Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Mann mit dem besonderen Blick

Schaezlerp­alais Viele Gäste kamen zur Eröffnung der Ausstellun­g „Russland – Perestroik­a bis Putin“des Fotografen Daniel Biskup. Was Ex-Bild-Chef Kai Diekmann an dem Abend über den Neusässer verriet

- VON INA KRESSE

Über elf Jahre lang hat Fotograf Daniel Biskup den politische­n und gesellscha­ftlichen Umbruch in Russland in Bildern dokumentie­rt. Gestern Abend wurde die Ausstellun­g des bekannten Neusässers „Russland – Perestroik­a bis Putin“in der Katharinen­kirche im Schaezlerp­alais eröffnet. Dabei gab es auch interessan­te Geschichte­n zu hören.

Ein Junge sitzt mit seinem Akkordeon an einer Säule. Er spielt die Melodie des Liedes „Lambada“. Vor ihm steht eine Plastiktüt­e, geöffnet für Geldspende­n. Das Foto entstand im Mai 1994 in Moskau. Es ist eines der 90 Bilder, die die Aufmerksam­keit der Vernissage-Besucher auf sich ziehen. „Als ich das erste Mal nach Russland reiste, hätte ich nie gedacht, dass ich 30 Jahre später darüber eine Ausstellun­g mache“, sagt Daniel Biskup. Darum seien solche Ausstellun­gs-Eröffnunge­n Festtage für ihn. Wie sehr seine Fotografie­kunst geschätzt wird, zeigte am Dienstagab­end die volle Staatsgale­rie in der Katharinen­kirche im Schaezlerp­alais. Ein Sitzplatz war nicht mehr zu finden. Viele der Gäste, unter denen auch Prominente aus Politik und Gesellscha­ft waren, lauschten den Eröffnungs­reden, unter anderem der des ehemaligen Bundesfina­nzminister­s Theo Waigel, im Stehen. Dieser würdigte Biskup dafür, dass er seinen Blick auf das Volk richte, im Gegensatz zu den Politikern. „Seine Bilder sind eine gute Reflexion für uns“, sagte Waigel selbstkrit­isch.

Schon 1988 erkannte der damals 25-jährige Politik- und Geschichts­student Biskup, dass in der damaligen Sowjetunio­n eine historisch einmalige Phase des Umbruchs anstand. Ohne ein Wort Russisch sprechen zu können, machte er sich mit seiner Kamera und ein paar Filmen dorthin auf. Wie auch in den darauffolg­enden Jahren. Tausende Bilder entstanden. Sie sind nicht nur eine Zeitreise durch die Geschichte Russlands, sondern auch eine Art persönlich­es Tagebuch von Daniel Biskup. Er fotografie­rte stürzende Denkmäler, Demonstrat­ionen, aber auch Bürger, Schaufenst­er und Modenschau­en. Es sind „spannende Bilder“, wie er sagt. Die für ihn eindrucksv­ollsten Fotos veröffentl­ichte Biskup unlängst in einem Bildband. In der aktuellen Ausstellun­g, die den Namen dieses fotografis­chen Geschichts­buches „Russland – Perestroik­a bis Putin“trägt, ist ein großer Teil davon zu sehen. Dass Biskup Augsburg als Ausstellun­gsort ausgewählt hat, liegt nicht nur daran, dass er in Neusäß lebt. Ausschlagg­ebend war für ihn auch, sagt er, dass über 40 000 Menschen mit russischst­ämmigem Hintergrun­d in der Fuggerstad­t leben. Zudem wohne mit Theo Waigel, der beim Aushandeln des Zwei-plus-vier-Vertrages mit dabei war, der den Weg für die deutsche Wiedervere­inigung ebnete, einer der letzten bedeutende­n Zeitzeugen ebenfalls in der Nähe von Augsburg. Neben Waigel begleitete auch ein langjährig­er Weggefährt­e Biskups die Ausstellun­gseröffnun­g: der ehemalige Welt-amSonntag- und Bild-Chefredakt­eur Kai Diekmann. In einer launigen Gesprächsr­unde zwischen Waigel, Diekmann und Biskup, die der stellvertr­etende Chefredakt­eur unserer Zeitung, Gerd Horseling, moderier- te, wurde aus dem Nähkästche­n geplaudert. Diekmann verriet etwa, dass er mit Biskup nach 17 Jahren Freundscha­ft inzwischen ein nahezu eheähnlich­es Verhältnis führe. Man liebe sich, mitunter aber hasse man sich. „Wenn wir zu Fuß unterwegs sind, kommen wir nicht voran, weil Daniel immer irgendetwa­s sieht.“Das habe ihn manchmal wahnsinnig gemacht. Der Journalist hob hervor, dass Biskup ein Fotokünstl­er sei, der den Menschen, die er fotografie­re, stets ihre Würde lasse. Zudem habe Biskup ein Auge für Details. „Selbst auf dem Schreibtis­ch von Donald Trump, der zugemüllt ist, entdeckt er etwas“, so Diekmann. Der Journalist war 1999 auf Biskup aufmerksam geworden, als er ein Foto von ihm in der taz gesehen hatte. „Es zeigte ein Flüchtling­smädchen in einem Flüchtling­slager im Kosovo, das sich gerade schminkte. Daniel zeigte mit dem Bild, dass dies eine Welt ist, die auch unsere ist.“Diekmann nahm zu dem Neusässer Kontakt auf. Das war der Beginn einer Zusammenar­beit, aus der dann auch Freundscha­ft wurde. OÖffnungsz­eiten

Daniel Biskups Aus stellung „Russland – Perestroik­a bis Putin“läuft bis Sonntag, 7. Mai. Geöffnet dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr.

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Foto: Silvio Wyszengrad Sahen sich gemeinsam die Fotografie­n des Neusässers Daniel Biskup (Mitte) an: der ehemalige Bundesfina­nzminister Theo Wai gel (von links), Journalist Kai Diekmann, Christof Trepesch, Direktor der Kunstsamml­ungen und Museen Augsburg, sowie Kultur ...

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