Augsburger Allgemeine (Land West)
Einzigartiger Kuppelbau und das Bildnis im hohlen Birnbaum
Die Wallfahrtskirche Maria Birnbaum im Ecknachtal bei Sielenbach ist Wahrzeichen und Besonderheit – nicht nur architektonisch
Nicht nur die Architektur ist einzigartig – aber die ganz besonders. Die Wallfahrtskirche Maria Birnbaum in Sielenbach (Kreis Aichach-Friedberg) erinnert mit ihren Türmen und den Kuppeln eher an orthodoxe Bauten. Tatsächlich entspricht die Kirche einem Fantasie-Entwurf des Bauherrn. Der Deutschordens-Komtur Philipp Jakob von Kaltenthal ließ sich vor rund 350 Jahren von der Kuppelrotunde des Pantheons in Rom, das seinerzeit eine der bedeutendsten Marienkirchen der Ewigen Stadt war, zum Bau dieser Wallfahrtskirche inspirieren. Maria Birnbaum gilt als der erste größere barocke Zentralbau in Bayern. Außergewöhnlich für unsere Zeit: 1999 kehrte der Deutsche Orden zurück – und gründete das Kloster neu. Heute leben dort vier Patres und ein Novize.
Ebenfalls einzigartig dürfte sein, dass eine Kirche um einen Birnbaum herum gebaut wird. Er gab der den Sieben Schmerzen Mariens gewidmeten Kirche den Namen. Die Geschichte dazu ist schnell erzählt. Als die Schweden im Dreißigjährigen Krieg ein Marterl mit einem geschnitzten Vesperbild zerstörten, rettete der Dorfhirte aus Sielenbach das halb verbrannte und vermoderte Vesperbild und stellte es in einen hohlen Birnbaum neben der Straße. Die erste Wunderheilung ereignete sich 1659. Ab 1661 errichtete der Komtur der im nahen Blumenthal angesiedelten DeutschOrdens-Ritter, Philipp Jakob von Kaltenthal, um den Birnbaum herum die heutige Wallfahrtskirche. Gegen den Widerstand seines Ordens und des Ordinariats in Freising setzte er durch, dass anstelle des rasch errichteten Bretterbaus der Birnbaum mit dem Gnadenbild durch eine „ansehnlich große Kirche“umfasst wurde. Niemand wollte jedoch das Geld dafür geben, und so mussten die Kommende Blumenthal und der Bauherr mit seinem Privatvermögen die Schuldenlast tragen. Letztendlich war der Bau aber nur möglich, weil viele Menschen unentgeltlich halfen und Material schenkten oder billiger abgaben. Ein Teil der Steine kam von der Ruine des Schlosses Stunzberg, das bis zum Dreißigjährigen Krieg gegenüber auf einer Anhöhe gestanden hatte. Schon 1662, ein Jahr nach Baubeginn, konnte in der noch unvollendeten Kirche Messe gelesen werden. Durch die Spenden der Wallfahrer amortisierten sich bald schon die Baukosten. Allerdings gab es sofort Streit ums Geld, denn das bischöfliche Ordinariat in Freising beanspruchte die Spenden für sich. Es kam zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf die neue Wallfahrtskirche sogar einmal mit einem Interdikt belegt wurde. Dies bedeutete, dass hier keine Messen mehr gefeiert werden durften (und wohl auch der Wallfahrtsbetrieb eingestellt war).
Die außergewöhnliche Architektur des Baus fasziniert. Die Kirche besteht aus sechs ineinandergehenden, unterschiedlich großen ovalen Räumen. Sie sind von Kuppeln überwölbt, die zusammen mit den Türmen die Dachsilhouette prägen. Das hohe Langhaus ist achteckig. Auf seine Kuppel ist der sogenannte Apostelturm gesetzt, eine Rotunde mit Brüstung, von der die Figuren der Apostel herabblicken. Die Kirche hat fünf Altäre, von denen drei aus der Erbauungszeit stammen.
Zunächst waren die Altäre, wie auch heute, nach Osten ausgerichtet. Um 1685 wurden sie nach Westen verlegt. Den Grund dafür beschreibt eine Legende, die der Historiker Friedrich Panzer in seinem Buch „Bayerische Sagen und Bräuche“festgehalten hat. Danach wollte die Muttergottesfigur nicht nach Westen (Sonnenuntergang) schauen, sondern nach Osten gegen den Aufgang. „Sie verschwand nachts aus dem Chore und stand am Tage am Westende des Schiffes an der Stelle des Birnbaums. Als sich dieses wiederholte, erkannte man ihren Willen und versetzte den Altar aus dem Chore dahin, das Altarbild gegen Osten gerichtet.“1867 erfolgte die Rückführung der Altäre in den heutigen Zustand. Der Hochaltar überwölbt seither den Birnbaum.
Flankiert wird der Hochaltar von den beiden Aposteln Petrus und Paulus. Die Figuren, die dort heute stehen, hatten für ein paar Jahrzehnte ein anderes Zuhause. Der Sielenbacher Ortschronist Michael Ritter kennt die Geschichte. Als die Kapuziner, die von 1867 bis 1984 die Wallfahrt betreuten, die Kirche übernahmen, wurde sie auch renoviert. Dem damaligen Superior hätten die Figuren nicht gefallen, erzählt Ritter. Die extra angefertigten neuen Figuren stiftete der Bauer des Weilers Gansbach, der dafür die Originalfiguren geschenkt bekam. Rund 35 Jahre lang zierten die dann die Fassade seines Hofes, bis um 1935, bei einer Neurenovierung der Wallfahrtskirche, der neue Superior die Figuren wieder zurückhaben wollte. Die Belege über die Restaurierung und Vergoldung der Figuren seien noch heute im Archiv vorhanden, erzählt Ritter. Unklar war lange, was mit den vom Gansbacher Bauern gestifteten Apostelfiguren passiert war. Erst kürzlich hat Ritter mithilfe eines Historikers herausgefunden, dass die Kapuziner sie um 1935 verkauft haben. „Das wollten sie dem Gansbacher wohl nicht sagen“, vermutet Ritter. Sie stehen heute in einer Kirche in Trudering (Stadt München).
Lange verschollen war auch die Fahne des Blauen Bundes. Eine Bruderschaft, die der Wallfahrtskirche verbunden ist. Seit den 1980erJahren lief die ohne Fahne, die eigentlich ein Mitglied nach alter Sitte vorwegtragen sollte. Ritter entdeckte im Sommer 2013 im InternetAuktionshaus Ebay zufällig die Fahne. Ritter erinnert sich: „Ich habe sofort zugeschlagen, um sie für die Wallfahrtsgeschichte zu retten.“Seit 2015 geht der Blaue Bund am Hochfest der Kirche an Mariä Himmelfahrt mit der aufwendig renovierten Fahne wieder vorweg.
Apostelturm ist eine Rotunde mit Brüstung
Fahne der Bruderschaft wird im Internet wieder ersteigert