Augsburger Allgemeine (Land West)
Hilfe für alte Menschen
Ehrenamt In Neusäß gibt es das Projekt Seniorenpartner. Roswitha Scholz besucht regelmäßig eine 83-jährige Frau. Aus der Hilfe ist eine Art Freundschaft gewachsen
In Neusäß gibt es das Projekt „Seniorenpartner“: Freiwillige helfen älteren Menschen, ihren Alltag zu bewältigen. Wie das ankommt, lesen Sie heute
Neusäß
Martha K. aus Neusäß ist nahezu blind. Sie kommt aber zuhause noch gut zurecht, sucht aber jemanden, der für sie ab und an kocht. Und so kam Roswitha Scholz zu der 83-Jährigen. Denn Roswitha Scholz engagiert sich ehrenamtlich als Seniorenpartnerin beim Freiwilligen-Zentrum Neusäß.
Oftmals gibt es Kartoffel-Karotten-Gemüse, immer mit hochwertigen Zutaten. „Da bin ich etwas heikel“, bekennt Martha K. schmunzelnd und Roswitha Scholz lächelt. Kochen ist eine der freiwilligen Aufgaben von Roswitha Scholz. Doch das Verhältnis der beiden allein darauf zu reduzieren, greift zu kurz. Zwischen den Frauen ist eine freundschaftliche Beziehung entstanden, die von hoher Wertschätzung geprägt ist. Roswitha Scholz bezeichnet Martha K. als „bescheiden, intelligent und gut organisiert.“Zwar ist Roswitha Scholz für Martha K. da, doch auch die Seniorenpartnerin sieht die Vorteile in den Treffen mit der gut 20 Jahren älteren Dame. Denn Roswitha Scholz denkt viel über das Älterwerden nach. Der 62-Jährigen geht es gut, sie steht mit beiden Beinen im Leben. Sie bewundert Martha K. dafür, wie weitsichtig diese seinerzeit gehandelt hat.
Die Seniorin lebt noch in der eigenen Wohnung
Die Seniorin lebt in Neusäß in einer barrierefreien Eigentumswohnung im ersten Stock mit Aufzug. Trotz ihrer fehlenden Sehkraft regelt sie ihren Alltag nahezu eigenständig. Die Wohnung ist sauber und ordentlich. „Ich muss immer alles gleich aufräumen“, sagt Martha K. Sonst würde sie sich nicht mehr zurechtfinden. Als während des Krieges Fliegerbomben ihre Heimatstadt Augsburg heimsuchten, hat K.s Mutter ihr klargemacht, wie wichtig es ist, sich im Dunkeln zurechtzufinden. Sie musste sich genau merken, wo ihre Kleidung liegt, um sich schnell anzuziehen und in den Luftschutzbunker zu fliehen.
Für ihre Disziplin zollt Roswitha Scholz der Seniorin Respekt. Sie bewundert die ältere Dame dafür, wie sie ihr Leben meistert und dass sie „nie jammert“. Martha K. konnte früher „sehen wie ein Luchs“. Ihre Sehkraft schwand nach und nach, richtig verschlimmert hat sich ihr Zustand vor rund 26 Jahren. Sie leidet am grünen Star und einer Makuladegeneration. Das bisschen Augenlicht, das ihr noch geblieben ist, hofft sie zu behalten. Trotz ihrer Einschränkung hadert die 83-Jähri- ge nicht mit ihrem Schicksal. Ausgeglichen wirkt sie, dazu hellwach und geistesgegenwärtig.
Die beiden Frauen unternehmen oft gemeinsame Spaziergänge, denn alleine nach draußen zu gehen, traut sich Martha K. nicht mehr. Auch gemeinsame Besorgungen gehören zum Programm. Sie treffen sich alle 14 Tage immer am Mittwochvormittag. Doch auch „wenn es brennt“, kann Martha K. Roswitha Scholz anrufen, die nicht weit weg wohnt.
Roswitha Scholz ist auf dem Land großgeworden, wo Hilfe unter Nachbarn üblich war. „Ich leiste nur einen kleinen Beitrag“, sagt sie bescheiden, der ihrem Schützling aber „sehr, sehr wichtig“ist. Für Roswitha Scholz hat gerade ein neuer Lebensabschnitt angefangen. Seit Kurzem ist die gelernte Erzieherin im Ruhestand. „Ich brauchte eine neue Aufgabe. Den ganzen Tag nur waschen, kochen, bügeln, das kann ich nicht.“
Karoline Schmid vom Freiwilligen-Zentrum organisiert das Projekt und sucht Menschen, die sich wie Roswitha Scholz engagieren wollen. Denn die Nachfrage ist groß. Beispielsweise freuen sich pflegende Angehörige von dementen Personen über stundenweise Entlastung. Die Aktivitäten umfassen allerdings keine Pflege, betont Schmid. Vielmehr gehe es darum, mit seinen Schützlingen spazieren zu gehen oder sich nett zu unterhalten - einfach „Zeit und Aufmerksamkeit spenden.“Aktuell hat das Freiwilligen-Zentrum bei diesem Projekt 15 Personen, davon drei Männer. Die Jüngste ist knapp zwanzig, die Ältesten sind bereits über achtzig Jahre alt. Den zeitlichen Umfang bestimmt jeder selbst. Karoline Schmid bringt den Seniorenpartner und seinen Schützling zusammen. Ihr ist es wichtig, dass die Tandems harmonieren. Daher ist sie beim Erstkontakt mit dabei. Vertrauen schaffen, eine Beziehung aufbauen - das ist langfristig wichtig. Die Seniorenpartner betreuen somit immer die gleiche Person. Um auch den Kontakt untereinander aufzubauen und das Erlebte zu teilen, gibt es einmal im Monat ein Treffen für alle Seniorenpartner. „Das ist aber kein Muss“, so Schmid. Doch vielen tue es gut, sich auszutauschen.
Dass Karoline Schmid ein gutes Gespür für Menschen hat, zeigt sich bei Martha K. und Roswitha Scholz. Schon beim ersten Kennenlernen waren sich die beiden auf Anhieb sympathisch. Sie wissen über das Leben der anderen Bescheid, lachen viel und genießen die gemeinsame Zeit. Es ist eine besondere Form der Beziehung zwischen den beiden etwas zwischen Freundschaft und guter Nachbarschaft. Roswitha Scholz sieht es so: „Man ist nicht nur alt, man ist in erster Linie »Kommentar Mensch.“