Augsburger Allgemeine (Land West)
So läuft das Ringen um günstigen Wohnraum
Gesellschaft Das „Haus Delphin“, eine Einrichtung für sozial schwache und oft suchtkranke Menschen, hat eine neue Bleibe gefunden. Doch es gibt auch Verlierer: Mehrere Mieter, darunter Familien, müssen aus ihren Wohnungen raus
Die einen ziehen ein, dafür müssen andere weichen. Der Umzug des betreuten Wohnangebots „Haus Delphin“in ein Gebäude in der Inninger Straße in Haunstetten ist fast abgeschlossen. Rund 35 überwiegend sozial schwache, suchtkranke Menschen haben eine neue Bleibe gefunden. Aus dem alten, einige hundert Meter entfernten Gebäude hatte das „Haus Delphin“ausziehen müssen. Hier plant ein Investor Wohnungen und Apartments. Doch es gibt auch Verlierer in der Sache: Alle Mieter, die bisher in dem Mehrfamilienhaus an der Inninger Straße lebten, müssen jetzt ausziehen.
Der Fall zeigt, wie das Ringen um bezahlbaren Wohnraum in der Stadt abläuft. Und wie der Wohnraum teils auch verloren geht. Es waren relativ günstige Wohnungen, die sich in dem Haus befanden. Auch Menschen mit kleinerem Einkommen und Senioren mit überschaubarer Rente konnten sich die Miete noch leisten. Rund 1000 Euro warm – das musste eine Familie mit vier Kindern für eine rund 110 Quadratmeter große Wohnung pro Monat bezahlen. Die Familie stammt von den Philippinen, sie ist im Jahr 2014 hier eingezogen. Jetzt stehen Kisten in der Wohnung, die Schränke sind ausgeräumt, die Möbel schon teilweise abgebaut. Die Familie zieht in diesen Tagen um. Die Mutter sagt: „Zuerst wussten wir gar nicht, wo wir hinsollen. Jetzt haben wir zum Glück doch etwas gefunden.“
Doch die Suche war mühsam. Die Familie hat nun ein Haus angemietet. Es ist um einiges teurer, etwa 1500 Euro sind jetzt im Monat fällig. Bezahlbarer Wohnraum ist knapp in Augsburg. Das zeigte jüngst auch der Fall zweier Häuser in der Ulmer Straße in Oberhausen. Ein Münchner Investor plant dort Apartments und eine Jugendherberge. Die Mieter müssen ebenfalls aus ihren günstigen Wohnungen ausziehen.
Im Dezember hat die Familie mit philippinischen Wurzeln davon erfahren, dass das Mehrfamilienhaus in der Inninger Straße in ein Betreutes Wohnen umgewandelt wird. Unter Druck gesetzt habe der neue Besitzer des Gebäudes sie nicht, erzählt die Mieterin. Sie habe auch Verständnis für die neue Nutzung: „Diese Menschen müsse ja auch ir- gendwo leben.“Druck verspürte die Familie dennoch. Die Eltern wollten so schnell wie möglich ausziehen. Sie hatten kein gutes Gefühl dabei, dass ihre Kinder mit mehreren Dutzend Suchtkranken in einem Haus leben sollen. Auch anderen Familien erging es so. Inzwischen, erzählt man sich im Haus, hätten alle eine neue Bleibe gefunden. Probleme mit den Bewohnern des „Haus Delphin“habe es bisher aber keine gegeben, berichten die Mieter, die noch in dem Gebäude leben. Eine Frau erzählt: „Die Leute sind ruhig und sie sind alle freundlich zu mir.“
Skeptisch sehen auch mehrere Nachbarn den Einzug des Betreuten Wohnens. Sie fürchten Belästigungen durch Betrunkene – und eine Wertminderung ihrer Häuser. Was einige zudem stört: Frank Pöschl, der Pflegedienstleiter des „Haus Delphin“, ließ im Hof des Hauses mehrere Wohncontainer aufstellen, in dem Bewohner seiner Einrichtung so lange unterkommen, bis alle Mieter aus den Wohnungen raus sind. Weil er für die Container vorher keine Genehmigung eingeholt hatte, bekam Pöschl Ärger mit der Stadt. Eine Sprecherin der Stadtverwaltung betonte aber, dass man aus Rücksicht auf die schwierige Lage der Betroffenen nicht den sofortigen Abbau der Container anordne.
Frank Pöschl sagt, er gehe davon aus, dass er die Container nur noch fünf Wochen benötige. Bis dahin seien voraussichtlich alle bisherigen Mieter ausgezogen und die Wohnungen frei. Er setzt darauf, dass die Ängste bei den Nachbarn nachlassen, wenn es im Alltag keinen Ärger gibt. Pöschl hat die Räume in der Inninger Straße nicht selbst gekauft. Er hat sie von einem Investor angemietet. Für den Investor ist die Nutzung des Hauses als Betreutes Wohnen offensichtlich ein lohnendes Geschäft. Ehemalige Ladenflächen im Erdgeschoss hat Frank Pöschl vor dem Einzug zusammen mit Mitarbeitern überwiegend in Eigenregie in einen neuen Aufenthaltsbereich umgestaltet. Im „Haus Delphin“leben viele Menschen, die zuvor in anderen Einrichtungen nicht klargekommen sind – oft wegen ihrer Alkoholsucht.
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