Augsburger Allgemeine (Land West)
Auf den Spuren der Täufer
Religion In Augsburg fand der Mennonitische Weltkongress statt. Die Gemeinde vor Ort blickt auf eine schwierige Geschichte zurück
Wer von den Mennoniten hört, denkt eher an Amerika als an Augsburg. Doch schon im 16. Jahrhundert hatte die Stadt den Ruf als Zentrum der Täuferbewegung. Ihre frühen Prediger trafen sich hier. Sie wurden grausam verfolgt und hingerichtet. Heute hat Augsburg nicht nur eine 40-köpfige Mennonitengemeinde, eine evangelische Freikirche, die vor allem durch die Erwachsenentaufe geprägt ist. Augsburg war vor Kurzem wieder weltweit ein Zentrum der Mennoniten.
Rund 200 Funktionäre und einfache Gläubige besuchten die Weltkonferenz. Männer und Frauen aus Simbabwe, Äthiopien, USA, Kanada, den Philippinen, Paraguay, den Niederlanden und Deutschland reisten an. Mit der evangelischen Theologin Friederike Nuessel und Erzbischof August Castro, dem prominenten Vermittler zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC-Rebellen, kamen auch die beiden großen Kirchen zum Dialog mit der 500 Jahre lang verschmähten Täuferbewegung.
Wolfgang Krauß von der Mennonitischen Gemeinde Augsburg freut sich, dass die Stadt fast genau 500 Jahre nach der „Märtyrersynode“wieder Ort einer zentralen, internationalen Zusammenkunft der Mennoniten war. Schon 1527 hatten sich Täufer aus Süddeutschland, Österreich und der Schweiz in Augsburg getroffen, damals, um Strategien für ihre Mission zu entwerfen. Dafür wurden sie verfolgt, die meisten verhaftet und hingerichtet. Erste Erwachsenentaufen sind in Augsburg bereits für das Jahr 1526 nachgewiesen. Bis 1529, so Krauß, umfasste das Netzwerk hier bis zu 1000 Anhänger. Prediger wie Hans Hut, Jakob Groß und Hans Denck predigten gegen die Hierarchie und Herrschaft der Kirche.
Von den Bürgerrechten waren diese „Ketzer“wegen ihrer Erwachsenentaufe ausgeschlossen. In der berühmten Confessio Augustana von 1530, das Glaubensbekenntnis der Protestanten, heißt es bis heute in Artikel 9: „Deshalb werden die verworfen, die lehren, dass die Kindertaufe nicht richtig sei.“Seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts allerdings stehen auch für die Evangelische Kirche Versöhnungsgespräche, Gasteucharistie mit den Mennoniten und gegenseitige Taufanerkennungen im Vordergrund.
„Bis vor etwa 200 Jahren herrschte in Augsburg eine Art „repressive Toleranz“der Kirchen gegenüber unserer Gemeinde, die meist mit ihren großen Familien im Umkreis von Augsburg auf Höfen lebten“, erklärt Krauß. Vorsichtige Verschwiegenheit prägen infolgedessen bis heute die Identität der etwa 40 Gemeindemitglieder. Doch Krauß will das Schweigen brechen.
Um die Stadt mit diesem wenig bekannten Teil ihrer Geschichte zu versöhnen, erarbeitet er Stadtführungen, Gedenktafeln, Straßennamen und ein Dokumentationszentrum. Ein erstes öffentliches Erinnerungszeichen konnte er bereits realisieren. Am Hinteren Lech 2 erinnert seit 2013 eine Gedenktafel an die gewaltsame Auflösung einer TäuferVersammlung. 1528 wurden hier 88 Personen verhaftet, im nahen Gefängnis gefoltert und gebrandmarkt. Vorsteher Hans Leupold wurde hingerichtet.
Der Kongress war Auftaktveranstaltung für eine zehnjährige weltweite Veranstaltungsreihe, die bis 2027 die Selbstvergewisserung und den Dialog mit den beiden großen Kirchen und dem Judentum in den Fokus nehmen soll. „Vor allem Fragen nach unserer Verbindung zu Luther werden wir in den Vordergrund rücken“, erklärte Alfred Neufeld-Friesen. Der Paraguayer ist Theologe, Vorsitzender der theologischen Kommission der Weltkonferenz und als Vertreter der Mennoniten Paraguays angereist. Im zivilen Leben arbeitet er als Rektor der protestantischen Universität von Asuncion.
Sein perfektes Deutsch verdankt er seinen deutschstämmigen Eltern, die nach der Oktoberrevolution aus der Sowjetunion flohen. Weil die Weimarer Republik damals die Einreise seiner Eltern verweigerte, blieb nur Paraguay. Neufeld-Friesen wurde dort geboren. In dem Land leben etwa 40000 Mennoniten, die Hälfte von ihnen sind deutscher Abstammung.