Augsburger Allgemeine (Land West)
„Die Mühle wird anders, aber sie lebt“
Interview Die Kultureinrichtung in der Altstadt steht seit einiger Zeit in der Kritik. Leiterin Margret Spohn hält dagegen. Was sie über die Ära Ruile sagt und wie es mit dem Lokal weitergeht
„Das Trauerspiel um die Kresslesmühle“, hieß vor Kurzem eine Überschrift in unserer Zeitung. In einem vorangegangenen Beitrag war zu lesen, dass die Kultureinrichtung in der Altstadt „nahezu tot“sei. Frau Spohn als Leiterin der Kresslesmühle, wie kommen diese Botschaften bei Ihnen an?
Dass die Mühle tot ist, wie zu lesen, hat mich doch sehr überrascht. Wir haben fast jeden zweiten Abend eine Veranstaltung. In der Summe haben zwischen Oktober 2016 und Februar 2017 knapp 2000 Augsburger unsere Veranstaltungen besucht. Und bei diesen Zahlen sind die Kabarettveranstaltungen noch nicht einmal mitgerechnet. Allein 2016 hatten wir 150 Veranstaltungen, davon 43 Mal Kabarett. Das heißt, dass fast jeden zweiten Abend in der Mühle musiziert, geslammt, getanzt, diskutiert, gepredigt, gezaubert, geschauspielert oder gedichtet wurde.
Margret Spohn:
Wer an der Mühle vorbeiläuft, hat nicht den Eindruck, dass sich in dem Gebäude viel bewegt. Der Eingangsbereich wirkt wenig einladend. Das Lokal im Erdgeschoss ist geschlossen.
Die Einschätzung stimmt. Das Problem ist sicherlich, dass man von außen nicht sieht, was innen los ist. Innen wird sehr viel erneuert und überholt. Dies ist vor allem tagsüber so. Abends sind unsere Veranstaltungen – da sieht es dann
Spohn:
nur lebendiger aus – das ist es dann auch.
Außenstehende registrieren, dass sich der Einzug des neuen Lokals ewig hinzieht. Ohne eine funktionierende Gaststätte wirkt die Mühle irgendwie verloren. Wie sehen Sie diese Situation?
Dass sich der Einstieg der neuen Pächter verzögert, ist sicherlich bedauerlich. Dafür gibt es Gründe. Es ist allerdings zu sehen, dass die neuen Betreiberinnen bereits seit letztem Herbst bei allen Veranstaltungen vor Ort sind und catern. Die Besucher werden also mit Speisen und Getränken versorgt.
Spohn:
Es hieß, dass das Lokal im Januar startet. Wir schreiben Anfang März. Wann geht’s endlich los?
Der Eröffnungstermin steht. Am Freitag, 21. April, startet das Restaurant „Dreizehn“. Ich denke, dass dieses vegane Restaurant auch sehr gut in die Mühle passt und zudem das gastronomische Angebot in der Stadt bereichert. Unsere neuen Caterer brauchen zum Beispiel mehr Strom, als es in der Mühle gibt. Die Küche und der Tresenbereich müssen neu gestaltet werden, schadhafte Geräte müssen erneuert, entsorgt oder repariert werden – all das hat sich erst nach und nach herausgestellt. An diesem Beispiel zeigen sich exemplarisch die baulichen Nöte der Mühle.
Spohn:
Das denkmalgeschützte Gebäude soll deshalb umgebaut werden. 1,3 Millionen Euro werden wohl benötigt. Man befindet sich allerdings in der Warteschleife. Warum?
Der Umbau beinhaltet unter anderem den Einbau eines Aufzugs und neuer Toiletten. Bei der Finanzierung setzen wir auf eine hohe staatliche Förderung. Den Antrag können wir erst im Frühjahr stellen. Die Dinge sind vorbereitet. Ich bin sehr optimistisch, dass wir alle Chancen haben, in dem Programm aufgenommen zu werden.
Spohn:
Es geht zäh voran ...
Das ärgert uns auch. Aber unter diesen Rahmenbedingungen ist es nicht zu ändern. Wir wollen die Chance einer hohen Förderung nicht verstreichen lassen.
Spohn:
Wenn es um die Betrachtung der Mühle geht, fällt immer wieder der Name Hansi Ruile. Er hat die Einrichtung geprägt. Mit dem Abschied des früheren Leiters der Mühle verbinden Außenstehende den schleichenden Niedergang der Kultureinrichtung. Was sagen Sie dazu?
Die Mühle lebt. Das sage ich zunächst deutlich. Hansi Ruile war eine Epoche. Er hat sehr viel geleistet und erreicht. Aber schon der Übergang unter der alten Trägerschaft vor Übernahme durch die Stadt hat nicht wirklich gut funktionicht
Spohn:
niert. Wir können und möchten jetzt aber nicht Hansi Ruile kopieren. Wir müssen mit eigenen Ideen und einem Team das Haus bespielen. Das tun wir auch.
Inwiefern?
Es gibt den politischen Beschluss, die Mühle als Bildungshaus und Beratungszentrum zu installieren. Das Angebot richtet sich an Geflüchtete, aber auch Menschen aus EU-Staaten. Wir vom Büro für Migration, Interkultur und Vielfalt sind hier mit anderen städtischen Stellen im engen Austausch. Es bleibt dabei, dass nach dem erfolgten Umbau der Mühle die Bildungskoordinatoren ihre Tätigkeit in unserem Haus aufnehmen.
Spohn:
Die Mühle soll Ort der interkulturellen Begegnung bleiben. Was ist darunter zu verstehen?
Auch hier gibt es Veränderungen zu den Anfängen der Einrichtung. Sie war Begegnungsstätte für Migranten, die damals im Viertel lebten. Das Viertel in der Altstadt hat sich mittlerweile neu ausgerichtet. Dies gilt zudem für Einrichtungen, die die Themenfelder Kultur und Migration verbinden. Es gibt das Grandhotel, das Café Neruda und „Tür an Tür“. Auch darauf hat die Kresslesmühle zu reagieren. Deshalb haben wir neue Wege gefunden. Wir sehen uns heute als An-
Spohn:
laufstation für lokale Künstler aus vielen unterschiedlichen Bereichen und natürlich auch für Bands und arbeiten mit den genannten Einrichtungen eng zusammen. Und wir haben neue Formate entwickelt.
Welche?
Ich denke hier an das Format „Zugvogelslam“. Musikerinnen und Musiker jedweder Herkunft treten im musikalischen Wettstreit gegeneinander an. Das Publikum ist die Jury. Der nächste Zugvogelslam findet am 29. April um 20.30 Uhr in der Mühle statt.
Spohn:
Wenn wir davon ausgehen, dass die großen Umbaupläne auf den Weg gebracht werden, wie hat man sich den Umbau vorzustellen?
Es ist auf alle Fälle daran gedacht, dass auch in Zeiten des Umbaus das Erdgeschoss bespielt wird und das Restaurant regulär geöffnet hat.
Spohn:
Interview: Michael Hörmann
Margret Spohn
(52) leitet das Büro für Migration, Interkultur und Vielfalt der Stadt Augsburg. Sie stu dierte Interkulturelle Päda gogik und Migrationsso ziologie. Die promovierte Soziologin hat einen Lehrauftrag an der Hoch schule Kempten.