Augsburger Allgemeine (Land West)
Das Leben nach Schlecker
Wirtschaft Sieben Filialen der Drogeriekette mussten wegen der Pleite im Jahr 2012 in Augsburg schließen. Das Aus der Märkte schuf aber auch Platz für Neues. Ein Besuch bei den Menschen, die heute in den einstigen Läden arbeiten
An die Zeit, als hier noch die Schlecker-Frauen gearbeitet haben, erinnert fast nichts mehr. Nur noch die typischen, ziemlich schmalen Türen aus Metall verraten, dass sich in dem Gebäude in der Jakoberstraße 20 bis vor fünf Jahren noch ein SchleckerMarkt befand. Wer jetzt durch die Tür geht, stößt im Inneren auf ein Stück Berlin mitten in Augsburg. Wo es Putzmittel, Duschgel und Zahnpasta gab, ist jetzt ein Imbiss. „Berlin 61“heißt der Laden.
Christian Stiller hat sich mit seiner aus Ägypten stammenden Frau Sahar einen kleinen Traum erfüllt. Die beiden haben im Jahr 2015 einen Imbiss eröffnet, wie es in auch in Berlin-Kreuzberg geben könnte. Christian Stiller ist dort aufgewachsen. „Es sollte ein echter Kiez-Laden werden, wo sich Leute aus allen Schichten treffen“, erklärt Christian Stiller die Idee. Der Imbiss ist so international wie das Ehepaar. Neben der klassischen Currywurst gibt es auch typisch ägyptische Gerichte. Und Fleisch, bei dessen Schlachtung auf die islamischen Regeln geachtet wurde. Seine Frau hat Christian Stiller kennengelernt, weil sie in Deutschland Soziologie studierte. Dann kam irgendwann der Gedanke, ein Geschäft zu eröffnen, bei dem sie zusammen arbeiten können.
Einfach ist es nicht, auch finanziell. Nach einem Schicksalsschlag in der Familie dachten sie voriges Jahr zeitweise ans Aufgeben. Auch an Kredite, um das Geschäft auszubauen, kommt man als kleiner Imbissbetreiber nur schwer. Dennoch hat das Paar Pläne. Sie wollen den Gastraum vergrößern. Sie würden gerne auch Frühstuck und Brunch anbieten. Begleitet von elektronischer Musik, wie sie in Berlin in vielen Läden läuft. Er könnte sich vorstellen, dass lokale DJs bei ihm auflegen, sagt Christian Stiller. Was ihn freut: „Wir haben inzwischen viele Stammkunden aus dem Viertel.“
Der alte Schlecker-Markt ist nach der Pleite der Drogeriekette im Jahr 2012 hier zwar verschwunden. Doch mit dem Imbiss ist neues Leben eingezogen. Die ehemalige Filiale in der Jakobervorstadt ist nicht der einzige Schlecker-Standort in Augsburg, der jetzt ganz anders genutzt wird. Auch in der Wertachstraße sind die blauen SchleckerSchilder längst abmontiert. Stattdessen wirbt nun ein türkischer Bäcker mit großen Tafeln für seine Waren. Auch hier führt der Weg durch die alten Schlecker-MarktTüren in eine eigene Welt. Die Verkäuferinnen tragen Kopftuch, eine Teemaschine steht neben dem Verkaufstresen, im Hintergrund läuft orientalische Musik.
Vor drei Jahren hat Mehmet Sahin sein Geschäft eröffnet, in dem es auch typische Gerichte wie Lahmacun – ein mit einer Hackfleischmasse bestrichenes Fladenbrot – zu essen gibt. Außerdem hat er einen Holzofen in die ehemaligen Räume der Drogerie eingebaut und backt Pizza. Mehmet Sahin hat in der Türkei sein Handwerk gelernt. Er arbeitete zehn Jahre bei der Bäckereikette Ihle, ehe er den Schritt in die Selbstständigkeit wagte.
Auch im Bärenkeller ist es ein türkischstämmiger Geschäftsmann, der für Leben in einer ehemaligen Schlecker-Filiale sorgt. Schon länger gibt es hier, am Holzweg, einen türkischen Brautmodeladen. Murat Temiz hat das Geschäft zu Jahresbeginn übernommen und das Sortiment ausgeweitet – jetzt hängen in dem Laden festliche Kleider aller Art. „Wir sind international“, sagt er. Und so kommen auch einheimische Frauen, die keine türkischen Wurzeln haben, zu ihm rein und schauen die Ständer mit den vielen bunten Kleidern durch.
Auch in der Eberlestraße in Pfersee ist die Kundschaft bunt gemischt. Einwanderer und Einheimische kaufen im Göl-Supermarkt ein. Betrieben wird der türkische Markt von Salman Gözlügöl. Er begann mit einem Geschäft in Königsbrunn und eröffnete dann in dem einstigen Schlecker-Markt in Pfersee eine zweite Filiale. Von den insgesamt sieben Märkten, die im Zuge der Pleite im Jahr 2012 schließen musstürkische ten, stehen derzeit zwei leer. In dem einstigen Laden in der Donauwörther Straße sind noch Teile der alten Einrichtung zu erkennen. In der Frauentorstraße im Domviertel kleben Werbeplakate am Schaufenster. Doch hier soll sich bald etwas bewegen. Eine Rewe-Markt soll in das Gebäude einziehen. Der mehrfach verschobene Umbau dafür soll jetzt im April beginnen. Ein SchleckerMarkt befand sich auch im Fuggerstadt-Center beim Hauptbahnhof.
Das Einkaufszentrum wird derzeit umgebaut. Nach der Neueröffnung soll es in dem Bereich, in dem einst Schlecker war, einen zu den Bahnsteigen hin offenen Imbissbereich geben. Und die Bundespolizei soll in dem Gebäude ein neues Revier beziehen. Schlecker ist auch hier nur noch eine Erinnerung.
Zwei Märkte stehen leer, einer wird umgebaut