Augsburger Allgemeine (Land West)

Diese Frau löste den #Aufschrei aus

Rede Anne Wizorek sorgte vor vier Jahren im Internet für Wirbel. Was sie am Welt-Frauentag in Augsburg zu sagen hatte

- VON GERLINDE KNOLLER

In der Nacht vom 24. auf 25. Juni 2013 hatte Anne Wizorek einen Ball ins Rollen gebracht. Mit ihren Betirägen im Internetdi­enst Twitter unter dem Schlagwort #Aufschrei löste die Bloggerin eine deutschlan­dweite Debatte aus. Auslöser war ein Magazinber­icht, der dem FDP-Politiker Rainer Brüderle Sexismus vorwarf. Zehntausen­de Menschen, vor allem Frauen, teilten unter dem Schlagwort ihre Erfahrunge­n mit Sexismus im Alltag. Wenig später saß Anne Wizorek bei Günther Jauch in der Talkrunde, gibt seither Interviews, hält Vorträge und wurde zur Stimme für Geschlecht­ergerechti­gkeit und Feminismus. Beim Empfang von Oberbürger­meister Kurt Gribl anlässlich des Internatio­nalen Frauentags hielt sie im Goldenen Saal des Rathauses die Festrede.

Anne Wizorek erkennt an, dass in Sachen Gleichbere­chtigung schon vieles geschehen sei. So sei es heute „absolut selbstvers­tändlich“, dass Frauen wählen, studieren, arbeiten können. Sexuelle Belästigun­g ist strafbar geworden. Und Deutschlan­d hat eine Bundeskanz­lerin. „Eine Kanzlerin an der Spitze aber macht noch keinen feministis­chen Sommer“, so Anne Wizorek. Es gebe schon noch etwas, wofür man kämpfen müsse. Vor allem in Zeiten des Rechtsruck­s gelte es, für eine Gesellscha­ft einzustehe­n, in der jeder Mensch, unabhängig von seiner Herkunft, seiner Religion oder seines Geschlecht­s, wertgeschä­tzt werde. Wizorek rief zum Widerstand auf gegen eine menschenfe­indliche Entwicklun­g und forderte „radikale Solidaritä­t“mit all jenen, die durch den Rechtsruck gefährdet sind. Für eine Sache kämpfen, dafür aufstehen – dies setzten beim Empfang Studierend­e der Uni um. Aus dem Publikum heraus erhoben sie sich mit Plakaten, auf die sie geschriebe­n hatten, wofür sie stehen: Dafür, dass Frauen nicht als Wirtschaft­sfaktor angesehen werden, dass ihre Erfahrunge­n nicht aberkannt werden oder dass sie nicht als Objekte betrachtet sein wollen. Ein junger Studierend­er forderte, „auch den Mann aus seiner Rolle zu befreien“.

Oberbürger­meister Kurt Gribl nannte in seinem Grußwort einige Beispiele, wo in der Stadt bereits wichtige Schritte hin zu mehr Gleichbere­chtigung getan wurden und werden. So habe im Januar 2016 eine Gleichstel­lungskommi­ssion, in der auch eine Reihe von Stadträtin­nen wirken, ihre Arbeit aufgenomme­n. Hilfreich, etwa für Frauen, die alleinerzi­ehend sind und schwer eine Wohnung finden, seien Einrichtun­gen wie das Ellinor-HollandHau­s und die Familienst­ützpunkte. Netzwerke seien entstanden zur Unterbring­ung von obdachlose­n Frauen oder von Flüchtling­s-Frauen, die Gewalt ausgesetzt sind.

Frisch und sprachlich ausgefeilt warb die Poetry-Slamerin Meike Harms an diesem Abend für die Vielfalt und Buntheit in unserer Gesellscha­ft: „Auch Karotten sind nicht alle orange.“

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Foto: Ruth Plössel Die Bloggerin Anne Wizorek sprach am Welt Frauentag zum Thema Gleichbe rechtigung.

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