Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie lockt man Ärzte aufs Land?
Medizin In der Region ist ein Drittel der Hausärzte über 60 Jahre alt. In Dinkelscherben erklärt ein Experte, wie die Zukunft aussehen könnte. Im Ärztehaus Zusmarshausen tut sich was
Die Patienten von Dr. Jörg Bartusch können aufatmen: Nach langer Suche hat der 72-jährige Hausarzt endlich einen Nachfolger gefunden (wir berichteten). Dieses Problem ist also erst mal gelöst. Doch die ärztliche Versorgung auf dem Land bleibt ein Thema. Zurzeit gibt es in Dinkelscherben drei Allgemeinärzte und mehrere Fachärzte. Doch wie sieht die Zukunft aus? Werden sie Nachfolger finden? Und was kann die Gemeinde tun, um für Ärzte attraktiv zu sein? Darum ging es in der Marktratssitzung am Dienstagabend.
Wie eng die Lage ist, zeigt ein Blick auf den aktuellen Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB). In dem Planungsbereich, in dem auch Dinkelscherben liegt, beträgt der Versorgungsgrad mit Hausärzten 96 Prozent, ist also unterbesetzt. Außerdem sind neun von 23 Ärzten über 60 Jahre alt. Als Experte sprach in der Sitzung Adrian Dostal aus Vilsbiburg (Landkreis Landshut), der Gemeinden zum Thema ärztliche Versorgung berät. Er zählte viele Gründe auf, warum Hausärzte knapp werden. Facharzt sein sei für junge Leute attraktiver: Sie verdienten mehr, hätten als Angestellte im Krankenhaus weniger Verantwortung. Die Scheu davor, sich mit einer eigenen Praxis selbstständig zu machen, steige. Außerdem nimmt der Anteil der Frauen zu. Mittlerweile sind 70 Prozent der Medizinstudenten weiblich. „Auch um Beruf und Familie vereinen und Teilzeit arbeiten zu können, bevorzugten Frauen ein Angestelltenverhältnis“, erklärte Dostal. Die Einzelpraxis ist für ihn deshalb ein „Auslaufmodell“, die Zukunft sieht er in Mehrpersonenpraxen: So können Ärzte angestellt arbeiten, auch Teilzeitarbeit ist möglich, die Mediziner müssen sich nicht um die Verwaltung kümmern.
In Dinkelscherben plant ein privater Investor, ein Ärztehaus zu bauen, und ist auf der Suche nach Mietern. Die Gemeinde könnte sich vorstellen, auf dem MaischbergerAreal am Bahnhof ein oder zwei Gesundheitspraxen einzurichten. Einen Zahnarzt gibt es dort schon. Dostal bot hier seine Dienste an: Für 4000 bis 8000 Euro netto würde der Unternehmensberater den „Prozess organisieren und moderieren.“Was genau er dafür machen würde, konnte er allerdings nicht erklären, auch eine Erfolgsgarantie, dass sich dann tatsächlich Ärzte finden, wollte er nicht geben. So waren die Gemeinderäte wenig überzeugt – zumal Dr. Bartusch, der für die CSU im Gemeinderat sitzt, berichtete, dass er 8000 Euro ausgegeben habe für drei Institute, die einen Nachfolger für ihn suchten. Erfolgreich war das nicht – gefunden hat er Dr. Bernhard Meurers zufällig über eine Pharmareferentin. Die Dinkelscherber Räte wollen in der nächsten Sitzung nun noch einmal über das Thema diskutieren. In Zusmarshausen hat die Gemeinde zusammen mit der Raiffeisenbank in der Ortsmitte schon ein Ärztehaus gebaut. 2015 sind dort eine Apotheke, ein Notar, ein Haus- und ein Zahnarzt eingezogen. Doch die große Praxis im ersten Stock stand lange leer. Die Gemeinde hätte dort gerne einen Facharzt gehabt. Das hat nicht geklappt, aber die Räume werden bald belebt sein: Am 1. Mai ziehen dort ein Physiotherapeut und ein Osteopath ein. Die Gemeinde habe langfristige Mietverträge geschlossen, erklärt Bürgermeister Bernhard Uhl, und gibt zu: „Es war nicht einfach, jemanden zu finden.“Die Gemeinde habe mehrere Tausend Euro für Annoncen ausgegeben und auch sonst viele Gespräche geführt. Niemand wollte die ganze Fläche, etwa 180 Quadratmeter. Nun wird die Praxis geteilt, die Bauarbeiten laufen. Uhl erklärt: „Der Teil war ja noch im Rohzustand, jetzt gehen wir genau auf die Wünsche der Mieter ein.“
Wie also lockt man Ärzte aufs Land? Die meisten bleiben nach dem Studium lieber in der Stadt oder gehen sogar ins Ausland, in die Schweiz oder nach Skandinavien, berichtete Bartusch. „Einen Arzt herbeizaubern geht nicht“, meinte Dostal und betonte, die Gemeinde müsse dafür aktiv werden und auch etwas Fantasie haben. Als Beispiel nannte er das Projekt „Landarztmacher“aus dem Bayerischen Wald. Dort wird das Praktikum in Klinik und Hausarztpraxis für die Nachwuchsmediziner zum Erlebnis, die Studenten wohnen gemeinsam in einem Ferienhaus und gehen nach der Arbeit zusammen Langlaufen oder Bogenschießen. Andere Kommunen stellen den jungen Ärzten E-Bikes zur Verfügung, „damit sie raus aus München kommen“, erzählte Dostal.