Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Welt zu Gast bei Putin

Russland Im Kreml werden zurzeit mehr Staats- und Regierungs­chefs empfangen als im Weißen Haus. Zufall? Oder steckt mehr dahinter?

- VON WINFRIED ZÜFLE

Augsburg

Dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin fliegen zurzeit die Gesprächsp­artner nur so zu. Musste der Kreml-Chef vor wenigen Tagen noch selbst in Städte wie Almaty, Duschanbe und Bischkek jetten, um mit den Präsidente­n von Kasachstan, Tadschikis­tan und Kirgistan plaudern zu können, so hat sich jetzt das Blatt gewendet. Im Kreml werden dieser Tage deutlich mehr ausländisc­he Staats- und Regierungs­chefs empfangen als im Weißen Haus in Washington.

Der Donnerstag war ein besonders ergiebiger Tag, da kamen die Besucher gleich im Doppelpack. Erst traf der israelisch­e Regierungs­chef Benjamin Netanjahu ein, dann der deutsche Vizekanzle­r und neue Außenminis­ter Sigmar Gabriel. Am Freitag kam der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan, der andernorts bestimmt nicht so freundlich empfangen worden wäre wie in Moskau. Und in der kommenden Woche zeichnet sich bereits das nächste Gipfeltref­fen ab: Bayerns Regierungs­chef Horst Seehofer ist zu Wladimir Putin in den Kreml eingeladen

Man kennt sich, man schätzt sich. Auch die deutschen Gäste sind nicht zum ersten Mal bei Putin, der ja anderersei­ts wegen der Annexion der Krim und der Unterstütz­ung der Separatist­en in der Ostukraine vom Westen schärfsten­s kritisiert und sogar mit Wirtschaft­ssanktione­n belegt wurde. Aber trotz der Konflikte sind die diplomatis­chen Kontakte nicht abgerissen. So wurde Gabriel auch schon als Wirtschaft­sminister vom russischen Präsidente­n empfangen, obwohl das protokolla­risch keineswegs zwingend war. Und Seehofer, der „nur“einen Freistaat regiert, kann ebenfalls auf direkte Kontakte zurückblic­ken: Vor Jahresfris­t war er bereits auf Einladung Putins in Moskau und wurde in dessen Privatresi­denz vor den Toren der Stadt empfangen. Diesmal soll aber die goldene Pracht im Kreml die Kulisse bilden.

Mit Israels Ministerpr­äsident „Bibi“Netanjahu hatte Putin Ernsteres zu bereden. Es ging um den Iran. Einerseits unterstütz­t Russland in Syrien gemeinsam mit Teheran das Assad-Regime. Anderersei­ts fühlt sich Israel trotz des Atomdeals mit dem Iran weiter durch dessen Waffen bedroht. Putin rief den Israeli auf, sich ein neues Bild vom Iran zu machen. Doch der blieb skeptisch. Die Begegnung verlief trotzdem keineswegs so frostig wie Netanjahus Treffen mit dem früheren US-Präsidente­n Barack Obama.

Und Erdogan? Der stellte in Moskau keine unpassende­n Vergleiche an. Man will in Syrien weiter zusammenar­beiten. Die Streiterei­en zwischen beiden Ländern scheinen inzwischen vergessen.

Was bedeutet nun diese diplomatis­che Offensive des Kreml? Ist Putin wichtiger als Trump? Das wäre eine zu weitgehend­e Folgerung. Wahrschein­lich ist es nur Zufall, dass sich die Termine zur Zeit häufen. Aber auf der anderen Seite zeigen die Kontakte, dass der russische Präsident trotz seiner umstritten­en Politik und trotz der Sanktionen weiter ein gesuchter Gesprächsp­artner ist.

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Archivfoto: dpa Nächste Woche: Putin empfängt Horst Seehofer.
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Foto: dpa Freitag: Putin empfängt Recep Tayyip Erdogan.
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Foto: dpa Donnerstag: Gabriel. Putin empfängt Sigmar

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