Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Augsburger hilft den Schalkern

FCA Gegner Trainer Markus Weinzierl setzt gegen den FC Augsburg auf die Unterstütz­ung von Mentalcoac­h Jörg Löhr. Ein Zeichen dafür, wie sehr er unter Druck steht

- VON JOHANNES GRAF

Zu den Floskeln des Fußballs gehört jene, dass Spiele im Kopf entschiede­n werden. Ungeachtet dessen basiert Erfolg auf den physischen Voraussetz­ungen. Wer in der 85. Minute einen Sprint Richtung Tor ansetzen will, zuvor jedoch von einem Wadenkramp­f niedergest­reckt wird, wird schwerlich einen Siegtreffe­r erzielen.

Mindestens so bedeutsam für den Ausgang einer Partie ist dennoch die Psyche. Mitunter hilft sie, tatkräftig unterstütz­t von Adrenalin und Konzentrat­ion, den Schmerz zwickender Muskeln und gedehnter Bänder auszublend­en. Geht das gut, wird nach einem Spiel gerne mit einer weiteren Floskel argumentie­rt: Es war eine Frage des Willens.

Gewinnen will in der Bundesliga jeder Profi und jede Mannschaft, mitunter schaffen sie es jedoch nicht, ihr Leistungsm­aximum zu erreichen. Ausgedrück­t als nächste Floskel: Die Mannschaft ist besser, als es der Tabellenpl­atz aussagt. Zu dieser Kategorie zählt etwa der FC Schalke 04 in dieser Spielzeit.

Der Bundesligi­st setzte vor dieser Saison auf eine Rundumerne­uerung, verstärkte sich mit Millionen schweren Zugängen, installier­te als Chefstrate­ge Sportdirek­tor Christian Heidel (Mainz 05) und als Trainer Markus Weinzierl (FC Augsburg). Die Schalker, mit reichlich namhaftem Personal und dem russischen Geldgeber Gazprom ausgestatt­et, wollten angreifen. Wollten ihrem königsblau­en Selbstvers­tändnis gerecht werden, zu den deutschen Spitzenklu­bs zu zählen.

Inzwischen mussten alle Beteiligte­n, inklusive des aufgeregte­n Umfelds und dessen kritischen Anhängern, zum wiederholt­en Male in ihrer Historie erkennen, dass Erfolg nicht planbar ist. In seiner Premierens­aison in Gelsenkirc­hen erlebt Weinzierl ein fortwähren­des Auf und Ab. Nach einem ganz schwachen Start in der Liga zählten ihn Medien bereits an, nach einem vielverspr­echenden Zwischensp­urt hieß es, Schalke sei ein Kandidat für die internatio­nalen Plätze.

Der Blick auf die Tabelle und die Zahlen zeigen die ungeschönt­e Wahrheit, das Hier und Jetzt: Bei einer Niederlage am Sonntag gegen den FC Augsburg (15.30 Uhr) steckt Schalke 04 im Abstiegska­mpf. Und zwar so richtig. Verliert Weinzierl gegen Augsburg und scheidet er gegen Mönchengla­dbach im EuropaLeag­ue-Achtelfina­le aus, könnte er seinen Job als Schalke-Trainer verlieren. Die Geduld mit dem Trainer, der Schalke im Sommer mehrere Millionen Euro Ablöse wert war, könnte zu Ende sein.

Nun soll ausgerechn­et ein Augsburger dazu beitragen, dass die Schalker – Achtung, weitere Floskel – den Schalter umlegen. Der renommiert­e Persönlich­keitscoach Jörg Löhr, 55, hilft dieser Tage dabei, im Kopf mögliche Blockaden zu lösen und den Spielern mentale Stärke einzuhauch­en. Mehrmals beriet Löhr die auf dem Platz wankelmüti­gen Schalker in der jüngsten Vergangenh­eit. Weinzierl arbeitete bereits in seiner Augsburger Ära eng mit Löhr zusammen, nach seinem Wechsel ins Ruhrgebiet pflegt er den Kontakt nach Augsburg weiterhin.

Unter anderem mit Löhrs Rat und Anregungen begründete Weinzierl ziemlich genau vor einem Jahr den anhaltende­n Erfolg des FCA. „Gerade junge Spieler müssen mit dem Druck zurechtkom­men, mit den positiven, vor allem aber den negativen Erlebnisse­n“, erläuterte der Trainer damals. Den Druck spürt auch Weinzierl selbst. der 42-Jährige erneuert in der Sportbild die Bedeutung Löhrs: „Es ist sinnvoll, wenn ein Außenstehe­nder der Mannschaft Input gibt. Er hilft uns, ans Maximum heranzukom­men.“

Zu Gewissensk­onflikten wird es trotz des Wirkens von Löhr am Wochenende nicht kommen. Denn mit Weinzierls Abgang beim FCA endete die Zusammenar­beit zwischen dem Mentaltrai­ner und dem Augsburger Bundesligi­sten. Löhr hat in der laufenden Spielzeit nicht mit der FCA-Mannschaft gearbeitet.

Frank Löhr, der am Unternehme­n seines Bruders in Augsburg beteiligt ist, verbucht dies auf Nachfrage als normalen Vorgang. Schließlic­h hätte jeder Trainer eigene Vorstellun­gen. Und außerdem, merkt Frank Löhr an, würden eine Zusammenar­beit mit unterschie­dlichen Bundesligi­sten sich nicht gänzlich ausschließ­en. „Wir schulen schließlic­h Menschen und gehen mit ihnen nicht die Taktik durch“, betont Löhr.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Mit Jörg Löhr nach oben? Der FC Schalke 04 und dessen Trainer Markus Weinzierl vertrauen auf die Fähigkeite­n des Persönlich­keitstrain­ers.
Foto: Ulrich Wagner Mit Jörg Löhr nach oben? Der FC Schalke 04 und dessen Trainer Markus Weinzierl vertrauen auf die Fähigkeite­n des Persönlich­keitstrain­ers.

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