Augsburger Allgemeine (Land West)
Marcel H. tötete aus Mordlust
Kriminalität Drei Tage war der 19-Jährige auf der Flucht. Dann stellte er sich. Nun ist bekannt, dass er nicht nur Jaden, sondern auch einen Bekannten kaltblütig und brutal ermordet hat
Herne
Erleichterung. Kaum ein Wort fällt schneller und öfter an diesem Freitag in Herne. Der mutmaßliche Kindermörder Marcel H. ist gefasst. Am Donnerstagabend stellte sich der 19-Jährige in einem griechischen Imbiss im Stadtteil Baukau, gut fünf Kilometer vom Fundort der Leiche des neunjährigen Jaden entfernt. Doch gleichzeitig herrscht auch neues Entsetzen. Denn ein weiterer Mensch ist gestorben.
Der Tatverdächtige hatte selbst einen Hinweis auf eine brennende Wohnung gegeben, nur rund 300 Meter vom Imbiss entfernt. Wenig später fand die Feuerwehr die Leiche eines Mannes im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses. Inzwischen ist klar, dass es sich bei dem Toten um einen 22-Jährigen handelt. Er war ein ehemaliger Mitschüler des 19-jährigen H. Er ist sein zweites Opfer.
Am Abend nach dem Mord an Jaden suchte H. bei seinem alten Klassenkameraden Unterschlupf und bekam ihn. Die beiden Männer spielten zusammen Computer, aßen etwas und legten sich dann schlafen. Am nächsten Morgen konfrontierte der 22-Jährige H. mit der Tat und wollte zur Polizei gehen, so schildern es die Ermittler. „Das war sein Todesurteil“, sagt Klaus-Peter Lipphaus, Leiter der Bochumer Mordkommission. Mit 68 Messerstichen habe H. seinen Bekannten getötet. Bei Jaden hatte die Obduktion 52 Messerstiche ergeben.
H. ist den Ermittlern zufolge umfassend geständig. Bevor er sich zu dem Mord an Jaden entschlossen habe, hätte die Bundeswehr seine Bewerbung als Zeitsoldat abgelehnt. Außerdem sei er dabei gewesen, mit seinen Eltern in eine Nachbarstadt zu ziehen und befürchtete, seinen Internetanschluss zu verlieren. Die Unmöglichkeit, keine Computerspiele im Internet spielen zu können, habe ihn zu Suizidgedanken getrieben, sagt Lipphaus. Also habe der 19-Jährige zwei Mal versucht, sich selbst zu töten. Zuerst wollte er sich erhängen; als das nicht funktionierte, wollte er sich durch das Anzünden eines Kohlegrills in seiner Wohnung das Leben nehmen. Auch das scheiterte. Also ging er zu seinem Nachbarsjungen, den er schon lange kannte, klingelte und lockte den Neunjährigen unter einem Vorwand in sein Haus. Dann stach er zu.
Bei seinem Geständnis wirkt Marcel H. laut Lipphaus eiskalt und emotionslos. „Ich habe an wenig von dem, was er sagt, Zweifel“, sagt der Polizeichef. H. nenne den Ermittlern gegenüber viele Details. „Er hat ein sehr hohes Erinnerungsvermögen“, sagt Lippmann. Er diktiere den Polizisten praktisch sein Geständnis. Der zuständige Staatsanwalt Danyal Maibaum sprach von Mordlust als Motiv. Das Verhalten von H. erweckt nach Maibaums Ansicht den Eindruck, dass der 19-Jährige dringend von einem Gerichtspsychiater begutachtet werden müsse. Weil er sich allerdings gut an die Taten erinnern könne, bezweifelt Maibaum, dass er nicht steuerungsfähig gewesen sei
Nach seinem zweiten Mord soll H. zwei Tage mit der Leiche seines Bekannten verbracht haben, bevor er sich stellte. Warum er sich stellte? Er habe offensichtlich keine Alternative mehr gesehen, als sich das Leben zu nehmen oder sich zu stellen, sagt Maibaum.
Der „Thessaloniki-Grill“, wo H. am Donnerstagabend festgenommen wurde, ist nur wenige Meter von der Wohnung seines Bekannten entfernt. Der Inhaber Georgios Chaitidis sagt, er habe überhaupt nicht gewusst, um wen es sich handle, als H. seinen Imbiss betrat. „Um 20.10 Uhr kam er rein mit schwarzen Klamotten, Regenschirm und einem Sack Zwiebeln in der Hand. Er hatte keine Brille auf.“Die Polizei nahm alles mit, was er dabei hatte. Auch ein Handy, das er noch in den Müll geworfen hatte.
Inzwischen ist bekannt, dass er zwar Fotos seiner Taten machte, diese aber nicht ins Netz stellte. Wie die Aufnahmen in Chatforen gelangten, ist unbekannt. vor. Wenn das alles wäre: Sohn Kristian Friedland (Moritz Führmann) hat eine Freundin, die im Rollstuhl sitzt, seine Mutter ist beinamputiert und schwer krebskrank. Ja, das ist drehbuchmäßig ein bisschen zu viel des Schlechten. Aber für die Schauspieler ist „Nachtsicht“eine gemähte Wiesn (wird man in Bremen nicht verstehen), vor allem für Rainer Bock als irrlichternden Vater.
Die Frage nach dem Täter wird angesichts der vielleicht etwas überzogenen, tragischen Familienkonstellation zur Nebensache. Hauptkommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) trägt wie immer das Beamtentum im Gesicht. Nachdem ja erst für 2019 das Ende des Duos angesagt ist, lohnt es sich noch immer, die Lürsen auf ein Wellness- und Psycho-Seminar mit dem Titel „Wie werde ich entspannter“zu schicken.
Kollege Stedefreund, der mit dem netten Nachnamen, braucht keine Schulung. Allein sein Lächeln, als die BKA-Kollegin Linda Selb das Kommissariat betritt, sagt alles.
Einschalten, ja! Ausgenommen Zuschauer, die überhaupt kein Blut sehen können. Rupert Huber