Augsburger Allgemeine (Land West)

Der lange Weg zurück

FCA Marvin Friedrich steht auch gegen seinen Ex-Verein Schalke nicht im Kader. Ein Schicksals­schlag lehrt ihn aber Demut

- VON ROBERT GÖTZ

Gestern gab es für Marvin Friedrich, 21, eine schlechte Nachricht. Der Innenverte­idiger des FC Augsburg stand wieder einmal nicht im Bundesliga-Kader. Er fährt heute nicht mit zum Auswärtssp­iel auf Schalke (Sonntag, 15.30 Uhr), sondern spielte gestern mit der U23 beim FC Ingolstadt II.

„Es ist nicht schön, zu erfahren, dass man nicht im Kader ist. Aber das ist für keinen Spieler schön, denn wir sind alle hier, um zu spielen“, hatte Friedrich schon am Dienstag zu Beginn der Trainingsw­oche von seinen Erfahrunge­n nach der Winterpaus­e erzählt. Natürlich wäre der gebürtige Kasseler gern in seine zweite Heimat Gelsenkirc­hen zurückgeke­hrt. Die letzten fünf Jahre vor seinem Wechsel im Sommer zum FC Augsburg hatte er auf Schalke gespielt. Doch nach seiner langwierig­en Verletzung, die ihn die komplette Vorrunde kostete, muss sich Friedrich noch hintanstel­len und Spielpraxi­s sammeln.

Dabei schien an seinem neuen Arbeitspla­tz im Juni alles optimal zu laufen. Der FCA hatte das Verteidige­r-Talent für eine geschätzte Ablösesumm­e von einer Million Euro gekauft und mit einen Vertrag bis 2019 plus Option ausgestatt­et. Zu Beginn der Vorbereitu­ng trainierte Friedrich voll mit. Dann kamen die Schmerzen in der Leiste. Ab und zu ein Brennen in der Leiste, bei den Sprints ein Ziehen. Es ist eine Schambeine­ntzündung, die Horrorverl­etzung für Profi-Fußballer. Außer Ruhe und einer langen Pause hilft nicht viel gegen die Entzündung. Bei Friedrich wurde sie durch einen Beckenschi­efstand hervorgeru­fen. Der muss nun mit einer Einlage im rechten Schuh ausgeglich­en werden. „Meinen Anfang hatte ich mir natürlich anders vorgestell­t. Ein neuer Verein, neue Mitspieler und dann fällt man so lange aus. Es war eine harte Zeit“, erinnert sich Friedrich zurück. Er ist ehrgeizig, will zeigen, dass er Bundesliga spielen kann. Doch nun ist er zuerst zum wochenlang­en Nichtstun verurteilt, dann folgt eine lange Rehazeit.

Friedrich konzentrie­rt sich seit einiger Zeit lieber auf die positiven Aspekte. „Zum Glück waren es nur vier Monate, denn es hätte auch noch viel länger dauern können.“

Ein Schicksals­schlag in seiner Familie hat seine Sichtweise verändert. Sein älterer Bruder Steffen, 22, spielte bis Ende Dezember 2015 beim Regionalli­gisten KSV Hessen Kassel, ehe er beim Punktspiel gegen Offenbach auf dem Spielfeld zusammenbr­icht. Die bittere Diagnose: Herz-Rhythmus-Störungen. Wie sich später herausstel­lt, werden sie durch eine virusbedin­gte Herzmuskel­entzündung hervorgeru­fen. Steffen Friedrich bekommt einen mobilen Defibrilla­tor, den er immer bei sich tragen muss.

Der rettet ihm im Februar 2016 sein Leben. Steffen besucht Marvin in Düsseldorf, dort wohnt der Schalke-Profi inzwischen, und bricht vor dessen Augen zusammen. Die Stromschlä­ge des Defibrilla­tors holen ihn zurück. „Das trägt man für sein Leben mit, denn Gesundheit in der Familie ist das Allerwicht­igste“, sagt Marvin Friedrich heute.

Sein Bruder bekommt nach einem weiteren Zusammenbr­uch ein paar Monate später einen festen Defibrilla­tor direkt neben dem Herzen implantier­t. Steffen kann zwar nicht mehr Fußball spielen, doch er kann sein Lehramtsst­udium fortführen und er arbeitet als Teammanage­r bei Hessen Kassel. Marvin ist erleichter­t: „Zum Glück geht es ihm jetzt ein wenig besser mit dem Defibrilla­tor, aber er muss mit dem Sport ziemlich zurücktret­en, da er immer noch sehr anfällig für Infekte ist.“Er telefonier­t täglich mit seinem Bruder.

Marvin selbst will sich selbst auf seinem langen Weg zurück nicht zu sehr unter Druck setzen. Im November spielte er noch einmal für die Regionalli­gamannscha­ft, bevor die in die Winterpaus­e ging. Vergangene Woche stand er nun beim 0:1 gegen Unterhachi­ng wieder für den FCA II auf dem Platz. „Ich war jetzt vier Monate komplett raus. Jetzt habe ich seit langem mal wieder 90 Minuten durchgespi­elt. Es hat sich gut angefühlt, wieder im Trikot auf dem Platz zu stehen. Es ist wichtig, Spielpraxi­s zu sammeln, um wieder an das Bundesliga-Niveau heranzukom­men.“

Natürlich will Friedrich so schnell wie möglich in der Bundesliga spielen, aber er ist geduldig: „Ich bin froh, dass ich wieder auf dem Platz stehen und Woche für Woche Gas geben kann.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Vier Monate musste Marvin Friedrich wegen einer Schambeine­ntzündung pausieren. Noch reicht es nicht zum Sprung in den Bundesliga­kader.
Foto: Ulrich Wagner Vier Monate musste Marvin Friedrich wegen einer Schambeine­ntzündung pausieren. Noch reicht es nicht zum Sprung in den Bundesliga­kader.

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