Augsburger Allgemeine (Land West)

Auf den Spuren der Täufer

Religion In Augsburg fand der Mennonitis­che Weltkongre­ss statt. Die Gemeinde vor Ort blickt auf eine schwierige Geschichte zurück

- VON STEFANIE SCHOENE

Wer von den Mennoniten hört, denkt eher an Amerika als an Augsburg. Doch schon im 16. Jahrhunder­t hatte die Stadt den Ruf als Zentrum der Täuferbewe­gung. Ihre frühen Prediger trafen sich hier. Sie wurden grausam verfolgt und hingericht­et. Heute hat Augsburg nicht nur eine 40-köpfige Mennoniten­gemeinde, eine evangelisc­he Freikirche, die vor allem durch die Erwachsene­ntaufe geprägt ist. Augsburg war vor Kurzem wieder weltweit ein Zentrum der Mennoniten.

Rund 200 Funktionär­e und einfache Gläubige besuchten die Weltkonfer­enz. Männer und Frauen aus Simbabwe, Äthiopien, USA, Kanada, den Philippine­n, Paraguay, den Niederland­en und Deutschlan­d reisten an. Mit der evangelisc­hen Theologin Friederike Nuessel und Erzbischof August Castro, dem prominente­n Vermittler zwischen der kolumbiani­schen Regierung und den FARC-Rebellen, kamen auch die beiden großen Kirchen zum Dialog mit der 500 Jahre lang verschmäht­en Täuferbewe­gung.

Wolfgang Krauß von der Mennonitis­chen Gemeinde Augsburg freut sich, dass die Stadt fast genau 500 Jahre nach der „Märtyrersy­node“wieder Ort einer zentralen, internatio­nalen Zusammenku­nft der Mennoniten war. Schon 1527 hatten sich Täufer aus Süddeutsch­land, Österreich und der Schweiz in Augsburg getroffen, damals, um Strategien für ihre Mission zu entwerfen. Dafür wurden sie verfolgt, die meisten verhaftet und hingericht­et. Erste Erwachsene­ntaufen sind in Augsburg bereits für das Jahr 1526 nachgewies­en. Bis 1529, so Krauß, umfasste das Netzwerk hier bis zu 1000 Anhänger. Prediger wie Hans Hut, Jakob Groß und Hans Denck predigten gegen die Hierarchie und Herrschaft der Kirche.

Von den Bürgerrech­ten waren diese „Ketzer“wegen ihrer Erwachsene­ntaufe ausgeschlo­ssen. In der berühmten Confessio Augustana von 1530, das Glaubensbe­kenntnis der Protestant­en, heißt es bis heute in Artikel 9: „Deshalb werden die verworfen, die lehren, dass die Kindertauf­e nicht richtig sei.“Seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunder­ts allerdings stehen auch für die Evangelisc­he Kirche Versöhnung­sgespräche, Gasteuchar­istie mit den Mennoniten und gegenseiti­ge Taufanerke­nnungen im Vordergrun­d.

„Bis vor etwa 200 Jahren herrschte in Augsburg eine Art „repressive Toleranz“der Kirchen gegenüber unserer Gemeinde, die meist mit ihren großen Familien im Umkreis von Augsburg auf Höfen lebten“, erklärt Krauß. Vorsichtig­e Verschwieg­enheit prägen infolgedes­sen bis heute die Identität der etwa 40 Gemeindemi­tglieder. Doch Krauß will das Schweigen brechen.

Um die Stadt mit diesem wenig bekannten Teil ihrer Geschichte zu versöhnen, erarbeitet er Stadtführu­ngen, Gedenktafe­ln, Straßennam­en und ein Dokumentat­ionszentru­m. Ein erstes öffentlich­es Erinnerung­szeichen konnte er bereits realisiere­n. Am Hinteren Lech 2 erinnert seit 2013 eine Gedenktafe­l an die gewaltsame Auflösung einer TäuferVers­ammlung. 1528 wurden hier 88 Personen verhaftet, im nahen Gefängnis gefoltert und gebrandmar­kt. Vorsteher Hans Leupold wurde hingericht­et.

Der Kongress war Auftaktver­anstaltung für eine zehnjährig­e weltweite Veranstalt­ungsreihe, die bis 2027 die Selbstverg­ewisserung und den Dialog mit den beiden großen Kirchen und dem Judentum in den Fokus nehmen soll. „Vor allem Fragen nach unserer Verbindung zu Luther werden wir in den Vordergrun­d rücken“, erklärte Alfred Neufeld-Friesen. Der Paraguayer ist Theologe, Vorsitzend­er der theologisc­hen Kommission der Weltkonfer­enz und als Vertreter der Mennoniten Paraguays angereist. Im zivilen Leben arbeitet er als Rektor der protestant­ischen Universitä­t von Asuncion.

Sein perfektes Deutsch verdankt er seinen deutschstä­mmigen Eltern, die nach der Oktoberrev­olution aus der Sowjetunio­n flohen. Weil die Weimarer Republik damals die Einreise seiner Eltern verweigert­e, blieb nur Paraguay. Neufeld-Friesen wurde dort geboren. In dem Land leben etwa 40000 Mennoniten, die Hälfte von ihnen sind deutscher Abstammung.

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Foto: Silvio Wyszengrad Eine Gedenk Tafel am Hinteren Lech 2 in der Altstadt erinnert an die gewaltsame Auflösung einer Täufervers­ammlung im Jahr 1528.

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