affinität führt?
Wer als Kind mit Spielzeug-
Gugel:
waffen spielt, wird deshalb kein Waffennarr. Hier gibt es keine Zwangsläufigkeiten. Dennoch würde ich nicht alle Waffen gleich bewerten. Ein Holzschwert und ein SpielzeugColt sind etwas anderes als die originalgetreue Nachbildung eines Schnellfeuergewehrs, das sogar noch Schussgeräusche produziert. Da wäre für mich die Grenze überschritten. Was würden Sie raten: Spielzeugwaffen verbieten oder zulassen?
Wenn Spielzeug und Spiel als Fenster gesehen werden, durch das Sie beobachten können, was Ihr Kind gerade bewegt und wie es damit umgeht, dann beschneiden Sie sich durch ein Verbot dieser Möglichkeit. Vor allem aber: Sie können das Phänomen nicht gänzlich verbieten. Jede Fachkraft im Kindergarten kennt die
Gugel:
Situation, dass ein Finger oder ein Legostein ausreicht, um eine Waffe darzustellen. Und alle Kinder wissen sofort, was gemeint ist.
Können Regeln helfen?
Ich würde zur Auseinandersetzung mit dem Thema raten und dann gemeinsam Regeln erarbeiten. Begrenzungen sind wichtig: Piratenschwert und Cowboy-Colt sind Gegenstände für besondere Tage wie Fasching. Den Schutz der anderen im Blick haben: Nicht auf Menschen zielen. Regeln müssen aber einsichtig sein und sollten begründet werden.
Gugel:
Wie sollte man reagieren, wenn ein Kind trotz allem mit dem Laserschwert auf ein anderes Kind einschlägt?
Hier wird eine Grenze überschritten, und das wissen Kinder auch. Es geht nicht mehr um Spiel. Also die Kontrahenten sofort trennen und die Situation stoppen.
Gugel:
Wie kann ich Kindern beibringen, dass mit Waffen viel Leid angerichtet wird?
Kinder wissen dies, bei aller Faszination, intuitiv. Waffen sind etwas, das ihnen gerade wegen ihres Zerstörungspotenzials auch Angst macht. Nicht umsonst ist Kriegsangst eine der größten Ängste von Kindern. Das Thema Krieg, das Kinder in jeder Nachrichtensendung miterleben, sollte nicht ausgeklammert bleiben. Und eine Frage sollte man nicht übergehen: „Was tue ich, damit weniger Leid in der Erwachsenenwelt durch Waffen geschieht?“
Interview: Holger Sabinsky-Wolf
Gugel: Günther Gugel
ist Diplom Pädagoge. Er war über 30 Jahre lang Geschäftsfüh rer des Instituts für Frie denspädagogik in Tübingen.